Wenn die Sonne die Lieblingsfarbe der Kinder hat
So ein Titel läßt sich an Optimismus und Fröhlichkeit kaum noch übertreffen. Sonne, Kinder, Lieblingsfarbe und dazu noch ein Konjunktiv der Realität, das verleiht auch den Geschichten gleich einen hellen Zugang. "Sein Tag verläuft wie ein Behagen." Da haben wir es schon wieder, so heißt der erste Satz der ersten Geschichte "Des Mannes schöner Brauch ist es zu atmen". Erzählt wird von einem beinahe vollkommenen Mann, der in jedem Hafen eine Geliebte hat, dessen Geschlecht majestätisch und jung wie das Meer ist, und der am Abend gelassen sagen kann, ich bin bar jeder Schwere. Aber auch Sachen, die nicht geradeaus laufen, sind kein Grund zum Jammern. "Lustig. Ich komme nicht über die Grenze. Meine Katze ist nicht geimpft." So hätte vermutlich der Landvermesser Josef K. in Franz Kafkas Schloß auftreten müssen, dann wäre er flugs ins Schloß gekommen. Denn auch in Ochsens Geschichte "Im Schatten hat sich noch nicht herumgesprochen, daß die Sonne wieder scheint" läßt sich die Bürokratie durch keine Paradoxie aushebeln, aber der Erzähler versetzt sich einstweilen in die Situation einer fröhlichen Apokalypse und rechnet sich aus, wie er von der Grenze aus dem Hern zujubilieren wird, wenn ein Einlaß nicht möglich ist. Gerhard Ochs knapp dreißig Geschichten sind alle in diesem unverwechselbar optimistischen Stil geschrieben, ohne daß sie sich deshalb von der Gefahr, die Realität einzulullen, irritieren ließen. Es gibt eine Bewältigung jeder Lage, und zwar den erhöhten Erzählstandpunkt - heißt die Faustregel. Nach dieser Methode gelingt es auch dem Leser zuweilen, verfahrene Situationen zu entwirren, einfach weil der Überblick da ist. So haben die Geschichten von Gerhard Ochs alle scheinbar unsichtbar die Lieblingsfarben der Literatur in sich, diese sind Frohsinn und Aufklärung, und sie haben die Kraft der Sonne!
Gerhard Ochs: Wenn die Sonne die Lieblingsfarbe der Kinder hat. Geschichten. Klagenfurt, Wien: Ritter 2001. 77 Seiten. 195,- ATS. 14,17. ISBN 3-85415-293-8
Gerhard Ochs, geb. 1944 in Ettlingen/Karlsruhe, ist Privatlehrer.
Helmuth Schönauer 20/04/01