Für den
Arsch
In der Vorweihnachtszeit gehen
kluge Menschen mit dem eigenen MP3-Stick durch die Gegend, um sich die
generelle Weihnachtsmusik zu ersparen. Wenn alle diese Schas-Lieder
zu einem einzigen Song verbunden sind, nennt man es übrigens Medley. Aber auch
im Print-Bereich gibt es diese Medleys, dort heißen
sie Anthologien und sind für nichts anderes als den Arsch. Wörtlich übersetzt
handelt es sich bei Anthologien um eine Blütenlese, und seit Cosy wissen wir, wo Blüten ihren Sitz haben. Diese Anthologitis ist wie eine permanente Angina, sie steckt
einem im Hals und man hat Angst, dass man sie verschleppt und plötzlich einen
formidablen Herzschaden ausfasst. Jetzt steht zu befürchten, dass bei der
Aktion „Innsbruck liest“, wo immerhin so tolle Romane wie „Kameramörder“ und
„Wundränder“ unter die unbekümmerten Leser gebracht worden sind, eine A. für
den A. kommen soll. Dabei haben wir noch ein paar tausend Stück der Innsbruck-Anthologie
aus dem Jahre 1990 in den Lesedepots liegen, denn kein Schwein liest eine
Anthologie. Eine Anthologie ist etwas für Germanisten, da können sie auswählen,
Vorwörter und Gutachten schreiben, wir aber sollten den witzigen und
freiwilligen Aspekt beim Lesen nicht vergessen. Warum kann man nicht aus
heuriger Sicht Hans Platzgumers „Expedition“, Irene Pruggers „Frauen im Schlafrock“ oder Elias Schneitters „Frühstück mit Sonnenbrille“ als Lesegeschenk
für witzige Leser ins Auge fassen? Warum können nicht Texte unterstützt werden,
welche Autoren freiwillig und autark verfasst haben? Warum muss immer ein Thema
oder eine Anthologie ausgelobt werden, wo dann alle artig den Affen herunterschreiben? Das Problem bei der so genannten
Literaturpflege besteht ja darin, dass landläufig Fiktion mit Roman gleich
gesetzt wird. Wenn man also frisches Publikum gewinnen will, muss man eben an
die Vorstellungskraft dieses Publikums denken. Die Tiroler und Innsbrucker
denken da wie bei einem Fronleichnamsumzug, er muss eine gewisse Länge haben
und durchgehend begehbar sein, kleinere Prozessiönchen
an einem Vormittag sind dann halt nicht so attraktiv. Bitte an alle
Literaturmacher: Wischt euch die Idee mit der Anthologie weg, bevor sich damit
andere einen auswischen!
Helmuth Schönauer 15/12/05
STICHPUNKT 528
Gut gekratzt!
Damit eine Zeitung zum Frühstück schmeckt, sollte
mindestens eine kleine Nachricht drin sein, die hemmungslos Schadenfreude
auslöst. Eine verdammt gute Nachricht in einer der verdammt guten Tiroler
Frühstückszeitungen war in dieser Hinsicht der Bericht von einem zerkratzten
und zerdetschten Range Rover in der Innsbrucker
Maria-Theresien-Straße. Das toppt auf der
Schadensfreude-Skala! Da der Range Rover sicher nicht der Caritas gehört, die
damit vielleicht im Asphaltdschungel die Armen aus der Innenstadthölle
evakuiert, gehört dieses Kampfauto entweder einem Jäger oder sonst einem
Hormongestörten, der die Genitalien als Geweih am Kopf trägt. In beiden Fällen
ist das Zerkratzen der Kampfpatina nicht schlecht. Denn in welchem Einsatz
könnte sich der Range Rover sonst in der Maria-Theresien-Straße befinden, wenn
nicht in einem Kriegseinsatz? Diese schönen Morgennachrichten, wenn in der
Nacht die Kämpfer der Gerechtigkeit das Blechding eines Schweines
aufgeschlitzt haben. Und hoffentlich findet man die Täter und Täterinnen nicht,
damit sie noch viele Einsätze abwickeln können, denn gerade in der
Maria-Theresien-Straße wimmelt es nur so von Schweinen. Soeben soll ein Podium
aufgebaut werden, wo man seltsame Leute aufstellen will, damit sie dem
Christkindlumzug zuwinken. Von Promis ist die Rede, die während des Umzuges
Fleischkäse kauen, es können aber auch Schweine sein, die sich sozial
unverträglich unter die Christkindl-Gaffer mischen wollen. Wie wird man wohl
diesen Bodies am Podium die passende Botschaft in die
Arschbacken ritzen? Zum Kratzen gibt es jedenfalls genug in dieser Weltstadt
Innsbruck, die Tag für Tag kulturell am Abkratzen ist.
Helmuth Schönauer 13/12/05
STICHPUNKT 527
Das Verklingeln der Töne
Der Mensch lebt nur echt, so lange er sein Leben am Handy
managt. Mannigfaltig ist daher die Werbung für Handys, worin wir für alle
Stellungen einen eigenen Tarif angeboten bekommen. Der gute Handy-Mensch hat
nicht nur für jede Stimmung einen passenden Klingelton sondern auch mindestens
fünf Handys vor sich liegen, damit er jeweils mit dem günstigsten Netz in den
total günstigen Tarif surfen kann. Wo immer es um glänzende Geschäfte mit
strahlendem Optimismus geht, wird gerne auf die Hinterseite vergessen. Wie hört
dieser ganze Boom denn eines Tages auf? Was steckt hinter diesen Klingeltönen?
Eine recht tief gehende Geschichte dazu weiß eine Notärztin zu erzählen. Sie
berichtet, wie sie bei einem Einsatz einen Schwerverletzten völlig konzentriert
aus dem Wrack bugsiert. Der Verunfallte ist noch ansprechbar, aber er wird diesen
Unfall nicht überleben. Die Ärztin zieht eine Narkose auf, die schweren
Verletzungen werden allmählich das Gehirn aus dem Schock entlassen und es
werden Schmerzen einsetzen. Da läutet das Handy des Opfers. – Jetzt ist die
Notärztin irritiert. Soll sie das Handy abnehmen und es dem Opfer reichen? Es
wäre das letzte Gespräch und quasi ein Verklingen des Lebens am Handy. Die
Notärztin schaltet wieder auf Routine, versetzt den Verletzten in einen
Tiefschlaf und verschickt das ruhig gestellte Bündel mit dem Helikopter ins
nächste Krankenhaus. Tatsächlich ist der Angerufene nie mehr erwacht. Sein
Leben ist verklingelt wie eine Handymelodie. So etwa könnten echte
Weihnachtsgeschichten klingeln, wenn sie nicht als Geschäft allenthalben an der
Kasse klingeln müssten.
Helmuth Schönauer 10/12/05
STICHPUNKT 526
Das Felix der Oper
Die Buchhändler kümmern sich leider immer öfter um
Nebensachen und weniger um gute Bücher. Mister Forcher,
der gute und ausgeisternde Geist des Haymon Verlages,
denkt ein bisschen wehmütig an die gute alte Zeit, als es in den Buchhandlungen
in der Hauptsache gute Bücher gegeben hat. Denn jetzt klingt das ganz anders:
"Ein traumhafter Märchenstoff, der gerade rechtzeitig zum
Weihnachtsgeschäft in die Buchläden kommt!" – Und was kommt da traumhaft
daher? Natürlich ein echter Felix. Der Tiroler Eingottdichter und heimliche
ORF-Angestellte Felix Mitterer hat die Präsentation
seines jüngsten Streichs und den Streich überhaupt in die Staatsoper verlegt.
Dort jagen diverse Schatten aus der Vergangenheit ein hohes C, gondeln durch
Venedig und applaudieren einander, bis das Fernsehen alles aufgenommen hat. Das
Phantom der Oper ist wieder da, denn Staatsoperndirektor, Felix, das hohe C und
die Buchhändler gehen in einem Weihnachtssound von Wohlwollen in einander über.
Lesen ist üblicherweise ein Stück Aufklärungsarbeit, um die eigene Seele mit
unbekanntem Stoff bekannt zu machen. Bei Felix aber wird das Lesen mit
Inszenierung voll gemacht, er selbst ist praktisch die Konsole, auf der die
User-Kids dann das hohe C spielen dürfen. Was können wir daraus lernen? Bei
Felix handelt es sich nicht um Literatur sondern um ein Stück Botschaft der
Kulturinhaber an das lesende Volk. Seht her, so wollen wir es haben, lautet der
Zeigefinger, mit dem die Machtinhaber auf den Dichter zeigen. Nett,
weihnachtlich, ein Stück Märchen, Oper, eine Tochter, die den Dichtervater
drängt, doch ein hohes C-Buch zu schreiben, damit die Familie zu Weihnachten
heil ist. Jetzt brauchen wir nur noch einen passenden Adventsong. "Tauet
Felix den Gerechten" oder so ähnlich.
Helmuth Schönauer 09/12/05
STICHPUNKT 525
Neue Tuifl-Trends
So um den Nikolo herum werden in
Tirol allenthalben die Tuifl-Gewänder ausgepackt.
Früher einmal war das bald erledigt, entweder man hatte ein Stinkegewand,
das wie Pest und Mittelalter stank und das Jahr über in der Jauchengrube
aufbewahrt worden war, oder man zog sich das Fell eines frisch geschlachteten
Tieres über, und schon war man der perfekte Tuifl.
Jahrzehntelang haben heimische Ethnologen diesen Bräuchen aufgelauert und sich
für eine lobenswerte Erwähnung in einem Brauchtumsbildband oder Österreichbild
gerne von der Armen-Tuifl-Gesellschaft des Ortes eine
Zirbenstube schenken lassen. Mittlerweile ist alles erforscht, ein paar
Touristen aus den neuen EU-Ländern reisen mit Digitalkamera an und knipsen uns
Tiroler als Tuifel, wie wir unsererseits die
Nepalesen als Dalai Lamas knipsen. Aber es gibt auch fetzige neue Trends. Die
Masken werden heuer vom Internet downgeloadet und in
der Gummipressmaschine vor Ort zu echten Fratzen gepresst. Gottseidank
haben die meisten Tiroler ein Einheitsgesicht, so dass man ihnen jede Maske wie
angegossen aufsetzen kann, auch wenn diese aus dem
Internet kommt. Und der Hit heuer ist überhaupt die Eigenmaske! Also die
meisten Tiroler gehen heuer als "Ich-selbst"
oder schwarze ÖVP-Kopie und erwecken Schrecken und Wahnsinn, wie man es sich
von den Tuifeln erwartet. Auf den prächtig mit
Steinpflaster austapezierten Ortskernen werden heuer die zotteligen Schritte
mit Schuhen aus dem Fundus von Hansi Hinterseer in
das cleane Erdreich gestampft, aus den Hüften machen
die Männer ihre wunderbaren Eierbewegungen und klingeln hinten mit der Glocke,
während sie vorne mit dem Schwanz wedeln und umgekehrt. Dazu gibt es Musik aus
Häkelmützenlautsprechern im Sound von DJ Ötzi. Jede
Menge Senfgas, oder wie dieses gelb-rote Ding auf den Bühnen heißt, wird
verströmt und wenn die Tiroler rundum langsam zu erfrieren drohen, zeigt man
ihnen noch einen schwebenden Dressman, der von einer Dachluke heruntergelassen
wird und satanisch schreit. - Wollt ihr die Hölle? Verpisst euch, denken die
meisten und hoffen, dass es nächstes Jahr bessere Tuifl-Trends
gibt.
Helmuth Schönauer 06/12/05
STICHPUNKT 524
Handy-Minarett
In Telfs soll ein Minarett zu
einer bestehenden Moschee errichtet werden, und manche Patrioten hören jetzt
das Sterbeglöckchen des Abendlandes läuten, was interessante Diskussionen
auslöst. Jede Geschichte hat eine Vorgeschichte, wie jeder Film einen Vorspann
hat. Telfs, muss man wissen, ist der Ort mit den
größten Zuwächsen an Einheimischen, in keinem anderen Ort Tirols wird letztlich
so viel für die Einheimischen gebaut wie in Telfs.
Das hat einen recht trivialen Grund. Der ehemalige Bürgermeister wollte mehr
Gehalt, dafür musste sein Ort in die nächste Entlohnungsstufe hineinrücken,
weshalb Telfs von 7000 Einwohnern 1981 auf das
Doppelte 2001 gewachsen ist. Für so eine stark gewachsene Gemeinde gibt es
stets auch "Guttelen" der Anerkennung. So
wurde die Friedensglocke der ARGE Alp in Hörweite aufgehängt, der ehemalige
Bischof "Kothi" ließ flugs eine neue Kirche
in die neue Siedlung am Waldrand zur Munde bauen, Felix Mitterer
bekam schon zu Lebzeiten seine Felix-Mitterer-Straße
und im Gewerbegebiet wurde ein respektables Bordell für das horizontale Gewerbe
gebaut. So, und jetzt kriegt diese Erfolgsstory einen leichten Riss, weil die
unkatholischen Bewohner ein Minarett wollen und sich nicht mit dem
allgemein-katholischen Geläute zufrieden geben. Einspruch hin oder her, die
Tiroler werden sich an Minarette gewöhnen müssen, sagt dazu der sehr
katholische Nationalratspräsident in einem erstaunlichen Anflug an Weitsicht.
Den Erbauern des Minaretts könnte man allerdings einen Tipp geben. Sie sollen
das Minarett einfach als Handymasten errichten, gegen die Errichtung von
Handymasten können nämlich nach geltendem Handy-Gesetz keine Einwände gemacht
werden, weshalb es ja fast auf jedem Grundstück einen
Handymasten gibt. Gegebenenfalls könnte man den
Handymasten der Moschee ja so lange verkleiden, bis das Ganze fromm wie ein
sakrales Bauwerk ausschaut. Zumal ja auch die stets raffinierten und
zeitgeistigen Katholiken ihre Kirchtürme mittlerweile als Handymasten nützen,
um Kohle einzuspielen und das ganze Land mit der Abstrahlung göttlicher SMS und
anderer Handybotschaften zu beglücken.
Helmuth Schönauer 13/11/05
STICHPUNKT 523
Die Lehre vom Vergleich
Die Lehre vom Vergleich ist eine der kürzesten und
treffendsten: "Alles ist vergleichbar!" Um diese Lehre jeder Generation
wieder möglichst dramatisch vor Augen zu führen, gibt es an manchen
Universitäten sogar einen eigenen Lehrstuhl. Dieser heißt hochwohlgeboren
akademisch "Komparatistik" und darin tun alle nichts anderes, als
emsig alle Texte, Literaturen und Kulturen miteinander zu vergleichen. An guten
Tagen wird gelobt, dass es Sinn macht, über den eigenen Tellerrand zu schauen,
an schlechteren Tagen fragt man sich, was diese ewige Vergleicherei
eigentlich soll. Dieser Tage wird an der Innsbrucker Uni entschieden, ob die
Komparatistik weitergeführt oder eingestellt werden soll. Die Dichter sind
schon seit einigen Wochen auf der Palme und rufen, Hände weg von unserem
Wunderinstitut. Größter Befürworter des Institutes ist der Dichter Raoul
Schrott, der einst an der Komparatistik studiert hat und dem
man nachsagt, dass er gerne auf einem Lehrstuhl sitzen würde, wenn die
Steuererleichterungen an seinem momentanen Dichtersitz in Irland auslaufen
sollten. Wenn man das Argument von Absolventen gelten lassen sollte, nämlich
die Komparatistik ist gut, weil darin Raoul Schrott sein Studium abgeschlossen
hat, müßte man augenblicklich die Innsbrucker
Germanistik schließen. Denn diese wäre demnach ausgesprochen schlecht, weil an
ihr Schriftsteller wie Walter Klier und Helmuth Schönauer rechtzeitig mit dem
Studium aufgehört haben, ehe etwas von der Institutsleere in die Dichterköpfe
geschwappt ist. Hinter der Diskussion um Proponenten
von Sinn und Unsinn könnte man im Fall der Komparatistik schon noch eine
Überlegung anstellen. Wenn alle vorhandenen Institute ihre Aufgaben machten,
braucht es eigentlich keine Komparatistik. Die Komparatistik in Innsbruck ist
ja nur eingesprungen, weil gewisse Institute beharrlich im Koma liegen. Jeder
Verlust ist ein Verlust, ok, das ist auch so ein komparatischischer Satz, aber wäre außer ein paar
Arbeitsplätzen etwas verloren, wenn es die Komparatistik nicht mehr gäbe?
(Dieser Kommentar erscheint drei Tage VOR der Entscheidung über das Schicksal
der Komparatistik. Literatur sollte nämlich auch im Vorhinein da sein, nicht
immer nur germanistisch nachhakend im Hinterher.)
Helmuth Schönauer 17/11/05
STICHPUNKT 522
Die Zukunft liegt in der Zukunft
Nichts ist so sicher wie die Zukunft, also es ist ziemlich
sicher, dass es ständig eine Zukunft gibt. Getragen von dieser Binsenweisheit
gibt es immer wieder Veranstalter, die sich einen netten Referenten über die
Zukunft einladen. Da horchen die Leute gerne zu und am Schluss können sich alle
selber zu applaudieren, weil sie ja alle in die Zukunft gehen. In Österreich
gibt es für diese futurfürzigen Anlässe zwei so
genannte Zukunftsforscher, den etwas kühneren und daher teurerer Matthias Horx, und den etwas seichteren und daher auch billigeren
Andreas Reiter. Dieser waschechte Innsbrucker hat übrigens eine sensationelle
Karriere als Trendforscher gemacht. Berühmt ist seine Aussage in dutzenden
Talkshows: "Es gibt einen Trend, wir wissen nur nicht welchen!"
Aussagen über die Zukunft zu treffen wäre ja eigentlich das Kerngeschäft der
Literatur. Ausgestattet mit dem Musilschen Möglichkeitssinn könnte ein guter
Schriftsteller tatsächlich ab und zu in seinen Romanen etwas Prognostisches
schreiben. Aber niemand, der halbwegs ein Schriftsteller sein will, tut sich
etwas mit der Zukunft an, denn gefragt sind nur Romane mit
Vergangenheitsbewältigung. Also gut punkten diese Retro-Writer
mit alten Geschichten, die sich wenn möglich über die permanente
Nazivergangenheit der Österreicher lustig machen. Während also die
Schriftsteller des Landes ihre ganze Kraft dafür einsetzen, zu jedem Nazi einen
passenden Roman zu schreiben, verkünden hoch bezahlte Zukunftsforscher die
hybride These, dass die Zukunft in der Zukunft liegt. Wenigstens ist das
Gesellschaftssystem gerecht, für die Naziforscher zahlt es nicht viel, weshalb
die Schriftsteller nicht viel verdienen, und für die Zukunftsforscher zahlt das
System gerne und viel, weil es einfach wenig verlässliche Zukunftsforscher
gibt.
Helmuth Schönauer 13/10/05
STICHPUNKT 521
Genies des Alltags
Einem Genie sieht man es von außen erst einmal gar nicht
an, dass es eines ist, aber dann, wenn es aufmacht, flutet gute Stimmung und
Witzigkeit aus dem Genie hervor. Dieser Tage treten im Lokal mit dem witzigen
Namen "Kögele" gleich drei dieser edlen
Erscheinungen auf und geben ein spätes Heimspiel. Der Megagitarrist Thomas Hechenberger stammt nämlich aus Axams
und hat sich kurzfristig mit dem Organisten Valentin Oman aus Wien-Zehn und dem
Drummer Georg Beck aus Amstetten zusammengetan. Aufgestachelt von so vielen
Unorten der Herkunft ist es für die Musiker klar, Weltmusik zu spielen,
beispielsweise Summertime in gegroovter
Form. Das Publikum, das an diesem Abend im Kögele
sitzt, besteht zu fünfundneunzig Prozent aus Dorfmusikanten und einem Kellner.
Alle haben tagsüber gearbeitet, sind zur Schule gegangen und haben sich
unauffällig verhalten, bis jetzt. Jetzt zucken ihre Glieder, wenn sie geheime
Drummer sind, wülsten sich die Lippen zu grandiosen
Soli, wenn sie Bläser sind, flunkern die Augäpfel wie loses Gestein in den
Aughöhlen, wenn sie auf digitalisierte Musik stehen. "Ich glaube, wir
werfen unsere Instrumente weg und graben sie ein", sagt ein Ortsmusikant als er sieht, was der verlorene Sohn wieder
für einen Abend in Axams zu Hause für einen Sound
hinlegt. An diesem Tag erleben alle heftig den Sinn des Lebens. Dieser besteht
kurz gefasst darin, dass man tagsüber unauffällig seiner Arbeit nachgeht und am
Abend Kunst macht, mit sich und seiner Umgebung. Wie schon gesagt, die Genies
des Alltags sind oft nicht leicht auszumachen, aber einmal erkannt, sind sie
umwerfend witzig und verströmen ihre optimistische Aura an den abgelegensten Orten.
Helmuth Schönauer 11/10/05
STICHPUNKT 520
Bonsai-Präsident gratuliert
Seit der Präsident des Tiroler Landtages aus einer
ziemlich kleinen Angelegenheit etwas ziemlich Großes gemacht hat, wird er im
Volksmund Bonsai-Präsident genannt. Denn der Tiroler Landtag ist seit dem
EU-Beitritt Österreichs so ziemlich das Unnotwendigste, was die Entscheidungen
betrifft, allerdings das Wichtigste, was die Größe des Demokratie-Bewusstseins
anbelangt. Denn täglich verkündet der Landtag die Freiheit Tirols, die er
kurzfristig den Habsburgern geliehen hat, obwohl das schon sechshundert Jahre
her ist. So schaut dieser Landtag aus wie ein großer demokratischer Baum, ist aber
in Wirklichkeit ein fuzzi-kleines Ding, ein Bonsai
eben. Die Wichtigkeit des Landtages wird noch dadurch unterstrichen, dass etwas
erst dann Gültigkeit hat, wenn der Bonasi-Präsident
etwas dazu sagt. So ist die Gratulation zum Einjahrsejubiläum
der ziemlich doofen Tageszeitung "die Neue" erst dadurch allgemein
gültig geworden, weil auch der B-Präsident etwas Gratulatives
gesagt hat. Er hat dies ganz philosophisch hintersinnig ausgedrückt, indem er
der Neuen den Glückwunsch aussprach, sie berichte eben von der tiefen Seite des
Lebens. Das tut die Neue tatsächlich, sie berichtet tief. Fast jeden Tag ist
eine Reportage drin, wo den Tirolern tief in den Schritt gegriffen wird, mal
gibt es eine Reportage zum weiblichen Geschlechtsorgan, dann wird wiederum die
männliche Genitallänge international verglichen und gewürdigt. Mit dieser
Gratulation ist schlagartig alles gut geworden. Der Bonsai-Präsident hat
gratuliert und das Land dankt es ihm und erwartet die nächste Gratulation von
etwas tief Gehendem oder Hängendem.
Helmuth Schönauer 26/09/05
STICHPUNKT 519
Autofrei
Raucher sind Raucher, weil sie rauchen, Autofahrer sind
Autofahrer weil sie autoen, und Politiker sind
deppert, weil sie Politiker sind. So ist das einmal und da hilft es nichts,
wenn man rauch-, auto- und politikfreie Tage einführt. Wieder einmal steht ein
autofreier Tag vor der Tür und moralisch hoch motivierte Zeitgenossen schicken
bereits jede Menge Spam um den Globus, dass man ja an
diesem Tag das Auto stehen lassen soll. Diese Spams
kreuzen sich im digitalen Universum mit Aufforderungen, an einem anderen Tag
nicht mehr zu tanken, um die Ölpreise nach unten zu bringen. Also wenn man alle
diese Lieblichkeiten unterstützen wollte, hätte man ganz schön zu tun. Man
denke nur an die unsäglich blöden Armbänder, die moralisch tolle Typen durch
die Gegend tragen, um gegen Krebs, Aids, Hunger und Gen-Mais zu kämpfen. Die
kalte Jahreszeit bringt auch etwas Gutes, denn prächtige Pullover verhüllen die
depperten Gummibändchen am Handgelenk. Der autofreie Tag ist ein Denkunfall, er
setzt nämlich die These in Umlauf, dass immer noch zum Vergnügen mit dem Auto
gefahren werde. In Wirklichkeit hast du beispielsweise in Innsbruck gar keine
andere Chance, irgendwohin zu kommen. Zu Fuß wirst du am Gehsteig von ausgerasteten
Radfahrern überfahren, im Bus kommst du nicht voran, weil die halbe Zeit keiner
fährt, also bleibt dir nur das Auto. - Eine gute Alternative wäre natürlich
daheim bleiben. Wie so oft bei Grünen und Heimat schützenden Vereinen glauben
diese Appelle an eine Moral, die man an manchen Tagen ein- und an anderen
ausschalten kann. Warum soll es wirklich einen autofreien Tag geben? Warum gibt
es nicht einen lesefreien Tag, einen ohne Medikamente, einen sexfreien Tag,
einen Tag ohne ORF oder überhaupt einen Tag ohne jeglichen Appell?
Helmuth Schönauer 21/09/05
STICHPUNKT 518
Haus
Über den Unterschied zwischen Erster und Dritter Welt ist
schon viel geschrieben worden und es läuft meist darauf hinaus, dass wir
letztlich alle in einer Welt leben, weil es ja angeblich einen Schöpfer geben
soll, womit dann auch der Untergang einzigartig und kollektiv zu geschehen
hätte. Vielleicht gibt es aber tatsächlich drei Schöpfer, einen für jede Welt,
und die haben nichts miteinander zu tun und catchen im Himmel ordentlich und
wir beten bei Fronleichnam immer den falschen an und trotten womöglich gar
hinter der falschen Monstranz drein. Ein guter Unterschied zwischen Erster und
Dritter Welt besteht darin, dass bei uns Häuser wichtig sind und dort unten
Kinder. Die Altersversorgung in der Dritten Welt läuft immer noch über Kinder,
du musst dort unten also zu Lebzeiten wie ein Karnickel Kinder machen, damit du
im Alter was hast. Und oft ist das nicht einmal gottgefällig, weil dort unten
bekanntlich oft eine falsche Religion befohlen ist. Bei uns musst du zu
Lebzeiten Häusl bauen, damit du es im Alter vermieten
kannst und ein Zubrot hast. Ein Kind kostet dich im Laufe deines Lebens ohnehin
so viel wie ein Haus. Da ist es klüger, du baust ein Haus, anstatt du karnickelst zwei drei Kinder zusammen, die dir nichts
bringen als gesellschaftlichen Anschiss und Armut. Außerdem hält ein Haus die Goschn, wenn du die Haustüre zumachst, und Kinder goschen die ganze Pubertät hindurch bei dir zu Hause, weil
sie sonst nirgends goschen dürfen und du immer alles
daheim allein ausbaden musst. Die Häuser sind zwar nicht so gottgefällig wie
die Kinder, aber es gefällt der Dorfgemeinschaft. Und wenn du was werden
willst, brauchst du ein Haus, kein Kind. Und so fort, so ist das mit der Ersten
und der Dritten Welt.
Helmuth Schönauer 20/09/05
STICHPUNKT 517
Frau im Kuhstall
Frauen sollen während der Menstruation nicht mehr im
Kuhstall schlafen müssen. – Dieser geradezu sensationelle Regierungsbeschluss
steht in der Tiroler Einheitszeitung unter Skurriles und ist ziemlich gut
getarnt. Dennoch läßt sich aus dieser Nachricht
herauslesen, dass es in weiten Teilen Nepals offensichtlich üblich ist, Frauen
während der Menstruation in den Kuhstall zu verbannen. Jetzt kann man diese
Nachricht einmal hoffnungsvoll nehmen, dass vielleicht im wahnsinnig gewordenen
Königreich Nepal ab und zu etwas über Regierungsbeschlüsse zu verändern ist.
Andererseits wendet sich diese Nachricht auch an die netten Tiroler, die mit Harrer, Tichy und Herrn Lama groß
geworden sind. Irgendwo im großen Himalaya ist die
Zeit stehen geblieben und zwar im schlimmen Sinne. Wir lassen uns gerne von
Yeti-Bergsteigern, Hubert von Goisern und Dalai Lamas
von der friedlichen Welt in dünner Luft berichten. Manche von uns trecken auch
durch diese Gegend und staunen wie die Yaks. Und ganz
Hyper-Friedfertige wenden sich dem Lamaismus zu, surren Mandalas durch die
Gehirnschleifen und beten um eine rasche Rückkehr des Lamas in sein heiliges
Tibet. Ok, Nepal ist nicht Tibet, es ist nur in der
Nähe. Aber an Nepal sieht man vielleicht die Schattenseiten von Feudalismus und
Lamaismus. Also, ihr aussteigenden und bergsteigenden Tiroler Fexe: Wenn ihr
das nächste Mal nach Nepal oder Tibet fahrt, schaut nach, ob die Frauen schon
aus dem Kuhstall entlassen sind. Denn Wegschauen gibt es nicht, obwohl gerade
Bergsteiger gerne nur auf den Weg schauen und sonst sehr viel wegschauen.
Helmuth Schönauer 17/09/05
STICHPUNKT 516
Mann, bin ich Theatermüde!
Oft empfindet man ein Theaterstück dann am dichtesten, wenn
man gar nicht hin geht. Gerade wenn etwas mit der Brechstange aufgeführt wird,
ist es easyer, sich zu Hause irgendwohin zu legen und
die Glieder wegzustrecken. Dieser Tage wird im so genannten Kulturhaus, das
aber nichts anderes als das ORF-Landestudio Tirol ist, ein Theaterstück
aufgeführt. Eigentlich ist es ein Text, den man sich um 18 Euro zu Gemüte
führen soll. "du.phantombild" heißt das
Stück von einer Frau für eine Frau über eine Frau. Eigentlich ist es ein
Hörspiel, das vielleicht einmal gesendet wird, aber für den Theaterabend gibt’s
etwas Film dazu, Musik, und natürlich Regie, jede Menge Frauenregie. Obwohl ich
den ganzen Tag arbeite und daher wie eine Sau Geld habe, ist es mir am Abend
doch zu heftig, von diesem vielen Geld 18 Euro auszugeben, damit ich dann einem
Phantombild zuschaue. Denn zu lachen gibt es dann am Abend nichts. Was denken
sich also Theatermenschen, wenn sie sich um diesen Eintrittspreis an das
Publikum wenden? Sollen wir wirklich so einen Geldhaufen abliefern, damit wir
dann nichts zu lachen haben? Denn das Stück reitet zumindest in der Voranzeige
auf jenem Aufklärungsbesen, der den Männern schon zwischendurch an den Arsch
geht. Die Wahrheit darf man nicht sagen, das haben diese Aufklärungsstücke so
an sich. Die Wahrheit wäre: Ich mag mich nicht nach einem Arbeitstag in ein
Theaterstück setzen, das von aggressiven Frauen für mich gar nicht vorbereitet
ist. Ich mag mich dann schon lieber selber verarschen. Daher sage ich ganz
theaterfreundlich: "Mann, bin ich Theatermüde!" und gehe nicht hin.
Von manchen Stücken erfährt man so am meisten.
Helmuth Schönauer 08/09/05
STICHPUNKT 515
Nuss-Zipferl am Reintaler See
Zu den Kulturgütern
Tirols gehört eindeutig der Nacktbadestrand am Reintaler See. Allein schon der
Hinweis, dass an einer bestimmten Stelle das Nacktbaden "toleriert"
ist, läßt dem kundigen Nacktbader sofort eine
Erektion einschießen. In Tirol gibt es plötzlich so etwas wie amtlich
gestattete Toleranz, auch wenn es sich nur um ein Stück nackten Streifen am
Nacktstrand handelt. Am frühen Herbstmorgen packst du also kurz deine
Genitalien aus und haust dich ins Wasser, es ist fast zu schön für die
politische Einheitslandschaft Tirols. Ein paar Qua-quas
surren aus dem Schilf, können Enten sein, Frösche oder Reiher, es ist egal, denn
man ist wegen dem Kulturgut Nacktbaden da. Aber du hast dich noch nicht auf das
Handtuch gesetzt, da setzt das Tirolerische ein. Eine jener unverkennbar
grausigen Innsbrucker Stimmen, wie sie sonst am Gardasee oder auf der
Nockspitze herum brüllen, setzt zu einer Orgie an Mundscheißdreck an und
spricht triviale Sachen wie Wassertemperatur und Sonnenstand ungefiltert
ordinär an. Am Nacktstrand kannst du sofort nachschauen, wie groß das Hirn
dieses Herrn ist, denn es hängt zwischen den Beinen herunter. Aber dieser
dummen Sau hängt nichts herunter, unter der Wampe trägt sie ein Zipferl in der Größe einer Nuss, ein Nuss-Zipferl
in Vollendung. Jetzt kommt auch schon die dazu passende Frau daher und liest
aus der Neuen vor. Das ist der Hammer. Ist die Neue schon als Zeitung ein Stück
abgewischte Textscheiße, wird sie vorgelesen wirklich zu einem Tiroler
Kulturgut. Also noch einmal ins Wasser, eine halbe Stunde im Herbst herum
schwimmen, dann ist dieser Nacktstrand voll. Gerade dass du noch das Handtuch
für die Flucht retten kannst, jetzt wird nämlich gnadenlos markiert und
verdrängt. Das Nuss-Zipferl schifft mit abgewinkeltem
Bein alles an, was nicht ihm gehört. So etwa markieren Häuslbauer
ihr Revier, wenn sie auf einem billigen Übeschwemmungskegel
ihr Grundstück abstecken. Die Tiroler sind vollends auf Heimattripp
und verteidigen ihren Strand und vertreiben alles, was nicht dazu passt. Jetzt
geht es um pure Zipfelgröße, wobei in diesem Falle die langen Zipfel abhauen
müssen. Kulturgüter in Tirol erkennt man daran, dass man aus ihnen meist
fluchtartig aufbricht. Der Reintaler See ist demnach ein ausgesprochenes
Tiroler Kulturgut.
Helmuth Schönauer
04/09/05
STICHPUNKT 514
Thiersee-Passion
Provinz erkennt man
daran, dass darin kein Journalismus möglich ist. So gesehen ist Tirol wirklich
das Silikon-Valley der globalen Provinz. In der
Provinz wird immer mit dem falschen Geodreieck gemessen, zwischen
Hofberichterstattung und Hinrichtung ist kaum ein Unterschied. Was im ersten
Absatz wie eine Hymne klingt, kann im Hinterteil eines Artikels schon zur Hacke
werden und umgekehrt. Ein gutes Beispiel für misslungenen Journalismus liefert
die Berichterstattung über die Thiersee-Passion in
der TT, im Volksmund "Todeltodel" genannt.
Jetzt muss man wissen, dass in Tirol immer ein Unverhältnis zwischen Kunst und
Kirche besteht. Es gibt kaum einen Künstler, der zu Lebzeiten nicht von der
Kirche missachtet und verhöhnt wird, wenn er es wirklich ernst meint mit der
Kunst. Und so hat sich die schöne Überlebensformel entwickelt: "Kunst
hellt das Leben auf, Religion verdunkelt es!" Die Passionsspiele in Thiersee sind ein religiöses und soziales Ereignis, aber
kein künstlerisches. Die aktuelle Aufführung (Juni-Oktober 2005) ist
mitreißend, modern, innig und auf der Höhe der Zeit. Hinter der
Passionsdarbietung kann man etwa sehen, wie ein Dorf dem globalen Einheitsbrei
an Message etwas Eigenständiges entgegen setzt. Alle
Generationen im Ort spielen und diskutieren miteinander, wie man es sonst bei
tausend Jungbürgerfeiern nicht zusammenbrächte. Die Thierseer
spielen alle sechs Jahre und schöpfen ihre Darstellungskraft aus dem Bottich
"Genie des Alltags". Alle Darsteller sind in erster Linie
Originalmenschen an einem einmaligen Ort, und weil das Leben eben mehr ist, als
bloß Business, gönnen sie sich ein Stück Transzendenz. So spielen sie Passion
und laden Gäste dazu ein. Würden die Thierseer auf
den Osterinseln spielen, würden aus aller Welt Ethnologen zusammenrennen
und feurige Berichte darüber schreiben. Thiersee
freilich liegt in Tirol, und deshalb schickt man von der Einheitszeitung zu
diesem Festival einen Kulturjournalisten, der die Sache tapfer macht, aber alle
kränkt. Der Kulturjournalist hat nämlich das falsche Geodreieck in der
Hosentasche und schreibt einen Verriss, weil er die Passionsspiele für ein
Kulturereignis hält. Die Thierseer sind von diesem Verriß alles andere als hingerissen und hadern mit dem
Schicksal. - Beiden kann man als alter Provinzhase nur Trost spenden: In der
Provinz gibt es eben keinen Journalismus. Die Passionsspiele Thiersee sind ein ergreifendes Ereignis: "Gehet hin
und und esset alle mit den Sinnen davon!" Aber
sie sind nicht mit dem Maßstab einer Theater- oder Literaturaufführung zu
messen. Das hat mit diesem Hell-Dunkel zwischen Kunst und Religion zu tun.
Helmuth Schönauer
05/06/05
STICHPUNKT 513
Bomben/Papst
In einem Auszählreim für
Kulturbeflissene gibt es die schöne Zeile: "Preis – Preiser
– Scheiß!" Ein Preis ist prinzipiell eine Steuer schonende Methode,
jemanden eine Zuwendung zu machen, gefragt sind Preise aber vor allem bei
Journalisten, weil sie viel Arbeit ersparen. Zum einen braucht bei einer
Preisverleihung niemand das Hirn zu verwenden, alles ist schon auf einer
vorgefertigten Folie parat. Der Laudator sagt "pfiffig", der
Preisträger sagt "bärig" und der Caterer
sagt "cremig". Zum anderen ist ein Preis wie der andere. Der faule
Journalist braucht nur noch den Namen und das Datum zu ändern und der Preis von
gestern ist der aktuelle für morgen. Kein Wunder also, dass dieser Tage zwei
Journalistenpreise ausgelobt wurden, denn auch die Journalisten wollen bepreist werden, nicht nur immer
über andere schreiben. Interessanterweise gehen der Gatterer-Preis
und der Hochner-Preis heuer nach Südtirol. Während
der Gatterer-Preis für Aufklärung an die Journalisten
Christoph Franceschini und Helmut Lechthaler
geht – sie haben das Tabu-Thema Bombenjahre in Südtirol aufbereitet - geht der Hochner-Preis für Verdunkelung an den Bozner
Andreas Pfeifer, der mit herzzerreißenden Reportagen über das Papstbegräbnis im
ORF Furore gemacht hat. Der arme Robert Hochner,
einst ein unbequemer Fragensteller für die Präpotenten,
hätte sich wahrlich etwas anderes verdient, als im Jenseits einen schwermütigen
Lamentator "souverän über das Jenseits"
schwafeln hören zu müssen. Wir armen Schweine vom
Publikum stellen mit Erstaunen fest, dass es egal ist, ob man über Bomben oder
Päpste berichtet, Hauptsache, in der Preisschatulle ist was drin.
Helmuth Schönauer
06/05/05
STICHPUNKT 512
Stutzenpeter
Bei jedem Tiroler Schützenkongress
werden am Schluss die Säbel aus der Hüftpfanne gerissen, und während alte
Filzhüte im Fotografenlicht verwittern, wird die heimliche Hymne angestimmt:
Jetzt schien die Sonne
gar zu sehr, / Da ward ihm sein Gewehr zu schwer. / Er legte sich ins grüne
Gras, / Das alles sah der kleine Has'. / Und als der der Jäger schnarcht' und
schlief, / Der Has' ganz heimlich zu ihm lief / Und nahm die Flint' und auch
die Brill' / Und schlich davon ganz leis' und still.
Genau, diese Hymne stammt
aus dem Struwwelpeter, aber sie trifft die Seele der Tiroler Stutzenpeter recht
genau. Jahr für Jahr nämlich betteln die Tiroler Nordschützen, dass sie mit
Säbel und Gewehr nach Südtirol einreisen dürfen. Nicht mit einem kastrierten
Gewehr, sondern mit echter Puffen, wie die Offiziere
in ihren Knallfroschuniformen immer wieder betonen. Als ob es keine anderen
Dinge zu tun gäbe. Warum kümmern sich Schützen nicht darum, dass es eine
geregelte Handyverbindung zwischen Nord- und Südtirol gibt? Warum gibt es noch
immer keinen Taktverkehr zwischen den Bahnhöfen Bozen und Innsbruck? Warum
dürfen die Südtirioler Kids nicht FM4 empfangen?
Warum kostet das Verschicken eines Buches zwischen den Ländern mehr, als wenn
man gleich selbst hinfährt? Das wären Schützensachen! Das wäre Heimat-Irgendwas! Das wäre patriotisch! Aber nein, die
Seppls und Peters wollen bloß mit der Puffen einreisen und herumballern. Da ist
es nur gut, wenn diesem schläfrigen Haufen der schlaue Hase die Puffen klaut wie im Struwwelpeterlied.
Helmuth Schönauer 19/04/05
STICHPUNKT 511
Wenn Bären nicht
vögeln
Um das alte
Tivoli-Stadion in Innsbruck standen jetzt genau fünf Jahrzehnte lang so
genannte geile Bäume herum. Wer immer in die Nähe dieser Dinger kam, wurde
einfach geil. Die Hunde sowieso, aber auch die Fußballer im Stadion traten wie
verrückt auf einander und den Ball ein. Die Zuschauer schlägerten
und klatschen, je nach Hormonlage, und was diese Bäume erst mit dem Sexualtrieb
im benachbarten Schwimmbad angestellt haben, füllt Bände voll Ständer. Jetzt hat
man diese Geilbäume endlich geschlägert und Teile
davon in den Bärenkäfig des Alpenzoos geschleppt. Im Innsbrucker Bärengehege,
muss man wissen, herrscht nämlich die absolute Impotenz. Seit Jahren rennen
darin Bär und Bärin herum und wollen ums Verrecken nicht vögeln. Der
Zoodirektor ist schon ganz verzweifelt, denn ein Bär, der nicht vor den Augen
des Publikums vögelt, ist eigentlich nur ein halber Bär. In Wirklichkeit aber
dürfte es sich bei den Bären um tierische Religionspädagogen handeln, die genau
wissen, dass man in diesem Beruf nicht vögeln darf. Dieser Tage schlägt nämlich
nicht nur der Innsbrucker Zoodirektor die Hände zusammen, weil seine Bären
sexuell nichts aufstellen, ein paar Gassen weiter muss händeringend der
bischöfliche Schulamtsdirektor eine Osttiroler Pädagogin suspendieren, weil sie
sexuell hyperaktiv ist, zumindest für Osttiroler Verhältnisse. "Wenn
jemand der Bock vom Dienst ist, muss ich ihn kalt stellen", wird der
Schulamtsleiter zitiert. Im Sinne eines echten brüderlich/schwesterlichen
Synergieschubes könnte man freilich die Rollen tauschen. Die Religionspädagogin
könnte dann im Bärengehege ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen und die Bären
könnten im Religionsunterricht das tun, was sie am besten können: Allen einen
Bären aufbinden!
Helmuth Schönauer
13/04/05
STICHPUNKT 510
Stirb langsam!
Auf nichts ist mehr
Verlass! Da wird heute am 2. April 2005 zu Mittag der lang geplante Film
"Stirb langsam!" mit Bruce Willis plötzlich aus dem ORF-Programm
genommen, und der Papst ist immer noch nicht gestorben. Keine Zeitung kannst du
mehr lesen, weil überall theologisches Gequatsche aus den Glossen quillt, und
die Lyriker haben Hochsaison. Der Herr hat ihn schon gesichtet, der Papst küsst
bereits die Zehen vom Herrn, der Lift zum Himmel ist schon im oberen Stockwerk.
Der Lift ins Jenseits ist ziemlich in Fahrt dieser Tage, wäre der Papst
beispielsweise gestern am 1. April gestorben, hätte er im Lift mit Harald
Juhnke plaudern können, der eben einen Knopf nach oben gedrückt hatte. Und unten
wartet noch Fürst Rainier auf den nächsten Schuttle.
Da sage noch jemand, der Tod sei ein Tabu und das Sterben werde in unserer
Gesellschaft gerne verdrängt. Das Gegenteil ist der Fall. Nur noch durch
langsames Sterben kommst du heutzutage in die Zeitung. In der
Kulturberichterstattung gibt es ohnehin nichts anderes mehr als
Todesnachrichten. In Form von Miniaturgrabsteinen werden die Leistungen der
Kulturschaffenden ausgelobt. Also zuerst riesig das Datum, dann der Name, und
in kleiner Schrift die kulturelle Leistung. Schade, dass man nur einmal sterben
kann, sagen daher schon längst die Schriftsteller, denn zu Lebzeiten ist alles
für die Wäsch, was geschrieben wird. So gilt auch in
der Literaturgeschichte nur noch der Todestag oder das Todesjahr, um eine tote
Lektüre unters Volk zu bringen. Obwohl Friedrich Schiller nur an einem einzigen
Tag gestorben ist (9. Mai), muß er im Schillerjahr
2005 ein ganzes Jahr lang sterben. Anders bei Hans Christian Andersen, der darf
jedes Jahr am 2. April sterben, dafür aber unendlich oft. Der 2. April scheint
überhaupt ein guter Sterbetag für Märchenerzähler zu sein. Aber jetzt zu Mittag
ist der Papst noch nicht gestorben, er schaut sich offensichtlich diesen Film
von Bruce Willis an, den der ORF gerade aus dem Programm genommen hat.
Helmuth Schönauer
02/04/05
STICHPUNKT 509
Mäßige Freude im Mulltal
Seit langen Jahren schon
gilt die Firma Freudenthaler als witzige
Entsorgungsfirma, die ihrem Namen alle Ehre macht: mit Freuden schafft sie
alles aus dem Tal, was man nicht mehr gebrauchen kann. Die Tiroler sind doppelt
dankbar dafür. Einmal, weil der Mull wirklich weg ist, und zweitens, weil die
Frau Freudenthaler immer da ist. Also "da
sein" heißt in diesem Falle ganz wie beim Philosophen Martin Heidegger: in
der Presse sein, bei Kunstevents posieren und bei Charity-Stehereignissen
das soziale Herz entblößen. Aber plötzlich ist die Freude abgezwickt wie ein Schas, der nicht ins Freie will. Die Staatsanwaltschaft tut
irgendwie mit den Akten herum, die Beamten stochern im Mull herum, und auch mit
dem pfleglichen Presseumgang ist es nichts mehr. Offensichtlich haben die Stierler die Nerven der Mullentsorger ausgegraben und blank
gelegt. Jetzt sausen die Presseaussendungen in den Mappen herum wie Käfer,
denen man die Beine ausgerissen hat. Plötzlich gibt es Feindbilder, die
offensichtlich vom Telfer Naz-Ausgraben
übrig geblieben sind. In der Staatsanwaltschaft soll ein Grüner hocken! Das ist
ungefähr das Dümmste, was man öffentlich behaupten kann. In der Literatur gibt
es eine Menge Romane, die vom Mull handeln. Einige davon sind auch selber
welcher. Aber eine Faustregel besagt, dass man den Mull zweimal entsorgen muss,
einmal physisch als Stoff und einmal psychologisch als Kultgegenstand. Je mehr
jemand im Mull herum stierlt, umso besser muss man
ihn pressetechnisch betreuen. Beim Mull-Thema gibt es nämlich jede Menge Tabus,
die jedem von uns schon in der Kindheit übergestülpt worden sind. Hinter jeder
Entsorgung steht das Erlebnis vom Topfi-Gehen mit
allen Ritualen und Vertuschungen. Wer einmal beobachtet hat, wie erwachsene
Tiroler an einer Entsorgungsinsel verbotene Dinge abstellen, weiß, wie delikat
das ganze Thema ist. Unsere Mitsorge gilt also den Freudenthalers,
dass sie nicht nur witzig unseren Mull entsorgen, sondern es auch noch so
angenehm machen, dass wir täglich in der Partypresse nachlesen, was es wieder
Lustiges an der Mullfront gibt.
Helmuth Schönauer
01/04/05
STICHPUNKT 508
Felix lässt anbrennen
Der traut sich was, der
Felix. ER ist nicht nur der erfolgreichste Dichter Tirols, sondern auch der
Frechste. Also mit frech ist weniger eine freche Dichtung gemeint. Die Dichtung
ist ziemlich handzahm geworden wie es vielleicht die Tiere in Pechlaners Zoo sind. Freilich kann einmal ein Themenelefant
kurz wild werden und den Wärter erdrücken, aber in Felix Dichtung gibt es
generell keine Bedrückung. Die Themen sind sehr windschlüpfrig geworden,
immerhin ist Felix ORF-Angestellter und die Dichtung muss durch die Kanäle
flutschen. Nein frech ist Felix, weil er das Keks anbrennen lässt. Das ist fast
staatstragend frech, oder zumindest landestragend.
Zur 195sten Hinrichtung vom Andreas Hofer gab es auch heuer wieder Kekse für
verdiente Keksbelchbrüste. Aber die Kekse stehen
heuer unter keinem guten Stern. Zuerst ist der Landeshauptmann nicht da, weil
er in Indien die Druckkräfte von indischen Elefanten begutachten muss. Ohne
Landeshauptmann kann kein Keks vergeben werden, das ist klar. Und dann ist
Felix nicht da. Große Verleihung, es duftet nach Zimt und Honigschas,
der Landeshauptmann hält das Keks in Brusthöhe, und jetzt kommts,
wir überschlagen uns fast alle vor Augfregung: Dort,
wo Felix mit seiner Brust stehen sollte, um das große Landeskeks in Empfang zu
nehmen, steht eindeutig niemand! Nichts, Felix ist nicht da, das ist frech!
Also die Tiroler sind ohnehin schon ziemlich kühn, aber was so Tiroler Dichter
manchmal machen, das läßt einem den Atem gefrieren.
Der Landeshauptmann winkt und der Dichter bleibt fern! Das ist beinahe
Widerstand! Nicht nur beinahe, das ist voller Widerstand! Das ist ein Fall für
den Wallnöfer-Preis für mutiges Verhalten in oder
gegen die regierende Partei. Also fast so mutig wie der Wallnöfer
selbst, war bei der Partei und hat es nicht gewußt,
weil er die Urkunde nicht abgeholt hat, hat die Parteizugehörigkeit anbrennen
lassen im Dritten Reich. Das ist der Nachteil von diesen Keksen und Urkunden,
dass sie nicht riechen, wenn man sie anbrennen läßt.
Oder noch schlimmer, schlecht riechen wie Tirol, und man merkt
es dann nicht in Tirol, weil es wie immer riecht.
Helmuth Schönauer
01/03/05
STICHPUNKT 507
Nazi-Edi
Hahaha, selten so
gelacht. Während der Andreas Hofer als Megalandesvater zum 195sten Mal
hingerichtet wird, denn was anderes kann diese Ballerei der Schützen zum Mantua-Day ja nicht bedeuten, entlarvt man den anderen
Megalandesvater, Edi Wallnöfer,
als Nazi. Jetzt sind einmal alle baff, weil man diesen Vorgang nicht so managen
kann wie das Naz-Eingraben in Telfs.
Dort holt man diesen Naz einfach alle fünf Jahre kurz
aus der Erde, tanzt mit ihm durch den Fasching und gräbt ihn wieder ein. Es
stellen sich einfach zu viele Fragen. Gibt es auch gute Nazis? Also wenn Edi ein guter Mensch war, beweist es ja, dass es auch gute
Nazis gibt. Muss man jetzt alle diese Gedenktafeln, die in Schulen und
Bildungshäusern hängen, abmontieren? Immerhin gedenken sie ja an einen Nazi.
Muss man diesen unsäglichen Wallnöferplatz vor dem
Landhaus wieder umbenennen? Immerhin wurden ja im Zuge der Entnazifizierung die
meisten Nazi-Straßennnamen gecleant.
Kann man eine so triviale Erklärung gelten lassen, dass es zu allen Zeiten
Partei-geile Menschen gibt? Das würde letztlich bedeuten, dass die heutigen
Mitglieder aktueller Parteien aus dem gleichen Grund in ihre Parteien
eingetreten sind, wie die Nazis damals in ihre NSDAP. Kann man nur ein bißchen beitreten, also etwa ein bißchen
in der Partei sein und es gar nicht so meinen? Oder gilt der alte ÖVP-Spruch:
Wer in ein Ofenrohr schaut, kriegt ein schwarzes Gesicht! An eine Erklärung hat
man noch gar nicht gedacht. Wer im Braunviehzuchtverband gross
geworden ist, muss geradezu zu den Nazis gehen, um das Handwerk zu lernen. So
gesehen war Edi immer modern und auf der Höhe seiner
Zeit. Schade, dass dieser Mythos vom Pfeifen rauchenden Landesvater mit dem
schiefen Kopf auch moralisch eine Schieflage gekriegt hat. Wer weiss, wo Andreas Hofer überall dabei gewesen ist? Und wen
er allen auf dem Gewissen hat, ehe er mantuisiert
worden ist?
Helmuth Schönauer
20/02/05
STICHPUNKT 506
Geizige Hocke
Manchmal überraschen sich
die Tiroler selbst, und sind intelligenter, als man es auf den ersten Blick
annimmt. So verweigern sie sich bislang erfolgreich dem doofen kleinen Blatt,
das als Abriss von der Klorolle vorgibt, die "Neue" zu sein. Um eine
Tageszeitung kann es sich dabei nicht handeln, denn es werden bloß öde
Wochengerüchte in Tagesportionen aufbereitet. Berühmte Abreger
der letzten Wochen waren: Jasmin im Keller. Hat Jasmin eine Leiche im Keller?
Morgen geht Jasmin in den Dachboden. Ist am Dachboden auch eine Leiche? Oder:
Bullenzoff in Kitzbühel. Warum sind Bullen arrogant? Wie lange bleiben die
Bullen in Kitzbühel arrogant? Das aktuelle Wochengerücht macht sich in blöden
Scheiben über einen ehemaligen Schirennfahrer her. Eben noch hatte man seinen
gut geformten Hintern bewundert, den er vor den Augen der Kameras die
Abfahrtspisten in langen Schissen hinunter gehockelt
hatte, jetzt wirft man ihm vor, eine geizige Hocke zu sein. Was hat der Arme
angestellt, dass die Neue Meute über ihn herfällt? Dieser wohlgeformte
Rennläufer hat bloß darauf hingewiesen, dass die hysterische Tsunami-Spenderei allenthalben nicht seine Sache ist. Das
ist schlimm. Denn wenn dieser Spendenverweigerer recht
hat, dann könnten andere Spendetrottel auch nachzudenken beginnen, dass das
Spenden mittlerweile eine Show geworden ist, mit der Medien und Austropopper ihre Sendeflächen und CD-Tracks
auffüllen. Jetzt gehts ihm nicht gut, dem ehemaligen
Mister Kristallkugel. Bei der Hinrichtung bitte ausatmen! Foto! Zagg! Dann kommst du in die Neue und bist hin! - So könnte
es jedem von uns ergehen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Neue bald hin ist und
zum ewigen Altpapier geht.
Helmuth Schönauer
06/02/05
STICHPUNKT 505
Fehlpfiffe
Au au,
diese Tatsachenentscheidungen! Sie sind das schlimmste, was einem in die Wahrheit
verknallten Menschen passieren kann. Bei Tatsachenentscheidungen geht nämlich
jemand her und entscheidet das Ding kraft seiner Position und Tagesverfassung.
Was das in einem föhngeplagten Land bedeutet, weiss
jeder Tiroler, der bei Föhn einmal einem Entscheidungsträger über den Weg
gelaufen ist. Aber in den letzten Tagen sind auf allen Fronten die Systeme der
Wahrheit zum Feind übergelaufen und haben ziemlich viel Ungläubigkeit bei den
Systemgläubigen ausgelöst. In der deutschen Bundesliga pfeifen offensichtlich
manche Schiedsrichter, was sie wollen, zuerst wetten sie auf einen
unwahrscheinlichen Ausgang und anschließend pfeifen sie das Spiel, bis es zum
Wettergebnis passt. Aber die Aufregung bei den Tirolern hält sich in Grenzen,
ist doch bei uns diese systemübergreifende Ordnung der Ereignisse selbst bei
manchen Regierunsgmitgliedern üblich. Da ordnet man
sich durchaus selber etwas zu, was man zuerst raumgeordnet hat wie im Falle der
kleinen unschuldigen Landesrätin, die ihre Erbschaft an sich selber nur noch
dadurch los wurde, dass sie diese mit einem Fonds abwickelte. Fehlpfiff! In Schladming hat man bei einem Schirennen so lange an der
Zeitnehmung gespielt, bis ein Tiroler Doppelsieg herausgekommen ist. Pech für
alle Nichttiroler Trottel, die dieser tatsachenfreudigen Zeitnehmung in die
Hände gefallen sind. Jetzt soll dieser Fehlpfiff am Sportinstitut der Uni
untersucht werden. Merke: Fehler werden gut, wenn man sie an der Uni
untersucht. Dabei ist natürlich die Wissenschaft an manchen Tagen in Innsbruck
eine einzige Übung mit dem Daumensprung. Als dieser Tage die so genannten
Landeskulturberichte unter Mithilfe von Germanisten vorgestellt wurden,
wunderte sich so mancher über Beiträge, die gar nicht abgedruckt waren. Im
Kerzenschein der Präsentation sprach außerdem niemand von der Lotterie, in der
diese Fachbeiträge so lange gezogen wurden, bis die Zusammenstellung passte.
Fehlpfiff! Der einzige, der wirklich saubere Entscheidungen trifft, ist der
Föhn!
Helmuth Schönauer
01/02/05
STICHPUNKT 504
Tschick frei
Wer erinnert sich noch an
jenen Tiroler Landeshauptmann Tschiggfrey, der als Nauderer eine passable Straße durch das Obere Gericht bauen
ließ und dadurch vermeintlich unsterblich geworden ist? Zu seinem Tod wird in
einer Anekdote berichtet, dass sich die Ehrenwache jeweils nach der Schicht
einen Tschick angezündet hat mit der Parole: Tschick frei! Tschick frei wird
es bald in Schwaz heißen, wenn die Tabakwerke ihre
Pforten schließen. Aber mal ehrlich, handelt es sich hier um ein intelligentes
Produkt, das nur die Tiroler herstellen können, weil sie dabei die Augen
verdrehen wie Andreas Hofer, während sie die Glimmstengel
wuzzeln? Es ist schon ein komisches Land, dieses
Tirol. Einerseits schlagen die Ärzte die Hände über dem Kopf zusammen und empfehlen,
keinen Sport mehr am Talboden zu betreiben und das
Lüften auf wenige Minuten nach dem Mittagessen zu beschränken, weil eben die
Luft im Land so kaputt ist. Andererseits wird geraucht, was die Lungen
hergeben, und das alles mit dem patriotischen Grinsen, dass es sich ja um
heimische Produktion der Rauchwaren handelt. Jetzt könnten ja wirklich die
Patrioten zur Tat schreiten und es dem blöden Zigarettenkonzern in England so
richtig zeigen. "Wenn die mir die Arbeitsplätze in Tirol wegnehmen, rauche
ich ihnen nichts mehr!" – Das wäre alternativ, witzig und tirolerisch. In
der Praxis freilich werden alle weiter rauchen, als wäre nichts geschehen. Und
auch bei der Standortsicherung für Dummheit, wird man sich was Primitives
einfallen lassen. Vielleicht lässt man in Schwaz Überraschungseier zusammenbauen, oder man steigt auf den
Anbau von Tabak um, nachdem in der Steiermark dieser jetzt mit vollem
Weltverdruss aufgegeben wird.
Helmuth Schönauer
20/01/05
STICHPUNKT 503
Gehreriatrie
Demnächst soll eine
gigantische Vergreisung den Kontinent überrollen, fast alle Länder werden davon
betroffen sein, aber Österreich ist auch hier anders. Auf die geriatrische
Herausforderung reagiert die Regierung mit Gehrer.
Zwar ist ihre Aufgabe nach außen hin mit Bildung umschrieben, aber das kann es
wohl nicht sein. Wer Bildung als etwas begreift, was man stündlich abschaffen
muss, hat etwas anderes im Sinn. Und siehe da, langsam lichten sich die
Schleier. Das Konzept ist genial, soferne man ohne
Hirn genial sein kann. Wenn die Gesellschaft als Ganzes die Bildung
zurückfährt, fällt es nicht auf, dass einzelne Bevölkerungsgruppen die Bildung wegschmeissen. Aus Literatur und Oper wissen wir, dass
Helden kurz vor ihrer Vergreisung alles unternehmen, um Aufklärung zu
unterdrücken und die eigene Macht noch ein paar Stunden hinauszuzögern. Da die
heute Fünfzig- bis Siebzigjährigen am Vorabend ihrer Vergreisung stehen, tun
sie alles, um die nachfolgenden Generationen dumm zu halten. Das heißt konkret:
Unis zurückfahren und das Bibliothekswesen killen oder verländern,
was das gleiche ist. Die Saat geht auf. Die PISA-Studie
ist ja eine gelungene Talfahrt in die richtige Richtung. Die jüngeren
Generationen freilich sind noch nicht dumm genug, um das alles zu begreifen. So
haben etwa bei der Eröffnung der Universiade Tausende
im Innsbrucker Tivoli-Stadion herzzerreissend
gepfiffen, als unter den Ehrengästen die Gehrer
aufgerufen worden ist. Anstatt die eigene Verblödung als Geschenk zu begreifen
und sich dem Sport zu widmen, haben diese Studenten nichts anderes im Sinn, als
eine Ministerin auszupfeifen! Glücklicherweise konnte die Nachrichtenlage so
weit in den Griff gekriegt werden, dass man nichts davon in den Nachrichten
hörte. Dort hieß es bloß "volles Stadion" und man zeigte einen
unendlich sprachimpotenten Bundespräsidenten, der etwas "privilegiert open" machte. Wahrscheinlich hat er in seinen Augen
die generelle Geriatrie eröffnet.
Helmuth Schönauer
17/01/05
STICHPUNKT 502
Nachbar am Seil
Die Sintflut zu
Weihnachten mag zwar Tausende auf dem falschen Fuß erwischt und in den Tod
gerissen haben, in der Medienszene weiß man aber längst, wie man mit solchen Giga-Katastrophen umgeht: Mit Auswalzen und Betteln. Also
jetzt wird auch der letzte Trottel, der im Winter nicht an den Strand gefahren ist,
mitgekriegt haben, dass es furchtbar war und vor allem furchtbar überraschend.
Aus einer Mischung von Urlaubsbericht, Reiseerlebnis und angelesener
Katastrophenliteratur haben in den letzten drei Wochen mehr Erlebnisliteraten
ihre Meldung abgegeben, als üblicherweise in einer Buchhandlung Bücher Platz
haben. Wir Daheimgebliebenen haben uns das alles angehört und wissen mit Hilfe
der Medien inzwischen wirklich alles. Die mediale Auswalzung der Flut ist
mindestens so groß wie diese selbst. Es ist furchtbar, aber wir schalten
inzwischen ab oder überblättern die Seiten, wenn etwas von der Flut kommt. Mit
der Auswalzung einher geht immer die putzige Serie "Nachbar in Not".
Schon damals im Kosovo-Krieg haben manche Österreicher wie die Wilden gespendet
und letztlich eine Summe aufgebracht, die der halben Tragfläche eines US-Stealth-Bombers entspricht, welche Tag- und Nacht das
Land bombardiert haben. Bei der Flut ist es genau so. Die Summe, die die
lieblichen und liebenswerten Österreicher aufbringen, ist ein Fingernagel von
dem, was die Regierung durch die Stundung des Zinsendienstes der betroffenen
Länder aufbringen könnte. Es geht also nicht um Hilfe, sondern in der
Hauptsache um Unterhaltung. Ist doch nett, ein Katastrophen-Magazin nach dem
anderen zu sehen, und neben der Rundfunkgebühr dann noch etwas zu spenden,
damit wieder Frieden herrscht an den Stränden unter den Palmen. Dort, wo die
Vorabendserien spielen und die wirklich wichtigen Leute hinfahren. Während etwa
150 Österreicher vermisst werden, sind im letzten Jahr knapp 1000 bei
Verkehrsunfällen gestorben und 1500 haben sich aufgehängt. Von der Aktion
"Nachbar am Seil" hat man bisher nichts gehört, ist ja auch nicht so
unterhaltsam.
Helmuth Schönauer
13/01/05
STICHPUNKT 501
Watschengesicht
Der Tiroler ist in seinen
Beobachtungen sehr genau, weshalb er der ideale Zeuge für jedes Vorkommnis ist.
Mit dem Ausdruck "Watschengesicht" meint er beispielsweise ein
Gesicht, in das man einfach hinein hauen muss! Und siehe da, die Realität gibt
der Sprachpotenz immer wieder Recht. Als dieser Tage eine Speckschwarte einer
Liftstütze eine in die Gosche haute, sagten neun von zehn Tirolern, das ist
richtig, ein Watschengesicht muss gewatscht werden. Selten einmal wurde eine
Watsche als so gesund empfunden wie, jene, die der selchende Ober-Oberländer
dem seilbahnenden Hinter-Oberländer verpasst hat.
Selbst Pädagogen, die sonst jede Watsche strikt verbieten, sagen einhellig,
dieses Mal musste sie sein, denn jede Ausnahme bestätigt die pädagogische
Regel. Freilich gibt es in Wirtschaftskreisen eine leichte Irritation, weil
nicht klar ist, ob es sich beim "Watsching"
um eine neue Marketingstrategie handelt oder jemandem nur zufällig die würzende
Speckhand ausgekommen ist. Beides ist für das Leitbild von Wirtschaftstreibenden
gleich schlimm. Handelt es sich nämlich um einen Trend, dann haben ihn alle
verschlafen, "handelt" es sich aber um einen Ausrutscher auf tiefstem
Niveau, dann ist das hohe Niveau der Wirtschaftstreibenden gefährdet.
Vermutlich wird man beim nächsten Neujahrsempfang der Wirtschaft einen
generellen Watschentanz aufführen und die Siebzigstundenwoche für alle
einführen. Die gewöhnlichen Menschen freilich, die die Wirtschaft als
Konsumenten sinnloser Produkte erleben, ahnen die pure Wahrheit: Selbst bei den
Gestopften und Betuchten geht es ziemlich primitiv zu, wenn es sich dabei um
Tiroler handelt.
Helmuth Schönauer 12/01/05