Mann und Frau
Fünfundzwanzig Jahre Ehe! - Dieser Stoßseufzer ist Inhaltsangabe und dramaturgische Anleitung für den Roman "Mann und Frau". Erzählt wird aus der Sicht der Frau, der Alltag ist zäh wie die sprichwörtliche Arbeit im Steinbruch des Haushalts, es gibt nichts zum Lachen, nur Staub, der stetig und unsichtbar nachfällt. Der Mann Udi leidet an mysteriösen Krankheiten. Erblindungserscheinungen, Lähmungen, seltsame Gerüche und Apathie lassen das Schlimmste befürchten. In Wirklichkeit ist es eine Kränkung der Seele, Udi traut seiner Frau (sie erzählt) Na’ama nicht mehr, seit es aus seiner Sicht zu einem Beinahe-Seitensprung mit einem Maler gekommen ist. Rache, Unlust und Herrschsucht führen dazu, daß er sich letztlich nur mehr pflegen lassen will. Eine Heilerin der tibetanischen Schule erkennt sofort, was gespielt wird. Bald verliebt sich auch Udi in sie und zieht fort. Andererseits bestätigt auch ein Architekt, daß die Ehe rein wohntechnisch gesehen ein Mist ist, und entwirft Pläne für eine neue Ehe. Letztlich sind die Positionen abgesteckt, Mann und Frau können nur dann weiterleben, wenn sie sich auf ihre eigenen Rollen rückbesinnen und aus der Ehe aussteigen. Dieser Roman ist voll von Anspielungen und Signalen. So explodiert die Frau nicht etwa, weil der Mann genug von ihr hat, sondern weil er gähnt, während er dies sagt. Die Tochter versteckt die Pantoffel, weil sie in einem Traum gesehen hat, daß Vater dann nicht fort kann. Und verschiedene Ausflüge ins Land sind voll von historisch-biblischen Anspielungen zwischen Juda und Israel und ihrer Gefälligkeit vor Gott. Die Ich-Perspektive ergibt zusammen mit dem Erzähl-Präsens eine Eindringlichkeit, als ob der Leser direkt anwesend wäre bei der Vierteljahrhundert-Schlacht um die Ehe. Dieser Roman läßt wahrscheinlich niemanden kalt, auch wenn er nicht im heißen Israel sitzt. Vermutlich gibt es gar kein spannenderes Thema als die lange, lange Schnur der Ehe, die nicht und nicht reißen will, damit der rettende Fallschrirm aufgeht.
Zeruya Shalev: Mann und Frau. Roman. A.d.Hebr. von Mirijam Pressler. Berlin: Berlin Verlag 2001. 399 Seiten. 291,- ATS. € 21,20. ISBN 3-8270-0397-0
Zeruya Shalev, geb. 1959 in Kibbutz Kinneret, lebt in Jerusalem.
Helmuth Schönauer 20/04/01