STICHPUNKT 250

Gut geschaßt

Geschaßt kann nur jemand werden, der zuvor in einem Schas gearbeitet hat. Mit solchen Sätzen versuchen sich jene Menschen zu trösten, denen gerade der blaue Brief zugestellt worden ist. Und an manchen Tagen bringt der Postler mehr Kündigungen als Werbung in die Postkästen. Tagesgespräch werden Kündigungen aber nur, wenn sie entweder in Rudeln auftreten, also daß ganze Landstriche plötzlich von Arbeitslosigkeit heimgesucht werden, oder wenn es einen Prominenten betrifft. Niki Lauda von Jaguar geschaßt! Das ist eine Meldung, die niemanden kalt läßt. Erstens einmal wird klar, daß Niki Lauda in einem Schas, nämlich bei Jaguar, dem Urtraum des Finanzministers Grasser, gearbeitet hat. Und zweitens zeigt es, wie spontan Kündigungen in der modernen Wirtschaftswelt über die Bühne gehen können. Gerade der Meister des gläsernen Tisches, der selbst in einem brennenden Cockpit zuerst eine kalte Analyse macht, ehe er sich fürs Aussteigen oder das Koma entscheidet, wird von einer heißen Kündigung kalt erwischt. "Na etwas enttäuschend und überraschend", meint er, "aber so sind halt die Engländer!" So sind nicht die Engländer, sondern so funktioniert die Wirtschaft. Da geht es nicht darum, daß etwas logisch oder menschlich ist, sondern mit der gleichen Spontaneität, mit der sich jemand zu einem kleinen Einkauf entschließt, entschließt sich ein Vorstand zu einer Veränderung im Personalstand. Die gleiche Bewegung, mit der unsereins zum Joghurt dieser oder jener Sorte greift, löst bei einem Vorstand eben eine Kündigung aus. Aber vielleicht arbeiten wir ohnehin alle in einem Schas-Job und müssen daher froh sein, wenn wir geschaßt werden.

Helmuth Schönauer 27/11/02

STICHPUNKT 249

Schnuggi macht es schnuggelig

Gute Interviews sind unterhaltsam und informativ, aber damit das funktioniert, muß wenigstens eine Grundillusion von sachlicher Distanz gegeben sein. Leider gibt es häufig sogenannte grausige Interviews, in denen sich Fragesteller und Antwortgeber gegenseitig in der Aftergegend belauern. Erkennbar sind diese Pseudogespräche am ordinären Du und an der sensationell intimen Atmosphäre, in der diese Ministammtische der Niveaulosigkeit vor aller Öffentlichkeit abgeführt werden. Berüchtigt sind die Sportlerinterviews: "Toni, wie wars?"- "Vorne kalt, hinten warm. Es hatte einen Zapfen und einen Furz gleichzeitig." Und auch die Künstler schenken sich in der Anbiederung nichts: "Petra, Du arbeitest mit Gips?" - "Ja, i gibs dem Gips jeden Tag!" - "Also volles Gibs-Ihm?" - "Ja, Gibs-Ihm und als Draufgabe einen neuen Kontext!" Aber diese grausigen Interviews sind der berühmte Lercherlschas gegen die grausigen Redensarten der Regierungsmitglieder, wenn sie sich in aller Öffentlichkeit beweihräuchern. "Also die Liesi, die macht es sehr gut!" sagt der Klubobmann in seiner Tiroler Art, wenn er in Tirol auf Stimmenfang ist. "Und der Martin macht es auch gut. Und der Willi auch! Und der Ernst. Und ich mach noch den Tschirgant, dann habe ich die wichtigsten Tunnels für Tirol aus dem Feuer geholt." Bravo. Interview, Interviewer und grausiger Stoff sind hier zu einem grausigen Sprachknödel gewalkt, der schwer im Magen liegt, sobald er ausgesprochen wird. Von dieser patriotischen Politik des Tiroler Patrioten ist es nur mehr ein kleiner Schritt zu den Seitenblicken mit Mausi. Schnuggi macht es schnuggelig, Schnacksi macht es schnacksig, heißt es dann wohl im ultimativen Regierungsstil.

Helmuth Schönauer 21/11/02

STICHPUNKT 248

Geschlechtsaktiv

Wenn zwei das gleiche tun, kann es ganz was verschiedenes bedeuten. Ganz kraß wird der Unterschied, wenn es sogenannte Inländer und Ausländer betrifft. Der Reisepaß ist dann die Wasserscheide, an der die Tat in Gut und Böse abrinnt, wobei natürlich die Inländer die Guten sind, selbstverständlich. Zwei Tätigkeiten wurden an diesem Wochenende in der wie immer hoch recherchefreudigen Lokalpresse dargestellt. Einmal regte sich eine ganze Textseite darüber auf, daß Bettler mit dem Mercedes fahren. Schlimmschlimm. Da fahren also rumänische Bettler mit dem Mercedes vor, packen ihre Hüte heraus und hocken sich dann vor BILLA und Hofer, um zwei Stunden zu betteln. Von den Nachrichtengestaltern unbemerkt fahren zur gleichen Zeit zwei Einheimische im Mercedes vor, und betteln zwei Stunden lang um die Stimmen für die Nationalratswahl. Also entweder ist das Vorfahren mit dem Mercedes schlimm oder das Betteln, man sollte sich einigen, denn sonst ist mit der Zeit alles schlimm. Eine andere Geschichte handelt von einem geschlechtsaktiven offensichtlich afrikanischen Staatsbürger, der mit einigen Frauen verkehrt ist, obwohl er das gar nicht dürfte. Und jetzt sollen sich die Frauen melden, damit sie sich untersuchen lassen können. Und wenn sie genug angesteckt sind, so die Hoffnung der Fremdenpolizei, dann kann man den Afrikaner abschieben. Zu diesem Zweck gibt es auch ein Foto des Geschlechtsaktiven, wer hatte Verkehr? Nun, das sollte man dann aus Gerechtigkeitsgründen öfters fragen. Etwa wenn ein Nationalratsabgeordneter der F im Garagenhaus des Flughafens in eine verkehrsmäßige Situation gerät, und er am Schluß selbst nicht weiß, ob er hatte oder nicht. Dann könnte man ja auch sein Foto aushängen und die Frauen fragen, ob sie Verkehr hatten, damit sie sich untersuchen lassen können und man den Abgeordneten dann nach seiner totalen Immunität abschieben kann, nach Vorarlberg vermutlich, wenn er von dort her kommt. Lehre: Immer den Paß herzeigen, dann wird sofort alles gut! Denn erst ein österreichischer Paß macht auch eine verkorkste Situation zu einer tollen Sache.

Helmuth Schönauer 19/11/02

STICHPUNKT 247

Schnapsbrennen

Die größten Moralisten, die bei jeder Sonntagsrede darauf hinweisen, daß Gras rauchen satanisch und luziferanisch in einem Atemzug ist, stellen sich Woche für Woche auf irgendein Podest, um die hohe Kunst des Schnapsbrennens zu zelebrieren. Die aktuell gültige Jugendanwältin für Tirol hat im letzten Jahr einmal den Mund aufgemacht, und den hat man ihr dann gleich zugeklebt. Sie hatte sich schlicht dagegen ausgesprochen, daß Jugendliche das Schnapsbrennen lernen und sich dabei ansaufen. - Ist ja kein Wunder, wenn es nicht einmal die Alten ohne große Verkostung zusammenbringen, wie sollen dann die Jundendlichen ohne Verkostung und Sud auf Anhieb einen Edelbrand hinkriegen. Am Wochenende war wieder eine gigantische Schnapsverbrennung und -verkostung, was immer auch der Unterschied sein mag. Bemerkenswert dabei, der Direktor des Landesstudios Tirol höchst persönlich verteilte die Siegerflaschen, eine unmißverständliche Geste. Die Botschaft lautet: Der öffentlich rechtliche Rundfunk hat im Studio Tirol ein Quartier mit hohem Geist aufgeschlagen. Aber nicht bei kulturellen Anlässen, bei einem Lesefest oder einer Diskussion zur Zukunft des Landes läßt sich der oberste Regionalvertreter des öffentlich rechtlichen Rundfunks blicken, nein, bei der Schnapsverkostung schlägt er mit seiner Anwesenheit zu und sagt damit alles. Seitenblicke sind schon zum Kotzen, aber offensichtlich in der Provinz unumgänglich. Denn wo es keinen Blick nach vorne gibt, müssen eben die Seitenblicke herhalten. Aber Seitenblicke mit Schnaps sind schon eine sehr stark in den Heimatboden gerammte Angelegenheit. Hawwediere, ist das heavy, hicks!

Helmuth Schönauer 17/11/02

STICHPUNKT 246

Überaus voll

Huch, so manche Nachrichten sind so stark, daß man sie nicht unvorbereitet empfangen sollte. Gerade am Vormittag, wenn die Nachrichtenmacher noch nicht richtig ausgeschlafen sind, senden sie oft undosierte Nachrichten. Der gemeine Tiroler ist gerade auf einer lärmgeschützetn Autobahn unterwegs, aber von oben her ist die Atmosphäre frei, daher können die Nachrichten aus dem Landesstudio quasi ungefiltert durchbrechen in das Autoradio und sich in der Fahrzeugkabine mit der Geschwindigkeit eines Airbags aufblasen. Also das Kongreßhaus Innsbruck war so voll wie noch nie in seinem Leben, und die Geschichte des Kongreßhauses geht über die Dogana doch immerhin einige Jahrhunderte zurück! Während dieser wichtigen Meldung, muß der Lenker eines Gefährts dieses zwischen den Lärmschutzmauern auf Kurs halten, sonst schaut es nicht gut aus für den zweiten Teil der Meldung. Darin wird erklärt, was das Kongreßhaus so voll gemacht hat. Nun ja, die Tiroler Einheitspartei hat in allen Varianten alles auf die Haxen gebracht, was sich als Tirolerin oder Tiroler fühlt. Der katholische Lehrerverein hat getagt. Da sind ohnehin dann alle Schulen leer, weil alle Lehrer katholisch und folgerichtig im Kongreßhaus sind. Kaum war diese Performance vorbei, ließ auch schon der Landesrat von der Einheitspartei das Bildungsprogramm der Einheitspartei vorstellen. Da niemand ungebildet sein will in diesem Land, war das Kongreßhaus abermals voll. Und zu guter Erst gab dann noch der neue Landeshauptmann seine Erklärung zu sich und der neuen Zeit ab. Jetzt war das Kongreßhaus aber wirklich voll, denn jeder Tiroler, der sich als solcher fühlte, schaute kurz beim Landeshauptmann und seiner Ansprache vorbei. So, diese Vollmeldung hat sich also als Nullmeldung herausgestellt, denkt man sich als einheimischer Driver zwischen den Trucks, die Autobanh ist auch ganz schön voll, wahrschenlich ein Ausläufer der Vollheit des Kongreßhauses.

Helmuth Schönauer 11/11/02

STICHPUNKT 245

Dichter-TÜV

Also alle sechs Jahre müssen die Tiroler Dichter zum TÜV, dabei wird alles abgecheckt, und wenn lyrisches Fahrgestell, dramatische Bremsflüssigkeit und Profil auf den epischen Reifen in Ordnung sind, gibt es eine Plakette, sprich den Preis der Stadt Innsbruck. Und die Sicherheit in Sachen Dichtung bringt den Prämiierten auch eine Kleinigkeit von ungefähr 3600, 2500, 1400 EUR, je nachdem ob die Sicherheitsstufe eins, zwei oder drei erreicht wurde. Ein TÜV ist eigentlich nur dort interessant, wo Mängel festgestellt werden. Im Sinne der eigenen und allgemeinen Sicherheit ist es ja durchaus sinnvoll, wenn man solche Mängel sofort behebt. Also starke Mängel wurden von der hochwohlgeborenen Jury in den Bereichen Epik und Dramatik festgestellt, hier wurden auch keine Plaketten für die Stufe drei vergeben. Die Innsbrucker Bevölkerung ist mit Recht verunsichert, daß die Dichtung nicht ganz in Ordnung ist, wie Spontanbefragungen zur Lage der Tiroler Literatur ergeben haben. Der TÜV heißt offiziell Preis der Stadt Innsbruck für künstlerisches Schaffen und leidet nun schon seit mindestens zwölf Jahren daran, daß es nicht möglich ist, eine Jury zu finden, die auch Preise vergeben kann. Ohne Kriterien werden hier Preise aus der Trommel der Tombola gefischt und anschließend bei einer festlichen Jause beklatscht. Und auch der Horizont ist bemerkenswert. Der Leiter des Brenner-Archivs stimmt dafür, daß seine Untergebene im Literaturhaus was kriegt, der Leiter der Hörspielabteilung schaut, daß seine Hörspieldichter was kriegen, der pensionierte Literaturchef der RAI-Bozen schaut, daß die pensionierten Dichter was kriegen und die Literaturwissenschaftlerin schaut, daß ihre Literaturwissenschaft was kriegt. Was soll diese Gagge? Mit dieser Vorgangsweise gibt es nur Verlierer, das TÜV-Geld könnte man ja wirklich projektorientiert verteilen, da braucht es sicher nicht dieses provinzielle Procedere. Der Dolm des Monats geht also an die Jury des Preises für künstlerisches Schaffen, weil sie ohne Kriterien festgestellt hat, daß man nicht alle Preise vergeben kann. Denn die Jury war nicht willig, nicht das Dichterfleisch schwach!

Helmuth Schönauer (Preisfreier Schriftsteller, nimmt schon seit Jahren an keinen TÜVs und Preistombolas teil) 14/11/02

STICHPUNKT 244

Kopfwechsel

Das geheime Ziel eines guten Nationalfeiertages ist die Verabschiedung von lieb gewonnenen Dingen. Im letzten Jahr etwa wurden Neutralität, Bundesheer, Lippizaner und Mozartkugeln vom Bundeskanzler höchst persönlich verabschiedet. Sinnigerweise gelobten am Vorplatz ein paar Jung-Uniformierte, die Neutralität mit der Waffe zu verteidigen, während sie drinnen der Bundeskanzler gerade entsorgte. Heuer hingegen wurde in Tirol der alte Landeshauptmann verabschiedet. Das Ereignis hatte den gleichen Stellenwert, wie die Entsorgung der Neutralität, es war letztlich allen Wurst. Freilich war der Kopfwechsel an der Spitze des Landes von großem Geräusch umgeben. Da es glücklicherweise zur Übergabe aufklarte, konnte eine Bundesheerstaffel über Innsbruck fliegen. Und was hat dieser Staffelflug mit dem Kopfwechsel zu tun? Sehr viel. In einer Staffel geht es nämlich darum, so exakt zu fliegen, als ob die Staffel nur einen Kopf als Piloten hätte. Dieses Verfahren gleicht den Lokführern, die als Einzelpersonen oft ganze Lokomotivketten steuern. Und der Landeshauptmann schließlich hat so zu tun, als ob er das ganze Volk mit einer Handbewegung steuern könnte. In den Ansprachen tut er das auch. Er ist für alle da, alles was er macht, ist für alle gut und blabla. Beim Überflug der Staffel schaute also der gelernte Patriot auf kleine Unregelmäßigkeiten in der Formation, aber die flogen makellos wie ein Vierer. Nicht auszudenken, wenn der Staffel-Führer einen geistigen Aussetzer hätte, dann müßten alle Maschinen ihm nach fliegen in den Tod, meinetwegen in die Martinswand. Eine Frage beunruhigt seit dem Nationalfeiertag selbstdenkende Köpfe: Wann muß man aus dem Staffelverband aussteigen, wenn der Kurs nicht stimmt? Denn der Kurs stimmt schon lange nicht mehr, auch wenn darauf die Köpfe ausgewechselt werden wie eben jetzt beim Landeshauptmann.

Helmuth Schönauer 26/10/02

STICHPUNKT 243

Gogo

Nicht nur in schweren Rilke-Gedichten reiten im Herbst schwer trunkene Jäger durchs Land und bestatten jede Fröhlichkeit unter einer Manöverdecke. Auch das österreichische Bundesheer leistet sich allenthalben im Herbst Manöver, die vor allem zum Auftanken eines herbstlichen Gefühles dienen. Die entscheidenden Frage sind jedes Jahr wieder: Wie wird denn wohl das heurige Manöver heißen? Ist es ein Motto, das uns fröhlich stimmt? Werden wir den Sinn des Manövers schon an seinem Namen erkennen können? Also das pfiffigste und pfefferigste Manöver fand dieser Tage sicher in Osttirol statt und ist unfallfrei über die Bühne gegangen, was bei Unternehmungen in Osttirol geradezu ein Wunder ist. Dieses Manöver stand unter dem tollen Namen "Energy 2002" und ist so etwas von edel und schön im semantischen Design, daß man am liebsten einen Fotoband anfordern würde, um dieses vom Namen her so kräftige und wunderbare Manöver im Wohnzimmerschrank für alle Zeiten aufzustellen und den Enkeln zu hinterlassen. Wahrscheinlich sind zum Manöverabschluß ohnehin Keks für alle verteilt worden, aber dem Namensstifter gebührt auf jeden Fall ein Riesenkeks mit Band und Dank von uns allen. Nicht so gut ist das Jäger-Manöver in Allentsteig verlaufen, liest man im KURIER vom 13.10.02. "Manöver der Jägerbrigade begann mit einer Geschmackslosigkeit" liest man da. Nicht nur, daß der Name nicht ganz griffig ist, denn wem geht das "Joint Repulse" zu Herzen, außer illegalen Hanf-Rauchern mit schwach ausgebildetem patriotischem Herzen, es handelt sich bei der Übungsannahme um einen "opulenten Betriebsunfall". Man hatte nämlich vergessen, daß es heutzutage verbal immer um "Peace-Keeping" zu gehen hat. Und man hat tatsächlich in alter Manier "Redland" gegen "Blueland" kämpfen lassen, zufälligerweise war mit dem einen Kroatien und mit dem anderen Slowenien gemeint. Also, das sollte man beim Kriegsspielen nicht tun, der Realität auch nur irgendwie vorzugreifen. Kriegsburschen aus Alentsteig und Eisenstadt - von dort kommen die kriegsspielenden Infantristen nämlich her -, haltet euch in Zukunft an die Osttiroler! Energy 2003 bis fünf oder so ähnlich. Das ist positiv. Oder nennt euer Manöver ganz dynamisch go! Oder go and go, oder überhaupt gogo!

Helmuth Schönauer 13/10/02

STICHPUNKT 242

FUZO-Dolm

Als dieser Tage zwei wundersame Girls mit einem offensichtlich in Hallein zugelassenen Kleinwagen durch den Unterleib der Maria-Theresien-Straße drifteten, spendeten einige Innsbrucker spontan Applaus, während andere aus Wut an der von den Fiakern niedergeschissenen Gehsteigkante zusammenbrachen. "Bravo, zeigt es der FUZO!" "Schweine, unsere arme FUZO!" So lauteten wörtlich die Kommentare über die Aktion der Girls, und unter FUZO ist die sogenannte Fußgängerzone der Weltstadt Innsbruck gemeint. Diese Fußgängerzone im angeschissenen Teil der Maria-Theresien-Straße ist wieder einmal typisch Innsbruck. Eigentlich hat eine Fußgängerzone ja etwas mit Kultur, Architektur und Lebensgeschwindigkeit zu tun. Erst wenn diese Dinge aufeinander abgestimmt sind, entsteht das Gefühl von Wohlbehagen, Einkaufslust oder Gesprächsoffensive, das eine Fußgängerzone zu einem Erlebnis werden läßt. In Innsbruck freilich besteht alles einmal aus großen Worten und blauen Schildern aus der Straßenverkehrsordnung, die juristisch eine Fußgängerzone definieren. Und wie immer in Innsbruck, wird das ganze Unternehmen schon aufgeweicht, ehe es begonnen hat. "In Innsbruck kannst du nicht einmal hart scheißen, wie willst du da eine Verkehrsplanung machen," sagte einst ein resignierender Verkehrsplaner, als die Museumstraße zu einer Stadtautobahn mit indirekter Beleuchtung umfunktioniert wurde. Schon die Eröffnung der FUZO sagt eigentlich alles. Ganz große Sauerkrautworte des Bürgermeisters und anschließend eine Woche lang Sauerkraut an den Standln und Kiachel. In der Tyrolia etwa konnte man um diese Zeit keine Bücher durchblättern, weil man immer das Gefühl hatte, in angewehter Kotze zu stehen. Sauerkraut hat nämlich die Eigenschaft, schon auf dem Pappteller in Kotze überzugehen und ist vermutlich das ideale Gericht, um in Innsbruck eine Fußgängezone zu eröffnen mit dem Hintergedanken: "Achte darauf, wo du hinein steigst!" Und kaum war die Sauerkrautwoche mit Bürgermeisterworten vorbei, ging der Geruch in einen Fiakersound über nach dem Motto, "nur wo gut hingeschissen ist, kann sich eine Fußgängerzone entwickeln". Der Dolm des Monats geht also an alle, die in der letzten Zeit das Wort Füßgängerzone oder Weltstadt im Zusammenhang mit Innsbruck in den Mund genommen haben. Und der kleine Hero gebührt jenen beiden tapferen Girls aus Hallein, die mit ihrem Kleinwagen durch die FUZO gefahren sind und auf sie geschissen haben.

Helmuth Schönauer 08/10/02

STICHPUNKT 241

Geisterland

Was haben so unterschiedliche Orte wie Ischgl und Kitzbühel gemeinsam? - Beide Orte kommen ohne Einheimische aus. In Ischgl etwa sollen zu gewissen Zeiten sowohl Personal als auch Gäste zu hundert Prozent aus sogenannten Non-Ischglern bestehen. Die Einheimischen kommen erst, wenn der letzte Saisongast den Ort verlassen hat, und dann gleich mit dem Bagger, um das alte Hotel niederzureißen und ein großes Loch zu schaffen für das nächste. Und in Kitzbühel sind durch elegante Grundstückspreise mittlerweile die Alpin-Adabeis und Seitenblicke-Frösche zur tragenden Bevölkerungsschicht geworden. Ab und zu zum Hahnenkamm-Rennen, zu einer Pelzjacken-Rallye oder zum Einlochen kommen sie angedüst, um sich dann, wenn der Dreh im Set ist oder umgekehrt, sich wieder zu vertschüssen. Manche Patrioten jammern wegen dieser Entwicklung, sie wollen mehr Kindergärten für Einheimische, als ob einheimische nur wegen der Kindergärten Kinder machten. Und andere wollen Grundstücke für Einheimische zur Verfügung stellen, als ob sich in einer fetzreichen Gegend durch ein Grundstück das Leben erträglich gestalten ließe. Warum lernen wir nicht aus den wunderbaren Geisterstädten des amerikanischen Westens oder der Trockenküste Namibias. Lassen wir doch die Abenteurer des gesamten Kontinents am Hahnenkammrennen die Nuggets auspacken, die sie irgendwo eingeheimst haben und lassen wir auf der Idalpe einen Komiker nach dem anderen auftreten, bis die Einheimischen alle fort sind. Menschen, die in die Alpen kommen, um unter ihresgleichen zu sein, sollte man unter ihresgleichen lassen und aushungern an Kontakten. Das ist doch was Schönes: in den Enklaven hocken die Reichen und pudern sich ihr Geld herunter, und rundherum sitzen die Einheimischen und lassen diese Wahnsinnigen in ihren Geisterstädten verblöden. Es braucht kein Grundverkehrsgesetz, kein Fremdenverkehrsgesetz sondern nur Zeit. Denn die Tiroler steigen immer wohlgemut aus allen Situationen heraus, wenn ihre Zeit gekommen ist.

Helmuth Schönauer 05/10/02

STICHPUNKT 240

Aus alter Zeit

Nicht nur Bauern lassen sich ungern vom Hof vertreiben, wie der gelernte Tiroler spätestens von den patriotischen Heimatstückeln auf den Heimatbühnen weiß. Niemand läßt sich eigentlich gerne vertreiben. Und niemand geht gerne in eine fremde Umgebung, wenn er nicht nervlich dafür vorbereitet ist. Wie kennen das ja aus den unzähligen Verlegungen ins Altersheim, wo immer eine saftige Portion Seelen-Management dazugehört, um dem neuen Insassen des Altersheims zu erklären, daß es ihm hier so gut geht wie sonst irgendwo auf der Welt. Wie alle, die sich mit Kunst beschäftigen wissen, sind Kunstwerke Lebewesen, weshalb sie auf Verlegungen oder Einweisungen ins Altersheim (Museum) ziemlich sauer reagieren. In Innsbruck reagierten dieser Tage gleich zwei Kunstwerke sauer auf ihre neue Umgebung bzw. ihre Verlegung. Dem hochehrwürdigen Adolf Pichler ist der Kragen in Gestalt eines Ölschlauchs geplatzt, und er mußte gleich wieder gereinigt werden, als bei der ersten Reinigung der Hydraulikschlauch eines Krans das kostbare Transportöl auf die Patina der Statue gespritzt hat. Offensichtlich rebelliert Adolf Pichler gegen die neue Umgebung, denn der neue Adolf-Pichler-Platz ist ein von Glas und Taubenschiß verunzierter Events-Tempel, in dem sich die Karaoke-Sänger Stimmbandrisse auf offener Bühne liefern. Und das Bahnhofsfresko vom Max Weiler hat dieser Tage Blasen geworfen, als es erstmals den neuen Bahnhof im Rohbau zu Gesicht bekam. Dieses Fresko soll ja vorsichtig wieder im neuen Bahnhof installiert werden. Bei dieser Transaktion fragt man sich ja, was das soll, den Bahnhof reißt man ab, aber das Fresko rettet man. Dabei besteht die Botschaft eines Freskos ja darin, daß es untrennbar mit dem Putz des alten Gemäuers verbunden und notfalls damit abgerissen werden will. Kunstwerke sind immer auch Botschafter der Zeit. Wenn man sie in eine neue Zeit versetzen will rebellieren sie wie die Tiroler Bauern, die oft auch den Anschluß an die neue Zeit verloren haben und deshalb auf den Heimatbühnen und im Bauernbund ihre alten Stückeln aufführen.

Helmuth Schönauer 29/09/02

STICHPUNKT 239

Bildungskarussel

Bildungs-Scheck, Unterrichtsmilliarde, Behindertenpaket. Lauter tolle Begriffe surren durch das Land und versuchen den wählenden Bewohnern einzureden, daß eine Menge für die Bildung geschieht. In Wirklichkeit wird natürlich Tag und Nacht gekürzt, alles in Frage gestellt oder kurzfristig mit einem neuen Mascherl aufgemotzt. Die restliche Bildung, die noch erlaubt ist, beschränkt sich auf sogenannte Berufsbildung. An das Geld für die Weiterbildung von Behinderten etwa kommt man nur ran, wenn man ständig die Fiktion von der Integration an einem Arbeitsplatz aufrecht erhält. Auch der Bildungs-Scheck des Landes Tirol, am regionalen Feiertag "Null-Acht-Fuffzehn" medienwirksam von der Landesregierung beschlossen, gilt nur für sogenannte berufliche Weiterbildung. Dabei wissen wir längst, daß das Bildungskarussel nur zur Unterhaltung gedemütigter Menschen dient, denen man vorgaukelt, mit Bildung könnten sie einen Arbeitsplatz ergattern. Senioren sind so gut wie aus allen Bildungsmaßnahmen ausgeschlossen, weil sie ja nicht mehr für den Arbeitsmarkt interessant sind, sie haben ihr Bildungsziel bereits erreicht, obwohl sie noch nicht tot sind. Und auch die sogenannte künstlerische oder humane Bildung muß immer im Kleid der Berufsbildung erscheinen, weil sie sonst nicht finanziert werden kann. Also muß man Behinderten immer einen Schraubenzieher während der Bildungsveranstaltung vorlegen, damit der Berufsbezug gegeben ist. Während einer literarischen Darbietung muß man etwa einen Leuchtkörper aufstellen und eine Einschulung zum Beleuchter suggerieren. Zur Finanzierung eines Persönlichkeitsseminares empfiehlt sich das Ausbreiten von beruflichen Check-Listen. Wer gar etwas zum Sinn des Lebens anbieten will, sollte unbedingt eine Graphik mit diversen Börsenkursentwicklungen auf die Leinwand beamen, denn Design und Sein bestehen aus identen graphischen Kurven. Längst haben sich zwei Welten entwickelt. Die Arbeitswelt, in der es um die Arbeitswurst geht, und die Seminar- und Bildungswelt, in der ständig etwas los ist unter einer Prämisse: Es darf sich nichts ändern! So schicken die Firmen ungeniert ihre Mitarbeiter zu den wildesten Seminaren, weil nichts passieren kann. Warum sagt nicht einmal jemand bei der Übergabe von Zertifikaten den armen Absolventen die Wahrheit: "Danke, daß Sie sich weitergebildet haben. Aber für die guten Posten haben wir überall schon jemanden, und für die schlechten brauchen Sie keine Weiterbildung sondern nur starke Nerven!"

Helmuth Schönauer 20/09/02

STICHPUNKT 238

Hühneraugen

Dieser Tage zwinkert sich Innsbruck mit beiden Hühneraugen selber zu. Hühneraugen deshalb, denn da lachen ja die Hühner: Innsbruck will Weltstadt sein! Also im Minutentakt wurden dieser Tage eröffnet: Das neue Rathaus, die neue Sprungschanze und die neue Fußgängerzone. Da ist eitel Wonne angesagt, weshalb die Prominenz auch sehr eitel zur Eröffnung geschritten ist. Als gelernter Innsbrucker freilich fragt man sich, wie lange wird diese Wonne halten. In dieser Provinzstadt nämlich fallen solche Gebäude kurz nach der Eröffnung zusammen, kriegen ein Loch oder machen sonst etwas Unanständiges, das die Bauherren nicht freut. Wer erinnert sich nicht an das Desaster an der technischen Universität, als der Bau der Bauprofessoren plötzlich einen Wasserfall vom Dach durchs ganze Haus eingebaut hatte, wie ihn die Natur im besten Naturschutzgebiet so leicht nicht zusammenbringt. Oder wer staunt nicht über das Glasdach der SOWI, das einfach herunterfällt, wenn die Bauaufsicht gerade einmal einen Moment nicht hinschaut. Das Innsbrucker Klima ist nicht nur geistig ziemlich pervers, sondern auch für Bauten im Weltstadtdesign sehr anstrengend. Auf die diversen Materialermüdungen können wir uns schon jetzt freuen. Freuen können sich aber auch die Nachfahren von uns selbst. Denn die Weltstadtgebäude sind naturgemäß auf Pump und Leasing gebaut. Einst werden die Wahrzeichen schon längst kaputt und von der Witterung niedergemacht in der Weltstadt herumstehen, da müssen die Enkel immer noch zahlen. Das nennt man Zukunftsglauben, dass die Kids und Kindeskids einfach das auslöffeln, was wir uns nicht leisten können. Wenn die Kids klug sind, können sie das Desaster ja ihren Kids überschreiben, undsoweiter, bis zum Jüngsten Tag.

Helmuth Schönauer 12/09/02

STICHPUNKT 237

Wir kaufen nichts!

Wenn man so im Land herumschaut, liegt ein wirtschaftlicher Herbst in der Luft. Irgendwie tickt die Konsummaschine nicht mehr richtig. Das Geld haut heuer noch schneller ab, als wir es ohnehin gewohnt waren, und immer mehr Menschen haben einfach kein Geld mehr, um so weiter zu konsumieren wie bisher. Man soll sich von den scheinbar unverwüstlichen Rest-Konsumenten nicht täuschen lassen. Wir sehen beim Einkaufen immer nur jene, die noch Geld zum Einkaufen haben. Im Cafe sitzen bloß noch die, die sich den Kaffee noch leisten können, und selbst beim Arzt trifft man bloß auf jene, die noch krankenversichert sind und den Selbstbehalt berappen können. Nach einer Woche permanenten Schulbeginns mit ungestümen Einkäufen von Schulutensilien sind so manche Erziehungsberechtigte jetzt vollends am Ende. In diesem Herbst in der Geldtasche sollte man sich vielleicht anschauen, wie anderswo Menschen mit der finanziellen Ebbe fertig werden. In Kenia etwa hat ein Vater seinen zwölfjährigen Sohn zerhackt und fünf weitere Kinder verletzt und schuluntauglich gemacht, weil er sich die hohen Bildungskosten für die Kids nicht mehr leisten konnte. Und in Griechenland haben die Kunden einen Tag lang gestreikt nach dem Motto: "Wir kaufen nichts!" Das Modell aus Kenia ist sicher etwas zu drastisch ausgefallen, aber die Verzweiflung ist echt. Denn auch bei uns fressen die Kinder bis zum 27sten Lebensjahr die Eltern so unbarmherzig kahl, daß diese zwischendurch schon einmal an den Griff zu einer Stubaier Axt denken läßt. Vielleicht sollten wir uns mehr an den Griechen orientieren und einfach nichts mehr kaufen. Eine Woche lang, einen Monat lang. Das wäre sicher besser, als über das Konsum-Leben zu jammern.

Helmuth Schönauer 06/09/02

STICHPUNKT 236

Vom Warnunterricht zurück!

Wahrscheinlich haben Sie es noch gar nicht bemerkt: Die Lehrer waren zwei Monate lang im Warnstreik und sind jetzt wieder zurück. Da die Lehrer jedes Jahr um diese Zeit streiken, regt sich offensichtlich niemand mehr auf und man nennt das ganze dann Ferien. Aber jetzt sollte das Streikkontingent für dieses Jahr aufgebraucht sein, ab nun müßte das Arbeitsverhältnis durchgehend abgespult werden bis zum nächsten Warnstreik um Weihnachten herum. Dabei sollten die Lehrer einmal gegen das streiken, was sie wirklich bedroht. "Streik wegen zu wenig Kinder!" Die Pädagogikindustrie ist genau genommen in einer schweren Krise. Eben noch mußte sie die neue Rechtschreibreform schlucken, und die richtige Rechtschreibung mit allen Absurditäten ist ja das Um und Auf der richtigen Erziehung. Und jetzt geht der PI (Pädagogik-Industrie) an allen Ecken und Enden der Kinder-Nachschub aus. Eigentlich müßten Eltern eine zusätzliche Prämie kriegen, daß sie ihre Kinder - manchmal spricht man schon von Erziehungsmaterial - der Lehrerschaft zur Verfügung stellen, damit diese dann unterrichten, dirigieren und inspizieren. Aber auch die pädagogische Begleitindustrie steckt in einer schweren Krise. So klagte kurz vor Beginn der Ferien die Tiroler Jugendanwältin sehr seufzend und weitsichtig, daß es eine Katastrophe ist, wenn Schülerheime schließen müssen, weil es dann keine Auswahl mehr gebe. Die Kinder machen eben ununterbrochen Probleme, weil sie entweder da sind oder weil sie fehlen. So ist es kein Wunder, daß in manchen Klassen mit einem sogenannten Warnunterricht begonnen wird. Das ist Unterricht und Streik in einem Aufwaschen, eine sehr pädagogische Lösung.

Helmuth Schönauer 30/08/02

STICHPUNKT 235

Kluge Schwüre

Wer hätte das gedacht. Die ältesten Gebräuche sind plötzlich die modernsten Rituale. Und weil die Tiroler ziemlich alte Gebräuche in ihrem Repertoire haben, können sie als die modernsten Menschen des Universums gelten! Schon seit Jahrhunderten nämlich schwören die Tiroler beim blutenden Herz Jesu, daß das Land dem Herrgott gehört. Das ist ein sehr kluger Schwur, er tut niemandem weh und ist auf keinen Fall falsch. Außerdem gibt es ein nettes Liedlein dazu, und wenn die Männer in den Lederhosen sich an die Brust greifen und "Auf zum Schwur, Tiroler Land" singen, dann bleiben kein Auge und keine Kamera trocken. Um diesen zünftigen Schwur beneidet und die ganze Welt, denn nicht einmal der Rütli-Schwur der Schweizer kommt an diese kostenlose Ergriffenheit heran. Aus touristischen und finanziellen Gründen haben jetzt die Amerikaner einen ähnlich klugen Schwur eingeführt. Konkret geht es um das Schwören auf die Bilanzen. Wenn gar nichts mehr hilft, weil man niemandem und schon gar nicht Managern so recht über den Weg traut, dann muß man eben schwören! Die Amerikaner schwören zwar insgesamt aufs Geld, aber offensichtlich kann man niemandem dabei glauben. Aus diesem Grund müssen jetzt im Wochenabstand ausgewählte Manager schwören, daß ihre Zahlen, die sie in die Bilanzen geschrieben haben, auch stimmen. Das ist ungefähr so logisch, als ob jemand schwört, daß auf einem Zehn-Euro-Schein ein Zehner draufsteht. Was dieser Zehner aber wert ist, das ist im Schwur ja nicht enthalten. Ein kluger Schwur schwört nichts, was nicht deppensicher ist, sonst wäre er ja gefährlich. Das haben sich die Amerikaner von den Tirolern abgeschaut und singen mit der Brust zur Hand: "Auf zur Börse, Wallstreet-Land!"

Helmuth Schönauer 23/08/02

STICHPUNKT 234

KAPO-Kommission

Für einen Tiroler ist selbstverständlich Tirol der Mittelpunkt der Welt. Aber an manchen Tagen schaut der kluge Patriot kurz über die Grenze, ob es dort nicht etwas Brauchbares zu beobachten gibt. Meistens ist ein kleiner Schatten von Schadenfreude dabei, denn wenn es den anderen schlechter geht, geht es dem Tiroler besser.So geht es etwa den deutschen Nachbarn mit ihrer gigantischen Arbeitslosenquote momentan gar nicht gut. Aber gegen dieses Desaster haben sie etwas erfunden, was man Optimismus-Kommission nennen könnte. Unter dem Vorsitz des Managers Hartz sind die besten Leute des Landes zusammengetreten und haben neben einer aufbauenden Moral Maßnahmen entwickelt, an die sich Politiker, Unternehmer und Gewerkschaften halten können. Somit wird das Problem außerhalb der üblichen kleinkarierten Muster behandelt und alle halten sich an die Vorschläge. In Tirol gibt es ja auch eine Menge Probleme, die man mit einer "Hartz-Kommission" angehen sollte. Und wenn nur ein Struktur-Optimismus herauskäme, wäre sie nicht für die Katz. Aber bei uns werden Kommissionen immer nach dem Tiroler-Alfabet zusammengesetzt. Kirche, Automobilclubs, Parteien und ORF (KAPO) sind Fixstarter. Dann ist jede Kommission auch schon voll. Es gibt in Tirol keine mutigen Experten, die etwas Ungewöhnliches vorschlagen und sich mit diesen Vorschlägen dann auch noch in eine Kommission setzen. Selbst so kleine Dinge wie die Vergabe eines Literaturstipendiums für interessante Ideen werden bei uns nach der KAPO-Manier erledigt. Kein Wunder, daß es mit der Zeit keine Ideen mehr in der Öffentlichkeit gibt und letztlich nur mehr die Schadenfreude über die eigenen Landsleute übrig bleibt. Helmuth Schönauer 16/08/02

STICHPUNKT 233

Ungezogene Musik

Die Tiroler Musik hat für die Musikplaner eine unangenehme Eigenschaft: sie ist ungezogen und macht, was sie will. Zwei komische Ereignisse beeindruckten in letzter Zeit die musikalischen Menschen im Land. Da klagte einerseits das Landeskontrollamt darüber, daß es am Tiroler Konservatorium so wild zugeht, daß man weder die Schülerzahl weiß, noch den Aufenthaltsort diverser Lehrer zu manchen Zeiten. Und fast zur gleichen Zeit klagte ein CD-Presser in einem entlegenen Tiroler Landesteil darüber, daß alle auf der Welt die Musik nur noch als Raubkopien hören wollen, und niemand mehr sein so teuer gepresstes Original. Beide Nachrichten hängen miteinander zusammen und haben das gleiche Thema: Darf Musik wilder sein, als es das Management und die Didaktik in ihrer Bravheit eingeplant haben? Die Antwort heißt natürlich - sie muß! Also warum soll sich jemand zu überhöhten Preisen CDs von einem Press-Werk kaufen, nur weil es in Tirol steht? Und warum sollen Musiklehrer mit dem Disziplinierstäbchen acht Stunden am Tag vor den Schülern stehen, nur damit man sie besser beobachten und verwalten kann? Längst hat sich auch in der Kunst ein pipi-haftes, ängstliches Gehabe durchgesetzt, das alles kleinkariert und genormt verwalten will. Für die Musik ist das der pure Tod! Wenigstens hat man als Antwort auf diese Klagerufe rechtzeitig dem Meister der wilden Musik, Werner Pirchner, ein würdiges Denkmal gesetzt. In multimedialen Darbietungen zeigt man allenthalben seine Widerstandskraft gegen alles Geschleckte und seinen Widerwillen gegen alles musikalisch Niederverwaltete. Und wer sich eine CD schwarz brennt oder die Musikschule schwänzt, handelt durchaus ungezogen im Sinne des Meisters.

Helmuth Schönauer 08/08/02

STICHPUNKT 232

Eingebildete Waffen

Angeblich finden im Land Tag und Nacht Volksbegehren statt, aber die Bevölkerung bekommt leider nichts davon mit und ignoriert sie. Je absurder ein Thema ist, um so eher gibt es darüber ein Volksbegehren. Kurz vor dem entscheidenden Durchbruch zu einem Volksbegehren steht momentan wohl die grün blinkende Ampel. Dabei geht es nicht nur um die Lichtspiele an Kreuzungen, die vor allem Mautflüchtlinge irritieren, wenn sie von Scharnitz bis Matrei auf Wackelkontakte im grünen Ampelbereich treffen. Hier geht es auch um ein Stück Identität. Tirol ist das, wo es immer grün blinken tut, erzählen unsere transitierenden Freunde überall am Kontinent. Aber das momentan echte Volksbegehren soll sich angeblich gegen die Eurofighter wenden. Kein Mensch weiß, worum es geht, denn Waffen sind ja dazu da, daß man nichts davon weiß. Die Tiroler werden sich hüten, dieses Volksbegehren zu kontaktieren, denn in Tirol sind schon seit Jahrhunderten die Eurofighter stationiert. In der kleinen Lederhosenausgabe mit einer saftigen Düse unterm Verdeck und einer überdimensionalen Puffen an den Schultertragwerken verbreiten diese Schützen permanente Abschreckung und verteidigen so unser Land gegen Luftverschmutzung, Lärm, Pornographie und Gottlosigkeit. Von den Tiroler Jusos wurde die Gefährlichkeit der Schützen auch prompt dieser Tage erkannt und der Wunsch nach ihrer Abschaffung folgte auf den Fuß. Aber Gottseidank sind die Tiroler immun gegen solche Angriffe aufs Allerheiligste, wozu die Eurofighter zu Fuß und in der Luft gehören. Denn wenn schon nicht klar ist, wozu diese Waffen dienen, so sollen sie wenigstens furchtbar und schrecklich sein und zur Ehre der patriotischen Träger und Piloten dienen.

Helmuth Schönauer 02/08/02

STICHPUNKT 231

Finanz-Widerstandskämpfer

Wenn die Tiroler etwas machen, dann ordentlich! Mit Stolz schauen die Patrioten dieser Tage auf jenes Amt, das in der Hauptsache Tintenbescheide ausstellt. Leider haben diese Bescheide aus dem Finanzamt die Eigenschaft, daß man als Steuerzahler eine Menge Euro in realiter zahlen muß. In diesem Tiroler Finanzamt soll teilweise ziemlich steuerschonend gearbeitet worden sein, um es vorsichtig zu formulieren. Es kann durchaus sein, daß bis zur Drucklegung dieser Glosse alle Beamten zu hundert Prozent verhaftet sind. Diese Unregelmäßigkeiten im Finanzamt sind natürlich schlecht für den Staat und für uns alle, schwarze Schafe werden wieder einmal bekämpft und blabla. Die Misere am Innsbrucker Finanzamt könnte aber auch Anlaß für zwei philosophische Deutungen sein. 1. Wenn sich an der Börse mittlerweile die Bilanzen als Bluff herausstellen, warum sollen dann nicht auch die Steuerbescheide ein Bluff sein? Immer mehr zeigt sich ja, daß die Welt des Geldes ein gigantischer Bluff mit Zahlen ist. 2.. Wenn eine Regierung Tag und Nacht auf die Beamten spuckt und flächendeckend alles privatisiert, schließt und verächtlich macht, was bisher von Staatsdienern recht ordentlich und mit Hingabe gemacht worden ist, warum sollen sich dann diese Staatsdiener nicht denken "pfeif drauf"? Denn weshalb soll ein Bediensteter dieses Staates eigentlich korrekt sein, wenn er ohnehin nur ausgelacht, beschimpft und in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wird? Diese Innsbrucker Finanzbeamten, die momentan mit der Revision und dem Gericht in Berührung kommen, sind vielleicht in Wirklichkeit Widerstandskämpfer gegen diese blöde Null, die dieses Land schon seit drei Jahren ständig verfolgt.

Helmuth Schönauer 26/07/02

STICHPUNKT 230

Sommergrippenfreunde

Seit einem halben Jahr beschäftigt mich die heikle Frage, was tun Krippenfreunde im Sommer? Also der Winter ist geritzt. Da müssen die Krippen geputzt, aufgestellt, begutachtet und wieder abgeräumt werden. Zu diesen kunstvollen manuellen Tätigkeiten müssen dann noch der Kopf und sein Inhalt in Bewegung gehalten werden. Wie stelle ich meine Krippe auf? Welche Figuren muß ich noch schnitzen? Darf ich ein Auto hinter den Stall mit Ochs und Esel stellen, denn immerhin soll die Krippe ja zeitgemäß sein, es handelt sich ja um aktuelle Kunst. Und nicht zu vergessen, das Vereinsleben muß in Schuß gehalten werden, es gibt Vorstandswahlen, Oberkrippenmeister, Krippenmeister Ost und West. Jemand hat Geburtstag und muß geehrt werden, jemand schneidet sich beim Schnitzen und muß in die Klinik. Handelt es sich um einen Notfall, ist die Ambulanzgebühr fällig? Und wenn das alles geschehen ist, muß der Presserat einen komplizierten Briefverkehr führen, viele Journalisten verstehen das "Krippelen" nicht, schreiben einen blöden Artikel und müssen zurecht gewiesen werden. So, das alles geschieht im Winter. Aber was machen die Krippenfreunde wirklich im Sommer? Schauen sie Schafe auf der Alm an, fahren sie nach Betlehem, um sich die Geburtskirche unter Feuerbeschuß anzusehen, damit man Vorlagen für kaputte Krippen hat? Muß man sich als aktiver Krippenbauer im Sommer auf neue Gesetze gefaßt machen? Immerhin ist das Tier jetzt per Gesetz keine Sache mehr sondern ein Wesen. Sind die geschnitzten Schafe jetzt auch noch eine Sache, oder fangen die als Wesen zu prozessieren an, wenn man ihnen ein Bein abschnitzt? Wahrscheinlich handelt es sich bei meinen Gedanken um Fieberschübe einer Sommergrippe.

Helmuth Schönauer 19/07/02

STICHPUNKT 229

Dreißig mal Tirol!

Es soll Untergrundwunderheiler geben, die verordnen bei Psychosen ein einfaches Mittel: Sagen Sie dreißig mal hintereinander Tirol und Sie fühlen sich wohl! So einem Wunderheiler dürfte die Sendeleitung des Landesstudios Tirol über den Weg gelaufen sein, denn in letzter Zeit "tirolerlet" es so grausam, daß man sich beinahe nicht mehr wohl fühlt. Was schätzen Sie, wie oft vor dem Beginn der allseits beliebten Sendung "Tirol heute" das Bundesland angerufen und besungen wird? - Sagen Sie dreißig mal, und Sie haben richtig geschätzt. Jemand fährt mit dem Rad, und nimmt Tiroler mit, eine andere fährt mit dem Kabrio auf Tirolerisch, eine dritte läßt sich in Tiroler Schmalz schauen, wo Tiroler Kiachl drin schwimmen, dann bittet man Tiroler Vereine, Tiroler Fotos zu schicken, eine Sendung eines Tiroler Bergsteigers muß auch noch angekündigt werden, und noch immer keine Signation in Sicht, die auf den Beginn von "Tirol heute" schließen lassen könnte. Mit der Zeit geht einem dieses Tirol schon ziemlich auf den Keks, es kann aber auch an dieser süffisant drögen Stimme liegen, die irgendwo unterm Bauchfell heraus die Einheimischen zu erotisieren versucht und das für Tirolerisch hält. Was da eigentlich Tag für Tag an Sendezeit drauf geht, nur um die potentiellen Zuseher ordentlich auf die Sendung aufzugeilen, ist beachtlich. Beliebte Geschenke sind ja nach wie vor Bluffpakete, das sind Paktln, in denen nichts drin ist als dreißig Geschenkspapiere, eins eingewickelt im anderen. Und am Schluß vielleicht ein Zettel mit dem Titel Ätsch! Genau so verpackt das Studio Tirol seine Sendung mit Tiroler Einwickelpapier. Kinder werden größer und lassen sich den Bluff nicht mehr gefallen, TV-Seher auch?

Helmuth Schönauer 12/07/02

STICHPUNKT 228

Kühler Blick

Wenn es sommerheiß wird, wünscht sich der Tiroler Zeitungsleser öfters eine Abkühlung. Die klassische Methode besteht zwar immer noch darin, sich mit dem gut aufgespannten Zeitungspapier Kühlung zuzufächeln. Aber nicht nur der Body will gekühlt sein, auch der Kopf lechzt nach Abkühlung. Und was kühlt besser ab als die Meldung von einem nackten Tiroler? In den Zeitungen wird also in regelmäßigen Abständen von Ungusteln berichtet, die sich in unwegsamem Gelände der Kleider entledigen und ihre grausigen Sachen herzeigen. Dabei werden diese Dinger in den Zeitungen dann noch beim vollen Namen genannt, was zu einem abgekühlten Verhältnis zur Sprache führt. Und auch sonst kühlen diese Meldungen alle Bewohner dieses Erdstreifens radikal ab. Frauen ekeln sich bei der Vorstellung, daß sich ein Tiroler im Wald auszieht und einen undefinierbaren Tanz aufführt, dermaßen, daß es ihnen eine Gänsehaut aufzieht, die zur sofortigen Abkühlung führt. Die Männer hingegen schütteln den Kopf, bis ihnen der Schweiß ganz kalt wird: Wie kann man als Mann so häßliches Mannszeug in einem so schönen Wald präsentieren! Als perfekte Abkühlnachrichten sollte man diese permanenten Berichte von Tiroler Exhibitionisten auch mit Gewinn lesen. Leider ist der Unterschied von Witzmeldungen zu echten Nachrichten nicht immer eindeutig. Frau beim Joggen am hellichten Tag angefaßt, Frau schon wieder angebaggert, Frau beim Rundgemälde in die Büsche gezerrt. Was ist nun eine Hitzemeldung und was eine Sauerei? Wer unauffällig Exhibitionisten sehen will, soll sich vor die Innsbrucker Hofburg stellen. Dort spielen tagaus tagein nackte Pferde mit ihren diversen Organen, und die Touristen geilen sich ordentlich auf dabei!

Helmuth Schönauer 05/07/02

STICHPUNKT 227

Popo-Post!

Das Unvorstellbare ist kurz vor den Sommerferien doch noch eingetreten, es hat im Lande so etwas wie einen Streik gegeben. Wie alles in unserem Land ist er allerdings etwas klein und putzig ausgefallen. Manche reden daher von einem "Streikerl", so wie man im Volksmund ja auch von einem "Schlagerl" redet, wenn der Schlaganfall kommt. Was ist eigentlich die Lehre nach diesem kleinen Streik der Postbus-Driver? 1. Streiken muß gelernt sein. Wer nie streikt, weiß offensichtlich auch nicht, wie man so einen Streik machen müßte. Im Falle Postbus hatte der Streik etwa jene Schärfe, wie wenn eine Tierpflegerin im Alpenzoo einen Uhu zwei Tage lang nicht streichelt. 2. Der öffentliche Verkehr ist allen Wurst. Wer in dieser Gesellschaft etwas ist oder zu sagen hat, fährt mit dem Dienstauto oder auf der kleinen und großen KFZ-Pauschale. Den öffentlichen Verkehr benützen wirklich nur die Underdogs und Schüler. 3. Wer gegen Veränderungen streikt, ist mega-out. In einem Wirtschaftssystem, das auf stündlichen Wandel und auf ständig neuen Konsum aufgebaut ist, müssen eben alle Jobs sich drehen wie das Kirchtagskarussell. Wenn alle Jobs wackeln, warum sollen gerade die Bus-Chauffeure ein fixes Lenkrad haben? Die Lehren sind ernüchternd. Wenn alles über das Geld geregelt wird, warum soll dann plötzlich ein Arbeitsplatz über den Sinn geregelt werden? Also Post-Chauffeure und alle: "Unsicherheit schafft Zukunft!", heißt es beim Wirtschaftsphilosophen Sprenger. Wenns rund geht und die Arbeit verloren geht, dann kann das ja auch eine ganz neue Zukunft bedeuten. Die Zukunft ist eben reine Nervensache. Der Tiroler Volksmund faßte die politische Lage wie immer treffend zusammen: Dieser Streik war für den Popo!

Helmuth Schönauer 28/06/02

STICHPUNKT 226

Zappen nach Sinn

Noch wichtiger als der Fernseher ist heutzutage die Fernbedienung. Mit ihr kann man manchmal gerade noch einem infantilen Hörsturz durch die Jackpot-Werbung entgehen oder in einer Nachrichtensendung eine dumme Wortmeldung wegschalten, wenn das Geschwafel unerträglich wird. Längst haben wir uns daran gewöhnt, daß wir alle paar Minuten den Sender wechseln, auf Tirolerisch nennt man das "zappen". Und das Zappen ist überhaupt eine Kulturtechnik geworden. Die Regierung zappt, das heißt, sie schaltet ständig auf andere Regierungsprogramme, viele Firmen zappen, sie fangen etwas an und schalten dann schnell in eine andere Produktion. Und geradezu eine Landesberühmtheit sind die Touristiker, wenn sie ständig mit der Tirol-Werbung herumzappen. Also kaum gibt es eine Kampagne, sind schon wieder ein paar dagegen und wollen eine andere. Die Aufgabe des Leiters der Tirol-Werbung scheint ausschließlich darin zu bestehen, daß er den Kopf hinhält, der täglich von ihm gefordert wird. Dabei gibt es zwei Denkschulen: die Braunsche (nach dem Gulaschexperten Braun benannt), der richtigerweise sagt, die Tirol-Werbung muß bei den eigenen Tirolern um Sympathie werben, dann geht es dem Tiroler Tourismus gut. Und die "nervocide" (nach dem Ausdruck Nerven tötend), die jedesmal, wenn jemandem die Nerven durchgehen, eine kleine Werbekampagne zur Beruhigung macht. Leider steht momentan das Zappen nach Sinn im Vordergrund, anstatt daß man mit den Tirolern gemeinsam den Sinn aufbauen würde nach dem Motto: Jeder Gast ist eine Bereicherung für jeden Tiroler, nicht bloß für die Touristiker. Und wir als Einheimische sind so interessant, daß wegen uns die Gäste kommen, nicht nur wegen der Gegend!

Helmuth Schönauer 21/06/02

STICHPUNKT 225

Schreibhosen runter!

In der Entwicklungsgeschichte eines Kindes gibt es eine kurz andauernde Phase, in der sich das Kind gnadenlos ausziehen will. Gefürchtet sind solche Ausziehschübe in der Sandkiste, wenn plötzlich alle Kinder die Schaufel weg legen, kurz ihren unschuldigen Potsch lüften und dann nach einer kleinen Begutachtung wieder weiter spielen. Gefürchtet deshalb, weil es nur noch ein kleiner Schritt bis zum sogenannten "Doktorlex" ist, also das Doktorspielen, das in einer sauberen Gesellschaft dann unweigerlich zum Einschreiten der Erziehungsberechtigten und Mega-Pädagogen führen muß. Nun gibt es dieses laszive Hosen-Hinunterlassen auch bei den Dichtern. Jahr für Jahr fahren ungefähr sechzehn Stück nach Klagenfurt, um beim sogenannten Bachmann-Wettbewerb die Schreibhosen hinunterzulassen. Während in der Mitte die Dichter einzeln vorgeführt werden und schwitzen, sitzt draußen am Rand der Dichterkiste rauchend und trinkend die Jury und begutachtet die einzelnen Schreibentlüftungen. Und mit etwas Glück kriegt dann nicht unbedingt der schönste Schreiber-Potsch, aber der aufregendste, den Preis. Heuer nehmen gar zwei Tiroler Dichter an diesem Wettbewerb teil, der in der kommenden Woche medial gut aufgemotzt über die Bühne gehen soll. Gerüchtehalber können die beiden Tiroler kaum noch sitzen und dichten, vor lauter Aufregung. Was bewegt einen erwachsenen Dichter eigentlich, sich an so einem Wettbewerb zu beteiligen? - Die Vernunft kann es nicht sein, also wird es sich wohl um ein Kindheitstrauma handeln. Denn die ganze Show ist ja ziemlich vergeblich und pervers: Kein kluger Kopf liest jemals ein Buch nur deshalb, weil sein Autor an einem Wettbewerb teilgenommen hat.

Helmuth Schönauer 14/06/02

STICHPUNKT 224

Schlecht gefedertes Einkaufswagerl

Tirol ist für Nicht-Tiroler ein hartes Pflaster. Wer nicht muß, wird daher nicht freiwillig ein Tiroler sein wollen, und sich lieber als Schwabe, Tessiner oder Pyrenäe durchschlagen. Vieles ist einfach von Natur aus hart in Tirol, manches wird aber auch erst künstlich hart gemacht. So jammerte kürzlich ein intelligenter Industrie-Mann, daß Tirol für die Frauen von Spitzen-Managern einfach nicht bekömmlich sei. Und das ist sehr einleuchtend, warum Tirol nicht gut und bloß "suboptimal" ist, wie das in der Fachsprache der Manager heißt. Denn man stelle sich so einen geplagten Manager vor, wie er den ganzen Tag lang mit Berufskram herum kramt und dann spät in der Nacht nach Hause kommt und die sogenannte "Manager-Alte" jammert ihm dann vor, wie hart das Land ist. Also die Einkaufswagerl sind schlecht gefedert, das Pony hat immer noch einen Pony-Hintern, obwohl der Pony-Schönheitschirurg schon drei mal daran herum operiert hat, die beiden Hunde machen immer noch Würste, weil die Tiroler einfach nicht imstande sind, einen wurstasketischen Hund zu züchten, der Golfplatz hat hängende Greens, die diverse Einlochenversuche verunglimpfen. Kurzum, ein Topmanager wird nach so einer Belaberung schleunigst das Land verlassen und alle Topmanager des Kontinents warnen, hier ein Berufszelt aufzuschlagen. Gottseidank wissen jetzt die Tiroler, die mit beiden Händen dumm arbeiten, worunter die Wirtschaft Tirols tatsächlich leidet. Während es früher darum ging, Geschäfte zu machen, ist das Ziel der modernen Industrie offensichtlich die Unterhaltung von Managern und ihren Frauen. Es wird den Tirolern eine Ehre sein, das Land in ein Manager-Paradies zu verwandeln!

Helmuth Schönauer 07/06/02

STICHPUNKT 223

Rivalen in Riva

Wenn alle Entscheidungen nach oben verlagert werden, bleiben für unten nur noch kosmetische Mundbewegungen. Von dieser Binsenweisheit in der Demokratie wissen zwar recht viele im Land Bescheid, aber manche wollen es nicht glauben. Und so fahren zwischendurch allerhand Politiker aus allen Windrichtungen nach Riva an den Gardasee, wie das dieser Tage geschehen ist. Mundkosmetiker mit hoher Qualität sind vor allem jene Abgeordneten, die sich zum sogenannten Dreier-Landtag treffen wollten. Weil es absolut nichts zu entscheiden gab, diskutiert man zur Hetz über die Begnadigung von Südtiroler Bummsern aus den Sechziger Jahren. (Wer außer ein paar Gruftis kann sich überhaupt noch daran erinnern?) Offensichtlich war der Beitrag als Erheiterung vor dem Mittagessen gedacht. Doch plötzlich wurde gestritten und schließlich der ganze Landtag - wie schon der Name sagt - vertagt. Das Thema gleicht einer mündlichen Wirtshausrauferei. In Innsbruck etwa fahren längst schon Busse mit der Zielrichtung eines Südtirol Bummsers ins O-Dorf. Diese Patrioten werden also nicht nur gewürdigt sondern sogar im Fünfminutentakt angefahren. Aber offensichtlich war man beim Dreier-Landtag ohnehin nur auf Streit aus und vielleicht gings auch um die Sitzungsgelder, denn irgendeinen Sinn wird dieses Zusammentreffen schon haben. Zumindest am Einladungspapier. Denn in der Realität ist der Dreierlandtag sinnlos wie der Kinderlandtag, der Playmobil-Landtag und was es sonst noch an interessanten Spielformen gibt. Und auch der sogenannte echte Landtag hat nichts mehr zu entscheiden, weil die Entscheidungen in Brüssel fallen. Vielleicht sollte man einmal einen Kapier-Landtag einführen, der das kapiert.

Helmuth Schönauer 31/05/02

STICHPUNKT 222

Stimmbegabungen

Kennen Sie als Tiroler einen zweiten Tiroler, der Ihre Anliegen im Nationalrat vertritt? - Einen werden Sie ja kennen, denn immerhin hocken Tiroler im Nationalrat und irgendwo müssen die ja die Stimme bekommen haben. Und von wem sonst, wenn nicht von Ihnen? Also die Tiroler Abgeordneten erkennt man sofort an ihrer Stimmbegabung, bei Abstimmungen haben sie immer die richtige Stimmhand in der Höhe. Und die Anliegen, wofür sie sich einsetzen, sind tatsächlich große! Meine Lieblingsabgeordnete hat beispielsweise richtig erkannt, daß Studiengebühren nichts ausmachen, wenn man einen reichen Vater im Bankwesen hat, und flugs die Hand gehoben. Mein Lieblingsabgeordneter hat sich für den Ausbau der Handymasten entlang der Bundesbahnstrecke nach Wien stark gemacht. Sorry, der ist noch in der Warteschleife im Bundesrat, aber er wird es bald in den Nationalrat schaffen. Und dieser Tage stehen wieder großartige Entscheidungen an, die alle Tiroler Abgeordneten hoffentlich kompetent und gut mit ihrer großen "Abstimme" hinkriegen werden. Die Strafgebühr für Fahren ohne Gurt soll beispielsweise erhöht werden, die Abgeordneten haben schon ihre Hände geölt, um das hinzukriegen. Und sie können die Hand gleich oben lassen, wenn es darum geht, daß ein blaues A neben der Nummerntafel installiert werden soll. Das ist aufregend! Als Wähler kann ich kaum noch schlafen, wenn ich daran denke, was die Tiroler Abgeordneten zum Wohle Tirols alles in Wien beschließen werden. Am liebsten täte ich gleich morgen wieder wählen, um möglichst viele Tiroler Abgeordnete für meine Anliegen in den Nationalrat zu wählen. Die Partei, der sie angehören, wäre mir dabei egal, denn es gibt ohnehin keine Unterschiede.

Helmuth Schönauer 27/05/02

STICHPUNKT 221

Streithansl und -gretl

Das Klima prägt die Bewohner, das ist eine Binsenweisheit. Und weil die Tiroler wegen des hohen Gebirges der Sonne recht nahe wohnen, kriegen sie leichter einen Sonnenstich als andere Bewohner dieser Erde. Am besten läßt sich der Sonnenstich mit dem Gerichtsquotienten messen: Je mehr Sonnenstiche, desto mehr Gerichtsprozesse! Dieser Tage wurde mit der Schließung von Bezirksgerichten begonnen. Und um zu dokumentieren, wie dringend Gerichte gebraucht werden, wurde auch gleich der neue Gerichtsquotient veröffentlicht. "Österreicher und besonders die Tiroler sind Weltmeister in Zivilprozessen. Auf 100.000 Einwohner bezogen haben Österreicher 10.000 Prozesse, in den USA kommen ca. 5000 Prozesse auf 100.000 Einwohner. Die Deutschen hingegen bestreiten nur ein Viertel davon, also ungefähr 2500 Verfahren. Die Prozeßfreudigkeit scheint eine alpenländische Eigenart zu sein." Soweit der Notwendigkeitsbeweis von Bezirksgerichten. Gestritten wird an guten Tagen um alles. Streithansel und Streitgretel stürzen sich in ihren Klagsbegehren wie die Geier auf Schadenersatzforderungen, Besitzstörungen oder den eleganten Verlauf von Grundstücksgrenzen. Vermutlich hat diese "Klagitis" aber auch einen anderen Grund. Weil es nichts mehr zu tun gibt, da der Tiroler ja mit einem Fuß schon im Paradies lebt und alles besitzt, was es zu besitzen gibt, klagt er eben jeden Tag um Kleinigkeiten. So wird er irgendwie dem Freiheitsgeist Andreas Hofers gerecht und beweist sich und seinen Mittirolern, daß er noch am Leben ist. "Ach wie klagt ihr schlecht!" würde Andreas Hofer vermutlich heute beim Sterben sagen, sähe er den verpfuschten Freiheitsdrang der Tiroler.

Helmuth Schönauer 17/05/02

STICHPUNKT 220

Buy-Räte

Das hören wir gerne: Tirol ist eine der ältesten Demokratien. Und weil jede Demokratie ein Hintertürchen hat, hat Tirol vermutlich eines der ältesten Hintertürchen der Welt. So gibt es beispielsweise für die Kultur einen politisch zuständigen Landesrat. Je nachdem wie die Hormonlage der Wähler ist, kann dieser abgewählt werden oder nicht. Und so möchte man erwarten, daß dieser Landesrat autark seine Entscheidungen trifft und diese dann bei der nächsten Wahl zur Debatte stellt. Dem ist aber nicht ganz so. Damit bei Ablehnungen das strahlende Gesicht nicht verunziert wird, gibt es in und um die Kultur jede Menge Beiräte. Diese werden spöttisch Buy-Räte (engl. buy, kaufen) genannt, weil sie offensichtlich bei ihrer Ehre eingekauft worden sind. Die Beiräte sind ehrenamtlich tätig und verdienen nichts, das muß man hier klar betonen. Die Aufgabe dieser Beiräte besteht nun darin, Projekte oder Vorhaben zu begutachten und, wenn irgendwie möglich, abzulehnen. Film, Literatur, Theater, Erwachsenenbildung, Tanz und Pflanz, alles hat seinen eigenen Beirat. Der Landesrat kann nun beim finanziellen Abwürgen von Vorhaben elegant und guten Gewissens sagen, daß nicht er etwas ablehnt sondern die Beiräte. Wie wird man nun Beirat? - Das weiß niemand, denn die werden berufen und abberufen, wie es sonst nur der Herr im Jenseits macht. Zwei Bedingungen müssen die Beiräte aber offensichtlich erfüllen, sie müssen ein Leben lang brav gewesen sein und ihre Haarfarbe muß passen (grau, weiß oder schütter). Wenn man einzelne Beiräte fragt, warum sie sich das antun, kriegt man keine Antwort. Offensichtlich werden sie wie James Bond mit einem imaginären Glanz belohnt und dürfen daher über ihre Mission nicht reden.

Helmuth Schönauer 10/05/02

STICHPUNKT 219

Raketensex

Nichts wäre so schlimm wie die Abstinenz von Tirolern bei einer internationalen Angelegenheit. Gottseidank sind immer wieder Tiroler dabei, wenn es um eine internationale Kampagne geht. Dieser Tage etwa wurde auf der ganzen sogenannten zivilisierten Welt Pornojagd auf visuelle Kinderschänder gemacht. Glücklicherweise hatten auch einige Tiroler Kinderpornos vom Netz heruntergeladen, damit auch Tirol den Anschluß an internationale Trends halten konnte. Und die Jugendanwältin hat gleich die Tiroler ermuntert, alles anzuzeigen, was eine Schweinerei ist, und Kinderpornos sind eine Schweinerei. Nun fragt man sich aber, warum gerade jetzt die Jagd auf Kinderpornos so in Mode gekommen ist. Immerhin gibt es sogenannte Perversitäten, seit es Menschen gibt. Der Grund dürfte in der Kampagne des amerikanischen Präsidenten liegen, der mit Milliardenaufwand jeden Sex bekämpft, der aus der ehelichen Tuchent heraus schlüpft und als pure Lust herumzieht. Wenn schon Sex, dann nur ganz sauberen und ganz sterilen, und der eheliche Sex ist wahrlich meist sehr steril. Wenn schon Sex dann höchstens einen ferngezündeten Raketensex, den man von der Homebase aus still und verhalten lenken kann. (Kein Wunder, daß das Antiraketenprogramm der zweite Schwerpunkt neben dem Antisexprogramm ist.) Wenn es der amerikanische Präsident befiehlt, marschieren in Tirol selbstverständlich die Behörden und checken alle verdächtigen PCs nach dem Motto, lieber einmal zu viel gesäubert als zuwenig. Daß diese Antipornowelle eigentlich nur dazu dient, ungestört die privaten Daten wahllos herausgegriffener User zu kontrollieren, ist eine schöne Nebensache, die alle Saubermänner und -frauen freut.

Helmuth Schönauer 02/05/02

STICHPUNKT 218

Dottore am Trottoir

Jaja, die schlauen Südtiroler! Dieser Tage ist dieser Seufzer der Depression wieder durch die Hirne der Nordtiroler gezischt.Und man muß neidlos zugeben, die Südtiroler sind einfach schlauer als die stumpfen Nordtiroler. Wir alle kennen ja die Autos der Südtiroler Studenten, die während des Studiums in Innsbruck permanent im Halteverbot parken, weil sie Italiener sind und als solche nicht bestraft werden können. Neu ist vielleicht, daß man sich durch das Stehen am Trottoir gleich einen Titel Dottore vom Trottoir holen kann.Angeblich hat dieser Tage jemand aus der Bankenwelt einen Trottoir-Doktor angegeben. Das ist weiter nicht schlimm, denn wir hatten schon Fälle, wo ein Dottore nicht einmal die Matura hatte. Anschließend gab es Mord und Erpressung, aber für Südtiroler Verhältnisse ist das vermutlich nichts Besonderes.Fragen muß man sich als begeisterter Kunde der Wirtschaft nur: Wenn ein Direktor nicht einmal weiß, wie man einen italienischen Titel in Österreich führt, dann kann man sich ausrechnen, wie er um die Rechtslage der anderen Geschäfte Bescheid weiß, die zwischen beiden Ländern abgeschlossen werden. Wie blöd wir Nordtiroler eigentlich sind, sieht man jedesmal am Brenner, wenn die Vorteilskarte der ÖBB nicht mehr gilt und ununterbrochen etwas zum Draufzahlen ist. Dafür haben wir allerdings politisch die schöneren Wortspenden. Wer kennt nicht die guten Reden über die guten Brüder im Süden und die guten Geschäfte? Für gute Geschäfte braucht es eben Dumme und Gscheite. Und wir spielen immer die Dummen, deshalb sind die Geschäfte auch so gut. Denn von Daktaris und anderen Dottores sind wir permanent begeistert und wir gehen auch immer prophylaktisch in die Knie.

Helmuth Schönauer 26/04/02

STICHPUNKT 217

Geplante Zufälle

Zufriedenheit entsteht dann, wenn man sich mit bescheidenen Gedankenmitteln die komplizierte Welt einfach erklären kann. Dieser Tage stand kurz die Zufriedenheit auf dem Prüfstand, denn es war ein sogenanntes Vobeg (Volksbegehren) im Umlauf. Und das Thema war zwar diffus, aber doch aufregend, es ging irgendwie um den Sozialstaat und die Gerechtigkeit beim Kampf ums tägliche Brot. Dieses Thema wäre vor einigen Jahren noch gefährlich gewesen. Aufgeschlossene, lebensbejahende Menschen hätten sich unermüdlich dafür eingesetzt, daß dieses Vobeg von möglichst vielen unterschrieben und später in die Tat umgesetzt worden wäre. Mittlerweile aber sind die Österreicher und insbesondere die Tiroler so abgehärtete "wilde Hund", daß ihnen auch der Kampf ums tägliche Brot wurst ist. Jedenfalls wird das Vobeg jetzt gelocht, abgeheftet und später entsorgt. So wie vor kurzem das eine, wo es um Temelin ging. Hier kann der gelernte Tiroler nun glauben, daß politisch gesehen alles ein Zufall ist, oder daß alles gesteuert wird. Beides ist übrigens gleich sinnvoll. Am Beispiel der Kirche und ihrem sozialen Engagement kann man diese Zufallstheorie gut austesten. Die einen glauben, daß es ein Zufall war, daß gerade, als sich die Kirche sozial engagieren wollte, ein böser Karikaturist so schlimme Jesus-Bilder gezeichnet hat, daß die Kirche alle Kraft zur Bekämpfung der Karikatur verwenden mußte und keine Zeit mehr für das soziale Vobeg hatte. Die anderen glauben, daß diese beiden Ereignisse gesteuert sind. Aber beiden ist klar, daß die Kirche richtig gehandelt hat. Die Bekämpfung eines Karikaturisten ist tausendmal wichtiger als die Bekämpfung der Armut. Das steht angeblich in der Bibel.

Helmuth Schönauer 21/04/02

STICHPUNKT 216

Nette Wirklichkeit

Die Wirklichkeit hat einen großen Vorteil: Sie ist, wie sie ist! Manchmal nett und manchmal arg. Jeder macht sich ja die Wirklichkeit selbst, und dennoch haben unsere netten Mitglieder der Landesregierung nichts anderes im Sinn, als uns alles nett zu sagen. Längst wissen die Tiroler, daß die Landesregierung völlig überflüssig ist. Daher macht es gar nichts aus, daß alle gelähmt auf die nächste Wahl starren und bis dorthin ums Schaufele streiten wie in der guten alten Sandkiste. Es ist einfach eine nette Wirklichkeit, daß die Streithanseln den ehemaligen Wählern (denn wer würde diese jetzigen Regierungsmitglieder noch einmal wählen?) vorgaukeln, daß sie etwas entscheiden. Ab und zu rutschen ihnen dann komische Sätze heraus, die der Wahrheit ziemlich nahe kommen, aber die Nettigkeit stören. So sprach der Landeshauptmann eher aus Versehen von einem Korridor, als er den Ausbau der Fernpaßstrecke meinte. Das ist ihm einfach herausgerutscht, weil es die Wahrheit ist. Der Fernpaß wird eine Transitroute werden, weil er schon längst eine ist. Und die Umweltlandesrätin sagte nett, daß die Müllverbrennung im Gesetz steht. Aber eigentlich ist ihr herausgerutscht, daß es den Unterlandlern bei ihrer verstunkenen Umwelt ohnehin egal sein müßte, wenn es noch ein bißchen mehr stinkt. Deshalb lieben wir ja diese netten Uns-Vertreter. Wenn schon die Welt schlimm ist, so sollen sie wenigstens etwas Nettes daraus machen. Denn die Wahrheit wäre schrecklich. Sie würde an den SED-Vorsitzenden der DDR erinnern, als ihm das Aufstellen der Berliner Mauer einen Tag vor der tatsächlichen Errichtung herausrutschte. Er hätte es damals ja auch netter sagen können, so wie es jetzt die Unsrigen machen.

Helmuth Schönauer 12/04/02

STICHPUNKT 215

Balli und Gilli

Was sich nicht rechnet, muß man wegschmeißen. Spätestens seit die Regierung alles wegschmeißt, was sich nicht auf Null ausgeht, ist das Rechnen zur täglichen Pflicht geworden. Dieser Tage nun hat Tirol gelernt, daß es nichts nützt, wenn man mit dem Herzen rechnet. Irgendwann holt jeden die Stunde des Cash ein. Also ganz Tirol steht momentan unter Schock, daß es den FC Tirol finanziell so herbeutelt. Viel wird diskutiert, und Ratschläge gibt es so viele wie Rätsel. Aber man sollte einmal rechnen. Einmal Balli mit der Hand einwerfen, bringt dem Fußballi-Spieler drei Durchschnittsmonatsgehälter. Einmal die Seitenoutlinie hinauf schlendern, denn von rennen ist in unseren Breitengraden wegen der dünnen Luft am Tivoli keine Rede, einmal das Feld entlang schlendern, bringt einen durchschnittlichen Monatslohn. Es läßt sich auch am Fußballfeld alles "evaluieren", wie der Fachausdruck für überprüfen heißt. Wenn jemand von den Profis einen Elfer verschießt, kratzt er sich am Ohr, läßt still ein Fürzchen auf der Mittelauflage und das war es dann. Einen Elfer verschießen ist so, wie wenn ein Lokführer voll ein Signal überfährt. Abzug in den Verschub ist das Mindeste, was einem normalen arbeitenden Menschen passiert. Beim Fußball ist alles anders und wahnsinnig. Als ein gewisser Gilli sagte, er wolle sofort Cash, weil er sonst nicht mehr das Balli anrührt, gab es sofort Cash. Das sollte unsereins einmal machen. Also die Dichter schreiben keine Zeile mehr, die Bauern ackern nicht mehr, die Kellner servieren nicht mehr, wenn nicht sofort der Euro springt. Aber kindisch, wie die Tiroler nun einmal sind, gehen sie nach wie vor Balli schauen und freuen sich, wenn Gilli wieder zum Balli geht. Bravo.

Helmuth Schönauer 05/04/02

STICHPUNKT 214

Sitz-Sitz-Large

Für sitzengebliebene Tiroler, die es nicht geschafft haben, rechtzeitig aus dem Land abzuhauen, gibt es seit kurzem Extravorstellungen vom Tiroler Kasperltheater. Schwarze Schafe fahren mit überlangen Reisebussen durch das Land, gute Gendarmen holen sie aus der Kolonne und messen mit dem Meterband ihre Länge. Uff, und die korrekten Beamten mit den Sondergenehmigungen am Meterband sind leider am Sonntag zu Hause bei ihren Familien. Au, und die Weiterfahrt der Pilger zum Papst verzögern sich, bis die Ersatzbusse da sind. Ha, und der Tourismus plärrt wie immer, wenn es um das Einhalten von Gesetzen geht, als ob das Übertreten der Gesetze zum Normalfall dazu gehörte. Dieses Schauspiel ist sehr ergreifend, leider sind die Lärmschutzmauern eben auch oft ein Sichtschutz, so daß man als Einheimischer nicht ungeniert hemmungslos zuschauen kann. Eine Frage geht bei dem ganzen Affentheater freilich unter. Warum müssen Busse immer größer und länger werden? Ein tapferer Feuerwehrmann hat einmal so nebenher vermutet, daß sich das Ausrücken bei einem Unglück dann besser lohnt, "wenn mehr hin ist". So sein wörtliches Zitat. Ein bißchen erinnert der Größenwahn nach XXL-Bussen auch an jenen Unsinn, den Konrad Lorenz immer zu hinterfragen versuchte. Warum müssen alle Flüsse Europas tiefer gebaggert werden für die Containerschiffe, warum kann man nicht die Container klein belassen? Und auch bei den Bussen gilt das gleiche Spiel. Erst sind sie überlang, und dann muß man die Straßen ausbauen, damit sie auch ungeniert ihre Wallfahrtsorte der geistigen und touristischen Art erreichen können. Sitz-Sitz-Large ist eben die Voraussetzung, wenn man möglichst viele "A-los" von A nach B bringen will.

Helmuth Schönauer 29/03/02

STICHPUNKT 213

Oh, ein Putz!

Die größte Wahrheit liegt immer in den blödesten Werbesprüchen! - Und wer einmal ein richtiges Taschentuch zur richtigen Zeit verwendet hat, weiß, daß die Nase zu rinnen aufhört, wenn man die richtige Packung Taschentücher aufreißt. Naseputzen wird zu einem Akt überraschender Verzückung. Nun ist gerade im ganzen Land der sogenannte Osterputz im Gange, und es ist interessant zu beobachten, welcher Menschentyp sich in welche Ordnung stürzt. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem eigenen Sexualleben und der Lust, Pflanzen zusammenzuschneiden? Was sagen die Hormone, wenn jemand mit Hingabe bügelt? Bedeutet es für das Innenleben etwas, wenn jemand Fassaden herunterstreicht? Normalerweise gibt es die Faustregeln, daß in den Häusern mit dem schönsten Verputz am meisten gestritten wird, und daß in Ländern mit den saubersten Hemden die Flüsse am dreckigsten sind. Aber beim generellen Putz gibt es doch ein paar Dinge, die gerne vergessen werden. Wie wische ich alte Ideologien auf? Wie entsorge ich leere Wahlversprechen? Was mache ich mit den schmurgelnden Dichtersocken im Brennerarchiv? Wie kriege ich einen nicht mehr funktionstüchtigen Häuptling in den Ruhestand? Wohin mit den Sonntagsreden, wenn der Montag überraschend kommt? Diese Fragen werden im Osterputz natürlich nicht gestellt. Die einen gehen mit alten Ratschen durchs Land und richten die Leute aus, die anderen zählen die Stunden der Fastenkur, bis sie wieder mampfen können, und die dritten sehnen sich nach einer Wahl, damit sie wieder das Kreuz an der alten Stelle machen können. Es gehört eben auch zum Osterputz, daß er "für die Wäsch’ ist". Es geht nur um die kurze Verzückung: Oh, es ist geputzt! Dann ist echtes Ostern!

Helmuth Schönauer 22/03/02

STICHPUNKT 212

Ich will 'nen Cowboy als Landeshauptmann!

Einen Ohrwurm kriegt man bekanntlich auch noch nach Jahrzehnten nicht aus dem Ohr hinaus, weshalb der starke Sender dieses Landes auch immer besonders starke Oldies mit jahrzehntelanger Dauerwirkung spielt. Einer heißt "Ich will 'nen Cowboy als Mann!" und ist geradezu ein politischer Song mit Dauerbotschaft. Ehrlich, ich wäre schon längst aus Tirol weggezogen, wenn nicht ein Bauer Landeshauptmann wäre. Und viele Tiroler denken ebenso, weshalb es wirklich besser ist, ein Cowboy (alpin Bauer) ist Landeshauptmann, als daß das Volk auswandern muß. Der aktuelle Landesboß führt die Regierung wie einen Bauernhof, weshalb er ja geradezu als ein Power-Bauer angesehen werden kann. So alle halbe Jahr taucht bei verzweifelten Sekundärtirolern der Schmerzschrei auf, daß die Bauern zu viel im Land zu sagen hätten. Dem sollte man aber kühl entgegenhalten: Der Bauernstand versteht es einfach elegant, seine harte Arbeit als fröhliches Dasein zu verkaufen. Während Beamte meist jammern und manchmal nur geregelt gemäßigt arbeiten, arbeitet der Bauer immer und ist dabei noch fröhlich. Und außerdem haben die Bauern einfach die besseren Funktionäre. Ich würde mir als Schriftsteller wünschen, daß ich solche Vertreter in der Regierung hätte, wie es die Bauern haben. (Weshalb kluge Schrifststeller sich manchmal vom Bauernbund vertreten lassen, was ein bißchen Hoffnung gibt im Leid des Schriftstellerdaseins!) Die Parole kann also nur heißen: Außer aus den Stauden und fröhlich sein wie die Politiker der Bauern! Damit der Oldy nicht eingemottet werden muß, der einfach unsterblich im Ohr liegt: "Ich will 'nen Cowboy als Landeshauptmann!" Und zwar flott und für immer!

Helmuth Schönauer 15/03/02

STICHPUNKT (211)

Alles Mull-Walzer!

Hobby-Volkskundler versuchen lange, auf die Verbindung zwischen dem Muller-Laufen und den Müll-Transporten hinzuweisen. Denn mittlerweile ist der Müll etwas vom Wertvollsten geworden, was es auf dieser Welt gibt, und so ist es nur logisch, wenn man im Sinne eines modernen Fruchtbarkeitsbrauches als Muller verkleidet um den Müll herumhüpft und sich dabei möglichst oft fotografieren läßt. Reich werden kann man heute nur mehr, wenn man sich mit der Entsorgung von Müll beschäftigt und scheinbar intelligente Verwertungsmethoden erfindet. Von Käsebakterien bis zu Käseentrindungsmaschinen gibt es alles, was zu hohen Ehren kommt. Und die beste Methode ist nach wie vor jene, wonach man den Müll so lange durch die Gegend führt, bis er entsorgt ist. Dieser Tage ging nun ein großer Aufschrei durch das Land, weil Mülltransporte von der Ökopunkteregelung ausgenommen sind. Dabei ist es nur logisch, daß die wertvollsten Sondertransporte von der allgemeinen Transportreglementierung ausgenommen sind. Wenn einerseits Geldtransporte für den Euro als Sondereinsätze gelten, dann müssen auch die Mülltransporte als Sondereinsätze anerkannt und frei sein. Denn Müll ist nichts anderes als die Hinterseite vom Geld. Alles, was jemand vorne verdient, gibt er hinten als Müll wieder aus. In der Transitempörung vergißt man völlig die kleinen Mülltransporte, die Tag und Nacht stattfinden. In jedem zweiten PKW aus den Innsbrucker Umlandgemeinden etwa ist Müll gelagert, der diskret und kostenlos an der nächsten Müll-Insel in der Stadt abgelagert wird, weil die Entsorgung in der Heimatgemeinde zu teuer wäre. Ein großes Festival ist im Gange und alles tanzt Mull-Walzer im und durchs Land.

Helmuth Schönauer 08/03/02

STICHPUNKT (210)

Wende-Bestuhlung

Wer einmal Karten gespielt hat, weiß, daß es nichts Blöderes gibt, als wenn man ununterbrochen den Schell-Unter anschauen muß und nicht los kriegt. Und damit man das ganze Spiel nicht vorzeitig hinschmeißt, kann man bei manchen Spielen eine fad gewordene Karte austauschen. Diesen Trick aus der Schnapserei und Watterkunde hat auch die Regierung im Talon, weshalb sie von Zeit zu Zeit Minister, also die Schell-Unter und Unterinnen, austauscht. Das Volk ist sehr zufrieden über diese Austauschaktionen und das Spiel kann wieder weitergehen. Der neue Minister muß freilich zwei Prüfungen bestehen. Die erste ist die Angelobung durch den Bundespräsidenten. Dieser ist an manchen Tagen so versteinert und verbittert, daß er mit tiefgefrorener Hand angelobt, was beim Minister einen Kreislaufschock bewirken kann. Und die zweite Prüfung besteht in einem Tirol-Besuch. Erst wenn der Neue im harten Gebirge seine neuen Sprüche losgelassen hat, kann er sich wirklich als Minister fühlen. Nun muß man aber in Tirol immer das Gegenteil von dem sagen, was man sonst in der Welt sagt. Aus diesem Grund soll gerüchtehalber in den Flugzeugen von und aus Tirol eine eigene Wende-Bestuhlung hinter der Pilotenkanzel eingebaut sein. Diese Stühle drehen sich in der Luft so lange, bis der Passagier nach der Landung nicht mehr weiß, was er sagen will, und so instinktiv das sagt, was man gerne hört. Tausendfach sind Tiroler Politiker nach Wien geflogen und haben dort das Gegenteil von dem gesagt, was sie in Tirol versprochen haben. Und umgekehrt ergeht es den Ministern, wenn sie nach Tirol fliegen, sie sagen in Innsbruck immer etwas anderes als in Wien. Der neue Minister hat übrigens die Prüfungen glänzend bestanden!

Helmuth Schönauer 01/03/02

STICHPUNKT 209

Wedel-Western

Im Tourismus gibt es so etwas wie einen permanenten Reflex. Geht ein Nicht-Einheimischer etwa an einem Hotel vorbei, wird automatisch aufgebettet, steht ein Berg in der Gegend herum, wird automatisch ein Schilift in seine Eingeweide geschlagen, hüpfen die Euros nicht lawinenartig in den Kassabeutel, wird sofort gejammert, daß das ganze Land ein schlechtes Gewissen bekommt. Und zu diesem permanenten Reflex zählt auch, daß Filme abgelehnt werden, die nicht dem Schönwetterprospekt einiger Tourismus-Gurus entsprechen. Reflex ist das Gegenteil von Denken, und im Tourismus wird nicht gerade übermäßig viel gedacht, hat man manchmal den Eindruck. Wie könnte es sonst passieren, daß man einerseits in großer Events-Geilheit Künstler auf den Berg und dort auf die Eisbühne stellt, wie etwa in Ischgl, und sich dann furchtbar aufregt, wenn es einen Film gibt, der solche Events ironisch darstellt. Im Unterhaltungsklamauk "Feuer, Eis und Dosenbier", der dieser Tage Protest und Verbotsrufe ausgelöst hat, wird genau das dargestellt, was in den Prospekten steht. Nur daß sich eben die Figuren im Film wegen dieses äffischen Programms lustig auf die Schenkel hauen und ansaufen. (Wie in Wirklichkeit übrigens!) "Feuer, Eis und Dosenbier" erinnert an die Piefke-Saga, wo nach der Ausstrahlung die Branche schließlich genau das Drehbuch von Felix Mitterer verwirklicht hat, nur halt ohne Humor und wie immer tierisch ernst. Der Tourismus ist nämlich eine tierische Sache, wo lachen verboten ist, obwohl die Gäste meist nur ungestraft lachen wollen. Irgendwie geht es zu wie bei einem Western übers Wedeln: die einen ziehen schneller und die anderen schauen dümmer, wie es sich eben für einen Western gehört.

Helmuth Schönauer 25/02/02

STICHPUNKT 208

Einkeks-Schwung

Unter dem saloppen Titel "Einkehrschwung" gab es dieser Tage einen fast königlichen Event im Zillertal. Zwar fand die echte Königsgeschichte an diesem Wochenende in England statt, wo die vom Königshaus am Ausleben der Liebe gehinderte Königin-Schwester elendiglich sterben mußte wie ein normaler Mensch, aber im Zillertal hüpften ein deutscher Kanzlerkandidat und ein bereits praktizierender österreichischer Bundeskanzler zu einem Seitenblicke-Termin in eine Schihütte. Eine Königsgeschichte, könnte man meinen, etwas bayrisch-alpin halt, aber recht locker. Der eigentliche Einkehrschwung findet bei solchen Anlässen immer hintenherum statt. Da werden beispielsweise alle Anwesenden mit Titeln, Keks und Anstecknadeln vergoldet für die Erinnerung. Ehrensache, daß kein gewöhnlicher Schilehrer mit den Promis über die Piste geht. In diesem besonderen Fall war es ein sogenannter Extrembergsteiger, der die beiden Extrem-Schifahrer in die Hütte und später wohl auch zum Dienstwagen gebracht hat. Professor von und zu Schi, das ist das mindeste, was an Titeln beim sogenannten Titeltreffen angetroffen werden muß. Aber beim Höhenluft-Professor, der Titel wurde höchst persönich vom jetzigen Bundeskanzler überreicht, handelte es sich nur um den Gipfel des Titels. Die ganze Hütte war eingeklemmt voll von Titelträgern, Titelaspiranten und Titelhoffnungen. Gerüchtehalber hat ein eigener Protokoll-Man alle aufgeschrieben, die noch nichts hatten, denn Titel können jederzeit nachgereicht werden. Beim Einkehrschwung handelte es sich um einen typischen Einkeks-Schwung. Aber der Fasching war am Höhepunkt, und da tun die Titel nicht weh!

Helmuth Schönauer 11/02/02

STICHPUNKT 207

Kurzrekord

Die Steigerung von Welt ist bekanntlich Weltrekord. Wenn jemandem der Mund offen bleibt, und er ausruft: "Mah, das ist Welt!" so renkt sich bei einem Weltrekord zusätzlich das Unterkiefer der Bewunderung aus, weshalb Weltrekorde für die Bewunderer auch gefährlich sind. Vor kurzem gab es in Tirol zwei wahnsinnige Weltrekorde. Der erste Weltrekord bestand darin, daß jemand als Tiroler verkleidet wie wahnsinnig so lange ununterbrochen Schi gefahren ist, bis der Weltrekord im Kasten war, wie das so schön heißt. Zu diesem Anlaß hat das Landesstudio Tirol sogar alle Richtlinien über den eigenen Haufen geworfen und ist ins Freie gefahren zum Weltrekord, denn eigentlich hätte der Weltrekord ja ins Studio kommen müssen. Ein Weltrekord ist nämlich nach den neuesten Definitionen Kultur und hätte somit ins Kulturhaus und ins Studio gehört. Aber der Genuß über den Weltrekord war nur kurz, denn die Sendung über den Weltrekord war noch nicht abgeflimmert, da kam schon die Hiobsbotschaft, wonach ein Bayer den Weltrekord noch weltiger geschafft hätte. Aber die Tiroler sind nicht blöd. Weil sie keinen Weltrekord im Auf-den-Schihaxen-Stehen mehr haben, haben sie stracks einen neuen aufgestellt, den Weltrekord im kürzesten Weltrekord-Innehaben. Das ist perfektes Timing, dazu braucht es nämlich Hirn. Denn so wie der Bayer mit seinem Weltrekord auf den Schihaxen steht, braucht es kein Hirn, und er hat ja tatsächlich das Hirn in den Haxen. Aber den kürzesten Weltrekord zu haben, ist reine Intelligenzsache. Und so ist es kein Wunder, daß in Bayern der Rekord mit den Haxen zu Hause ist und in Tirol der Weltrekord mit Hirn wohnt. Ganz Tirol ist nämlich selber ein Weltrekord!

Helmuth Schönauer 08/02/02

STICHPUNKT 206

Komplett katholisch

"Heast, bist katholisch!" Diesen seltsamen Ausruf hat der Großvater des Österreichischen Alltagsphilosophen Doktordoktor Nenning immer ausgestoßen, wenn jemand einen Blödsinn gemacht hat. Obwohl der empörte Seufzer einen wienerischen Klang hat, ist er allerdings sehr für Tirol geeignet, weil hier viele katholisch sind und ständig irgendein Blödsinn passiert. Aber seriös überlegt, müßte das Land ja ganz anders sein als andere Länder, weil seine Ureinwohner ja angeblich katholisch sind. So ist es etwa verwunderich, daß die Zahl der Verkehrstoten im Land letztes Jahr exorbitant angestiegen ist. Das kann damit zusammenhängen, daß viele sogenannte Nichttiroler in die Unfälle verwickelt waren oder diese sogar ausgelöst haben. Denn gerade im Straßenverkehr müßte sich die angewandte Religiosität eines Volkes zeigen. Hier kommunizieren Brüder und Schwestern, wenn auch über die Blechkiste, so doch ständig und mit hoher Geschwindigkeit. Deshalb wird gerade ein Mensch, der katholisch ist, besonders rücksichtsvoll fahren, keinen Mitbruder in Gefahr bringen und keine Mitschwester brutal über die Böschung drängen. Und nüchtern zu fahren, auch außerhalb der Fastenzeit, ist für einen Katholiken oberstes Gebot! - Warum aber tuscht es dennoch ständig im Land? Warum geht die Bevölkerung durch Geburtendefizit und Unfälle so stark zurück, daß sich der Landeshauptmann öffentlich schwere Sorgen darüber machen muß? Kann es sein, daß irgend ein kleiner Fehler im Programm liegt? Daß beispielsweise nur das ungeborene Leben geschützt wird und das geborene hemmungslos niedergefahren werden kann? Oder geht es einfach oft nur blöd her, wie im Satz vom Großvater?

Helmuth Schönauer 01/02/02

STICHPUNKT 205

Dichter Preishagel

Haben Sie schon einmal eine Hose gekauft, weil der Hosenmacher einen Preis bekommen hat? Oder haben sie einmal einen Zug ausgelassen und gewartet, bis der nächste kommt, weil dort ein prämiierter Lokführer drin sitzt? - Aber ein Buch sollen sie kaufen, weil der Schreiber einen Preis gekriegt hat? Irgendwas stimmt da nicht bei dieser Preistreiberei. In letzte Zeit hat der Dichter-Preishagel auch wieder im Tirolerland eingesetzt. Es vergeht keine Woche, wo nicht irgendein Dichter einen Preis und dadurch seine Arbeit veredelt bekommt. Und auch die Preismacher sind nicht schlecht zu sich selbst. Im abgelaufenen Jahr hat beispielsweise am Innsbrucker Germanistik-Institut jeder einen Preis bekommen, sei es aus Altersgründen, wegen seines Ausscheidens aus dem aktiven Dienst oder wegen einer Hüftoperation mit lyrischem Gelenk. Das sind alles Leute, die für ihre wertvolle Arbeit schon einmal bezahlt worden sind, was brauchen die dann einen Preis und ein Keks? Und die Dichter sollen dichten, nicht Preise sammeln und die Keksdose vollstopfen! Zwischen den Literaturmachern und dem Publikum wird die Kluft immer größer und mit jedem Preis geht diese Schere weiter auf. Man brauchte in unserem Land bloß die Dichter in Zeitungen oder im ORF-Studio regelmäßig veröffentlichen lassen. Dann würde das Publikum Zutrauen gewinnen und auch diese Dichter wenigstens in kleinen Portionen lesen. Und umgekehrt würden die Dichter, wenn auch gespreizt, so immerhin mit einem Hauch von Verständlichkeit zu schreiben beginnen. So aber gibt es jede Woche einen Preis, ein Buffet und eine nette Preisnachricht für die Presse. Und alle haben eine gute Ausrede, daß die Literatur so hochpreisig ist.

Helmuth Schönauer 25/01/02

STICHPUNKT 204

Niveau grüßt Level

Wir haben es immer schon geahnt, daß Sylvester nicht so harmlos ist, wie gerne getan wird. Nicht nur für den "Tag danach" ist der Sylvester sehr gefährlich, wenn teilweise Organe aussetzen vom Umtrunk zum Jahreswechsel. Auch das gesunde Empfinden kann zu Sylvester aussetzen und zu einem Rücktritt führen. Irgendwo in der Hauptstadt der Provinz hat nämlich heuer zu Sylvester angeblich eine Südtiroler Band so niveaulos gespielt, daß der entsprechende Marketingmensch im Umfeld irgendwo zurückgetreten ist. Das passiert täglich in unserem Land, und wäre nicht bemerkenswert. Bemerkenswert ist aber der Grund: Dieser tapfere Mensch ist wegen Niveaulosigkeit der Band zurückgetreten. Das ist interessant, denn genau genommen müßte das ganze Land an manchen Tagen wegen Niveaulosigkeit zurücktreten. So gibt es etwa den schönen Witz, wonach der Tiroler drei Möglichkeiten hat, ununterbrochen in eine niveaulose Situation zu geraten. Entweder er trifft beim Einschalten des lokalen Einheitsfunkes auf einen niveaulosen Moderator, auf eine niveaulose Musik oder auf eine niveaulose Werbung. Insider wissen, es könnte noch schlimmer kommen, man könnte auf die Sendung des Landeshauptmannes stoßen etwa, wenn das Pech eines Tages vollkommen ist. Was ist aber Niveau? - Mit den schönen Worten des Boogiewuggie spielenden Bundeskanzlers könnte man sagen: "Niveau ist keine Verdummung sondern Dummheit auf hohem Level". So ist es in Tirol und auf der ganzen Welt. Die zurückgetretene Sylvester-Seele hat ein kulturelles Niveau auf hohem Level. Aber den Tirolern ist es egal, sie machen weiterhin, was sie für gut halten, denn sie sind wirklich gut. Und das Niveau grüßt den Level!

Helmuth Schönauer 18/01/02

STICHPUNKT 203

Nachtwächter

Ein gutes Land erkennt man daran, daß darin ständig guter Stoff zu haben ist. Wo Stoffsucher anderer Länder nach Amsterdam oder Bogota fahren müssen, um sich einzukoksen, können die Tiroler ihren Lebenssinn jeden Tag frisch vor der Haustüre pflücken. Der beste Stoff kommt angeblich aus Osttirol. Eben noch konnten wir uns alle an der schönen Geschichte erfreuen, wo Liftwärter nicht bis drei zählen konnten und ein Touristentrio auf dem Sessellift verschaukelten, indem sie ihm einfach unterm Hintern den Lift abdrehten. Und schon kommt die nächste gute Story. Der putzige Ort O. leistet sich einen Nachtwächter mit Handy. Dieser Nachtmensch grölt zu Schauzwecken zwei mal in der Woche durch den Ort. Ob er sich für diese Aufgabe ansaufen muß, ist noch nicht geklärt. Da man sehr lange nach so einem Nacht-Kasperle suchen mußte, ist beim Durst der Einheimischen anzunehmen, daß er nüchtern sein soll. Die Touristen sollen in Scharen angelockt werden, es besteht Überbuchungsgefahr für den kleinen Ort, wenn alle einen Nachtwächter um Mitternacht jodeln hören wollen. Für Extremfälle hat er sogar ein Handy mit, mit dem kann er auf Wunsch verschiedene Gäste anrufen und ihnen den Mitternachtsdudlijöh persönlich über den Handymasten durchgeben. Irgendwie erinnert diese Dramaturgie an die schönen Fotos aus Afghanistan, wo in einer wunderbaren Landschaft völlig zurückgebliebene und für die Presse vertrottelt gemachte Taliban ihre Befehle aus dem Turban heraus mit dem Handy weiter geleitet haben. Die Taliban sind leider vorbei, sie wären eine gute Touristenattraktion gewesen. Aber in unserem Land gibt es jede Menge rückständiger Komparsen, die diesen Part dankbar übernehmen.

Helmuth Schönauer 11/01/02

STICHPUNKT 202

Der beste Laha aller Zeiten!

Alle Tiroler haben irgendwann einmal etwas über den Dalai Lama lesen müssen, weil ein ehemaliger Bergsteiger diesen lebenden Gebirgsgott einst in Tibet ausgebildet hat. Dann mußte der arme Lama flüchten und das Schicksal Tibets ist seither so gewaltig wie das Tirols. Auch Tirol hat seinen Lama, er wird aber Laha genannt, eine Abkürzung für Landeshauptmann. Es ist dies ein nahezu göttlicher Job, ein möglicher Nachfolger hat am Parteitag sogar öffentlich geflennt, er wäre gerne Laha geworden. Und seit wir alle den Euro in Händen halten, wissen wir, daß der Laha wirklich etwas Göttliches ist. ER spricht zu uns, aber hat überhaupt nichts mehr zu sagen, denn Geld, Verkehr und Kriegseinsätze unserer Buam in Afghanistan werden längst in Brüssel entschieden und nie mehr in Andreashoferland Tirol. (Dort werden nur mehr historische Kostümfilme über den Freiheitskampf gedreht.) Der Laha macht aus dieser Situation das Beste, indem er den Posten zweifach ironisiert. Einmal dadurch, daß er zufleiß nicht zurücktritt, sosehr die DaDaas und andere Nachfolger auch mit den Nachfolge-Hufen scharren. Und zum zweiten führt er sein Amt umwerfend grandios aus. Er sagt, daß alles wurst ist, und daß er eigentlich am liebsten bergsteigen geht, aber die besten Touren kann ein Laha eben nur als Laha unternehmen, daher bleibt er. Wenn man die Tiroler fragt, was sie vom gegenwärtigen Landeshauptmann halten, sagen alle, er möge lang bleiben, gesund bleiben und nichts tun, denn so einen guten kriegen wir nie und nimmermehr. Und das stimmt! Tirol erlebt momentan eine Sternstunde nach der anderen, weil niemand mehr Politik macht und so die Geschichte endlich ihren frei gewählten Lauf nehmen kann.

Helmuth Schönauer 04/01/02