Sutters Glück

Sterben kann durchaus spannend sein, wenn man sich Zeit dafür nimmt. Adolf Muschgs Roman vom Altwerden, von der Gelassenheit am Ende der Zeit und dem Aufräumen ist von der ersten Seite an ein ansteckendes Lebensmodell, das man als Leser gerne nachahmen möchte, wäre da nicht der Tod als unbarmherziges Ende der Geschichte.

Sutter ist pensionierter Gerichtsreporter, seine Frau hat sich umgebracht, um ihrem Krebsleiden ein Ende zu setzen. Während der Trauerarbeit wird er plötzlich jeden Tag um eine bestimmte Zeit anonym angerufen, und als er schon seinen Tagesablauf nach diesem unheimlichen Anruf ausrichtet, wird er schwer angeschossen.

Knapp mit dem Leben davon gekommen, versucht Sutter nun sein Leben aufzuräumen, denn jemand muß einen Grund haben, um auf ihn zu schießen. Vielleicht liegt die Lösung in einem alten Gerichtsfall, den er als Reporter professionell bearbeitet und unbekümmert veröffentlicht hat.

Aber das Aufräumen entwickelt eine eigene Dynamik, einmal probiert es Sutter vom Keller aus, dann wieder vom Dachboden abwärts, immer sind die Geröllhalden der Erinnerung so gewaltig, daß kein Durchkommen ist. Zwischendurch reflektiert Sutter in seiner Einsamkeit über verlorene Freundschaften, Abzweigungen, an denen er im Leben falsch abgebogen ist, und falsche Wertschätzungen, die ihn letztlich im Kleinkram des Lebens haben untergehen lassen.

Die große Ordnung für den Helden und für den Roman besteht aus dem klasssischen Dreischritt: Die Warnung, Gespenster, Im Hochtal sind die Kapitel überschrieben. In dieser Reihenfolge neigt sich auch das Leben Sutters dem Ende zu. Im Hochtal, quasi in der Nachbarschaft von Nietzsches Gebirgswahn, inszeniert Sutter sein Ende, indem er alle Gedichte vom "Spätboot" über die "eingelegten Ruder" wörtlich nimmt, auf den Gebirgsee hinausfährt und die Urne seiner Frau und sich selbst versenkt. Eine Lebensretterin bricht dem abgetauchten Sutter endgültig das Genick, und sein Gesicht verzieht keine Miene, als die Regentropfen ihn vom Jenseits aus beträufeln.

Ein wunderbares "Spätwerk", das dem Leser tatsächlich die Angst vorm Sterben nehmen kann!

Adolf Muschg: Sutters Glück. Roman. Frankfurt/M: Suhrkamp 2001. 335 Seiten. 291,- ATS. € 21,15. ISBN 3-518-41214-0

Adolf Muschg, geb. 1934 in Zollikon, lebt bei Zürich.

[Helmuth Schönauer 26/02/01]