Ei nun

Es gibt Dichter, die stehen pünktlich am ersten jeder Verleger-Saison vor dem Verlag und geben ihr Werk ab, und dann gibt es wieder welche, denen muß man jeden Taxt abringen, womöglich noch mit dem Versprechen, ja nichts zu drucken. Hansjörg Waldner hat sich endlich so viele Texte abringen lassen, daß daraus ein Buch voller Poesie und Texte werden konnte. Mit dem raffinierten Titel "Ei nun" soll das verschliffene Wochenende angedeutet werden, an dem es zu einem poetischen "High-noon" kommt, der Titel verweist aber auch auf die schlaue Erkenntnis, die plötzlich überraschend ausgebrochen ist, und letztlich ist "Ei nun" auch so etwas wie der Befehl zu einer erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber den Abläufen rundherum. Hansjörg Waldner, der immer wieder mit verblüffenden Glossen aus dem Reich des Unrecherchierbaren aufhorchen läßt, hat seine poetischen Texte meist vom selben Baum gepflückt, auf dem auch seine Text-Analysen zur Literatur der Gegenwart wachsen. So versammeln sich in "Ei nun" Einkaufszettel der anderen Art, Horoskop-Auswüchse, rhetorische Umfaller von politischen Regionalgrößen bis hin zu einem Kronewolf-Gegengedicht der besonderen Art. Ein anderer Zweig führt in private Bereiche wie Kindheit, Leben und Sterben in der Höhe eines Provinz-Sees oder kulminiert in dem melancholischen Scheidungsgedicht, das den gesamten Schmerz mit einer einzigen lyrischen Trennscheibe auseinander schabt. Einen Höhepunkt nicht nur in Metern stellt der Ortler dar, der als Mythos bestiegen wird. In Hansjörg Waldners Literaturtheorie gibt es so etwas wie den Mythos der Provinz, der am Ortler nicht nur wegen der Thomas-Bernhard Geschichten, die um den Ortler herum spielen, zu einem erfrorenen Höhepunkt wird. In einem feinfühligen Nachwort erläutert Katharina Riese anhand eines alten Familienfotos, wie Gesichter auf einem Foto letztlich zu Gedichten werden, wenn die Zeit mithilft. Niemand versteht eigentlich, warum Hansjörg Waldner seine Texte so lange zurückgehalten hat. Aber jetzt sind ein paar davon endlich da!

Hansjörg Waldner: Ei nun. Poesie und Texte. Mit einem Nachwort von Katharina Riese. Innsbruck: TAK 2001. 90 Seiten. 160,- ATS. € 11,62. ISBN 3-900888-39-6

Hansjörg Waldner, geb. 1954 in St. Valentin auf der Haide, lebt in Wien.

Helmuth Schönauer 18/04/01