Anita Garibaldi
Anita Garibaldi war die Frau und Mitkämpferin des italienischen Einigers und Freiheitshelden Giuseppe Garibaldi. Wie so oft in der männlichen Geschichtsschreibung tut man sich in der Öffentlichkeit schwer mit den Frauen der Helden, meistens wird posthum ein sogenanntes "Gattinnen-Programm" festgelegt und beschrieben.
Für Gloria Kaiser, die eine ausgewiesene Spezialistin für brasilianische Geschichte und Kultur ist, ist das Leben Anita Garibaldis Grund genug, einen kompakten Roman über ihre Abenteuer in Brasilien und Italien zu schreiben. Immerhin verließ Anita mitten im Wohlstand ihren damaligen Mann in Rio und zog mit dem Abenteurer und Freischärler Guiseppe Garibaldi zuerst durch Brasilien und später nach Italien. 1949 starb Anita Garibaldi im Alter von 21 Jahren in der Nähe von Ravenna.
Das Balancespiel bei historischen Romanen, nämlich zwischen Erfindung und gesichertem Fakt ohne Verklemmung durchzuwedeln, ist geglückt. Und auch sonst hat Gloria Kaisers Roman mehrere Vorzüge aufzuweisen: Er beleuchtet die Geschichte von einem neuen Sockel aus, er geht den Mythenbildungen nach und testet, ob männliche Rituale nicht durch eine weibliche Sicht normalisiert und entzaubert werden können, und er berichtet viele Neuigkeiten, indem er eine neue Auswahl aus dem historischen Fakten-Sack trifft. Und ein aufregendes Leben mit brasilianischem Prunk, Verzicht, Liebe, Kampf auf mehreren Kontinenten unter der Fahne großer Lebensziele bringt den Roman ohnehin beinahe wie von selbst in Schwung.
In einem umfangreichen Nachwort sind die historischen Gegebenheiten und wichtigsten Schachzüge beschrieben. Besonders auffallend ist die Tatsache, daß man die dunkelhäutige Kreolin Anita in den europäischen Helden-Schminkstudios immer mit heller Haut abgebildet hat. Kurzum, Anita Garibaldi liefert den Stoff, aus dem aufregende Heldinnen sind.
Gloria Kaiser: Anita Garibaldi. Roman. Innsbruck: Haxmon 2001. 271 Seiten. 291,- ATS. 21,20. ISBN 3-85218-347-2
Gloria Kaiser, geb. 1950, lebt in Graz und Salvador/Brasilien.
[Helmuth Schönauer 03/03/01]