Gefährliche Stille

Sharon McCone’s neuer Fall betrifft die Privatdetektivin selbst. Einen ganzen September lang, das Jahr ist nicht angegeben, zieht es sich laut Kapitelüberschriften vom Samstag 2. September bis Donnerstag 28. September dahin, bis die notwendige Selbstaufklärung vollzogen ist. Die einzelnen Kapitel werden noch dazu mit genauen Uhrzeitangaben unterlegt, man merkt, daß die Detektivin genau abrechnet und daher ein genaues Protokoll führt. Am Beginn wird die Detektivin vom Tod ihres Vaters verständigt, da sie sich als Freiberuflerin am ehesten freimachen kann und Papiere zu lesen weiß, übernimmt sie gleich den Nachlaß, in dem eine seltsame Urkunde verborgen ist. Es stellt sich heraus, daß sie adoptiert worden ist, nachdem ihre vorgebliche Mutter eine Schwangerschaft vorgeschützt hatte. Während die Asche des Vaters von einem Privatflugzeug aus verstreut wird, wächst in Sharon der Wunsch nach Aufklärung ihres eigenen Schicksals. Die Spur führt direkt ins Reservat der Schoschonen und es ist anzunehmen, daß zumindest ein Elternteil indianischer Herkunft ist. Eine gute Methode, die eigenen Recherchen zu kontrollieren, ist das Hineinhören in sich selbst. Sharon verweilt immer wieder in dieser Trance nach innen und befragt sich selbst, wie sie in anderen Fällen Zeugen befragt. Die romantischsten und entlegensten Gegenden in Montana, Idaho und im Norden Kaliforniens sind in der Folge die nächsten Stationen des Falls, denn mittlwerweile geht es nicht mehr um vertuschte Adoption sondern auch um Mord. In diesem "ethnologischen" Krimi erfährt der Leser eine Menge über die entlegensten Gebiete der USA, und mit der Zeit verändert sich auch der Blick, denn das Koordinatensytem für Recherchen im großstädtischen Scheidungsmilieu versagt vollends am Ende der Welt, wo noch urtümliche Kräfte zu Hause sind.

Marcia Muller: Gefährliche Stille. Roman. A.d.Amerikan.von Cornelia Holfelder. Berlin: Argon 2001. 341 Seiten. 277,- ATS. € 20,18. ISBN 3-87024-539-5

Marcia Muller, geb. 1944 in Detroit, lebt in Nordkalifornien.

Helmuth Schönauer 02/04/01