[Private Bücherei wird öffentlich]

Ist es nicht so, dass, um Kurt Vonneguts Kilgore Trout, also jemanden, der dir näher stehen dürfte, wenn ich so sagen darf, zu zitieren, "am Leben zu sein eine Schatztruhe voller Scheiße ist."

Meinetwegen, auch wenn ich denke: Was für ein Schmarren!

Dein druckreifer Satz und der Trout’sche Vergleich.

Du weißt doch, worauf ich hinauswill.

Das schon, aber glaubst du nicht, dass du es etwas übertreibst mit deiner Zitiererei?

Ich übertreibe gerne, außerdem spielen Bücher in meinem Leben eine so große Rolle, dass ich da absolut keine Hemmungen habe.

Gäbe es zum Beispiel in Wien neben jeder Bus- und Straßenbahnhaltestelle, die ich frequentierte, Buchhandlungen, wäre das mein finanzieller Ruin.

Das ist ja schön und gut, aber ...

Außerdem hat mein Freund im Norden oben kürzlich eine Ausstellung gemacht, die ich leider nicht gesehen habe.

Dein Enthusiasmus ist ansteckend!

Eine Arbeit hieß REGAL. Auf einem einfachen Holzregal standen 26 Bücher, darunter DIE ABENTEUER DES HUCKLEBERRY FIN und DIE SCHATZINSEL.

Und die restlichen 24?

Alle seine Lieblingsbücher, Bücher, die wichtig waren für ihn.

Ich könnte mir heute noch in den Arsch beißen, dass ich es nicht geschafft habe, diese Ausstellung zu sehen.

Tu dir keinen Zwang an.

Aus: Christian Futscher, Soledad. Wien 2000. S.223

[Kurzrezension]

Christian Futscher lässt unter dem melancholischen Titel "Soledad" zwei Engel Konversation pflegen, die raum- und zeitlos sind, zu jedem Thema etwas zu sagen haben und in Ermangelung eines physischen Handicaps sich über Gott und die Welt hinwegsetzen können. In sieben Kapiteln, denen jeweils ein literatur-theoretisches Zitat von Gustave Flaubert bis Philippe Soupault vorangestellt ist, wird schwadroniert, assoziiert, und fantasiert, dass man sich als Leser am besten treiben lässt und gar nicht versucht, aus den Gesprächsketten etwas Logisches herauszupressen. Der Schwall des Gesprächs, die Fladen von Nonsens und die himmlische Leichtigkeit, nichts beweisen zu müssen, ergeben einen Bewusstseinsstrom, der einen mit der Zeit fortreißt aus dieser Welt. Als zaghafter Fantasieverweigerer kann man sich die beiden Gesprächsengel als zwei völlig illuminierte Gestalten vorstellen, die gerade den höheren Sinn des Lebens gefunden haben. Und wenn man dem Klappentext Glauben schenkt, wonach der Autor einen Stadtheurigen gepachtet hat, so dürften zumindest einige Wortfetzen Ausschnitte aus einem "ordentlichen Fetzen" sein. Theatralisch könnte man die beiden Wortspender auch in der Gegend von "Godot" ansiedeln, wo bekanntlich zwei Clowns und Lebensfilosofen auf die Erscheinung warten. "Soledad" ist eine merkwürdige Zuordnung für ein Gefühl, das ein Kontinent, eine Himmelsrichtung oder eine Wettererscheinung sein kann. Oft ist es auch nur eine Erinnerung an eine bestimmte Situation, die während des Erinnerns verloren gegangen ist wie ein "Soledad-Foto", über die räsonniert wird. Gassenhauer und Gossen-Slang geben sich zwischendurch die Klinke, wie man so zu sagen pflegt. Manchmal erkennen die beiden Gesprächspartner ihr eigenes Niveau und feiern es, wenn es besonders tief ist. Apropos Gesprächspartner: Nur im Replizieren sind die beiden Engelsfiguren Partner, inhaltlich reicht die Palette von der logischen Fortführung eines Gedankens über die Negation bis hin zur trotzigen Eröffnung eines neuen Themas. Als Leser profitiert man vom sagenhaften Sound dieser Gesprächskultur, die man zum Unterschied von Gaststätten rauch-, rausch- und geruchsfrei konsumieren kann.

Christian Futscher: Soledad oder im Süden unten. Roman. Wien: Deuticke 2000. 253 Seiten. 248,- ATS. [18,02 EUR]

Christian Futscher, geb. 1960 in Feldkirch, lebt in Wien.

[Helmuth Schönauer]