Kleines Mädchen mit komischen Haaren

Wenn es nach dem Nachwort geht, das sich hauptsächlich auf das "DFW"-Internet-Portal stützt, ist David Foster Wallace ein legitimer Erzähl-Enkel der vier amerikanischen Giganten William Gaddis, Thomas Pynchon, Philip Roth und Don DeLillo. Somit sind auch schon die wichtigsten Themen vorgegeben: Medien-Society, Fake, Urbanität und US-Mythos. Im Erzählband "mit den komischen Haaren", der vor zehn Jahren im Original erschienen ist, sind fünf Stories versammelt, die alles sofort den Leser anspringen mit Genauigkeit und Rasanz. "Ich bin eine Frau, die am 27. März 1989 in der Late Night Show von David Letternman aufgetreten ist." Mit diesem Satz zu Beginn der Erzählung "Mein Auftritt" ist alles gesagt, Thema, Ort und Zeit, die fünf Ws, die im Journalismus gepredigt werden. Diese Frau erzählt nun aus ihrer Sicht, mit einer Hörstöpselschaltung ist sie mit ihrem Mann verbunden, der sie beruhigt und ihr professionelle Tipps gibt, in Frontstellung blödelt David Lattermann, bei dem nur eine Frage entscheidend ist, wie blöd schätzt er das Publikum ein, und schließlich applaudiert das Publikum im Saal und weit draußen in der Fläche des Senders. In dieser Konstellation werden die Themen gemacht, angereichert und gelöscht. Das Produzieren von akustischen und anderen Fakes ist der Sinn der Sendung und des Lebens. Eine ähnliche Verschmelzung zwischen Geschichte, Journalismus und Innsicht eines Mitarbeiters gibt es im Text "Lyndon", der eine ganz unerwartete Sicht auf den Präsidenten Lynden B. Johnson wirft. Während des Vorstellungsgesprächs beim ehemaligen Senator Lyndon übernimmt der Erzähler sofort die Sicht des Arbeitgebers, der Erzähler wird zum Pressemanager des späteren Präsidenten und schreibt so die Geschichte, indem er sie zusammen mit dem Präsidenten erfindet. Heikel wird dieses Unternehmen dadurch, daß der Erzähler schwul ist und die Geschichte gegen die Vorurteile der Gesellschaft entwickeln muß. Wenn modernes Erzählen bedeutet, daß über das Erzählen reflektiert wird, so ist David Foster Wallace tatsächlich ein Musterbeispiel eines "modernen Erzählers". Und die Giganten werden schmunzeld zugeben, daß dieser "Enkel" Wallace längst ein eigenes Erzählimperium geschaffen hat.

David Foster Wallace: Kleines Mädchen mit komischen Haaren. Stories. A.d.Amerikan. von Marcus Ingendaay. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2001. 254 Seiten. 277,- ATS. € 19,50. ISBN 3-462-02975-4

David Foster Wallace, geb. 1962, lebt in Bloomington, Illinois.

Helmuth Schönauer 15/04/01

Erika Pluhar, geb. 1939, lebt in Wien.

Helmuth Schönauer 11/04/01