Mutmaßungen über die Zukunft der Literatur

Drei Essays, dreimal Optimismus, dreimal Abspringen in eine Zukunft mit Sinn! Oft sind es kleine Bücher, die den Tag noch retten können, auch wenn dieser schon ziemlich ausgelaufen ist.

"Mutmaßungen über die Zukunft der Literatur" ist der erste Essay überschrieben und im Untertitel wird die Frage gestellt, ob das Ende des Gutenberg-Zeitalters angebrochen ist. Der Autor verneint und erinnert an die frühen Jäger, die ihre Bestseller-Geschichten als Jagderlebnisse durch die Frühzeit trugen, selbst in Leder eingewickelt wie später Bücher. Das Buch ist nicht nur Information, sondern Kultur. Rezepte mögen sich verändern, aber die Art des Dinierens wird bleiben. Selbst der Boom der Audio-Books unterstützt eher die Tradition des Buch-Lesens, als daß er eine Bedrohung dafür wäre.

Der mittlere Essay "Aus der Nähe" widmet sich der nordamerikanischen Literatur. Siegfried Lenz beschreibt seine Nachkriegs-Sucht nach rororo-Büchlein mit schlechtem Papier und bester Literatur. Eine interessante These lautet: Erst als sich die Nordamerikaner vom "King-Englisch" verabschiedeten, konnnten sie unabhängig werden und eine über alle Maßen starke Literatur entwickeln. Manche Autoren sind für eine Epoche so dominant, daß sie beinahe die Sprache umformen, meint der Autor. Zu seiner Zeit sei es beinahe unmöglich gewesen, nicht wie Hemingway zu schreiben. Oft war die eigene Identität schon dadurch gerettet, daß die Helden wenigstens nicht im Hemingway-Stil sterben mußten.

Der letzte Essay ist der älteste, er ist bereits 1979 entstanden, während die beiden anderen aus dem Jahre 1999 stammen. "Das Kunstwerk als Regierungserklärung" beschäftigt sich mit der Aufgabe des Schriftstellers im modernen Gouvernment. Im Untertitel heißte es: "Etwas über Macht und Phantasie". Die These lautet, daß es eigentlich die Schriftsteller sind, die die Welt verändern und nicht die Revolutionäre. Das erklärt auch, warum Revolutionäre meist den Schriftstellern mißtrauen.

Und alle drei Essays enden in der schönen Zusammenfassung: "Die Erlebnisunterschiede von Revolutionären und Schriftstellern sprechen für sich." (79)

Siegfried Lenz: Mutmaßungen über die Zukunft der Literatur. Drei Essays. Hamburg: Hoffmann und Campe 2001. 79 Seiten. 146,- ATS. € 10,00. ISBN 3-455-04283-X

Siegfried Lenz, geb. 1926 in Lyck, lebt in Hamburg.

[Helmuth Schönauer 06/03/01]