Helmuth Schönauer
Geschichten vom Mitterweg
Der Mitterweg
ist ausweglos!
15.
[Wartehäuschen am Mitterweg]
- Der da drüben hat ein
typisches Bergsteigergesicht.
- Ja aber nur von der
Seite, von vorne schaut er wie aus das Pfrimes Köpfl.
- Gehns,
das Pfrimes Köpfl ist doch
kein Berg.
- Aber es hat die Konturen
eines Bergs und jetzt fährt wieder die Muttereralmbahn,
da kommt man total billig unter die Nase des Pfriemes Köpfl.
- Trotzdem hat es kein
Gesicht, nein, ein typisches Berggesicht haben meistens die Pitztaler.
- Hör mir auf mit dem Pitztal, da hatte ich einen schweren Unfall, ich sage nur
eines: Bergeschere!
- Ja und wie wir drinnen
waren, war gerade die Katastrophe von Kaprun, da haben sie den Pitzexpress eingestellt.
- Neben uns wohnen zwei Pitztaler, er und sie aus dem Pitztal,
Inzucht pur!
- Und die Kinder?
- Alles Pitztaler, obwohl sie in der Stadt auf die Welt gekommen
sind.
- Ja das sagt mein Mann
auch immer, man sieht es ihnen schon am Gesicht an, dass sie Pitztaler sind.
- Sage ich ja.
- Aber der eine
Schifahrer, den sie im Winter immer herzeigen, der hat auch ein Pitztalgesicht.
- Im Sommer werden Sie
kaum einen Schifahrer sehen, nicht einmal im Fernsehen.
- Doch, auf dem Gletscher.
- Bitte wer geht im Sommer
auf den Gletscher.
- Ist aber trotzdem
sympathisch, das Schifahrergesicht.
- Wer sagt, dass Pitztaler nicht sympathisch sein können?
- Na die Innsbrucker sind
sicher unsympathischer.
- Da haben Sie Recht,
schauen Sie sich hier um, alles irgendwie unsympathische Gesichter.
- Dabei haben wir hier
noch Glück, weil wir am Mitterweg sind.
- Da sind noch eher die
Besseren daheim, weil die Grundstücke so teuer sind.
- Wenigstens ein gewisses
Niveau, das soll schon sein, wir haben jetzt eine Wohnung am Mitterweg genommen, weil sie so teuer ist.
- Ja beim Wohnen soll man
nicht sparen!
- Wir haben unser Haus in
Götzens verkauft und sind in den Mitterweg gezogen,
weil das jetzt einfach trendy ist.
- Unsere Kinder werden
auch immer mit großen Augen angestarrt, wenn sie sagen, dass sie vom Mitterweg sind.
- Mit einer Wohnung am
richtigen Ort, kann man eine ganze Generation glücklich machen und die nächste
dazu.
- Und den Opa im Malfattiheim, wenn der sagt, er kommt aus dem Mitterweg, schieben sie ihn sofort in den Hofgarten zu den Eichkatzeln, die er so gerne hat.
- Das Klima hier ist
wunderbar, ich meine das menschliche Klima.
- Ja menschlich, sonst ist
es nicht so mild wie in Meran, aber auch nicht so
wild wie in Telfs, wir waren ein paar Jahre in Telfs, aber das Klima dort ist wild.
- Auch das Menschliche?
- Gerade das Menschliche,
wenn ich das mit dem Mitterweg vergleiche. Ich habe
nicht das Gefühl, dass ich hier verrotten könnte. Wenn ich am Mitterweg einen Schlaganfall habe, werde ich sofort
gerettet, weil sich einfach alle um einen kümmern.
- Und selbst wenn du
stirbst, wirst du sofort gefunden und anständig aufgebahrt, das könnte nie
passieren, dass du am Mitterweg eine Woche lang vor
dem Fernseher sitzen musst als Leiche.
- Stellen Sie sich vor,
bei diesem miesen Fernsehprogramm eine ganze Woche sitzen müssen und langsam
verwesen. So einen Abgang möchte ich nicht haben.
- Da lohnt es sich, in
eine gute Gegend zu ziehen, man kann es nicht oft genug sagen.
- Sie nehmen das
Fernsehprogramm immer aus der Tete?
- Manchmal aus der Tete,
und dann wieder aus der Neuen.
- Die Neue, ist Ihnen die
nicht manchmal zu niveaulos?
- Die Welt ist niveaulos,
nicht die Zeitung. Die Neue schreibt nur, was in den niedrigen Schichten
wirklich passiert.
- Ja stimmt eh, obwohl mir
diese permanenten Erektionsgeschichten ziemlich auf den Sack gehen.
- Na dann müssens halt auf die Tete ausweichen, die hat immer ein
bestimmtes Niveau.
- Das Fernsehen ist auch
nimmer das, was uns früher so gefreut hat.
- Seit Moik
nimmer mag, spürt man den Einbruch. Von der Bühne ins Koma, so einen Abgang hat
der gemacht.
- Das blöde beim Koma ist,
dass man nicht mehrt, wann man eines hat.
- Man sagt ja, dass an
manchen Tagen die halbe Bevölkerung im Koma ist.
- Ah jetzt kommt der Bus!
- Ja jetzt kommt der Bus!
- Ja der ist ziemlich
pünktlich heute.
- Ja ziemlich pünktlich,
obwohl die früheren O-Busse noch pünktlicher waren.
- Hauptsache, die Busse
fahren irgendwann, das ist schon viel bei dieser Stadt.
- Worauf sie einen fahren
lassen können. Hahaha. Einen Bus natürlich!
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten vom Mitterweg)
14.
Wo wohnt eigentlich der so
genannte kleine Mann, wenn er nicht gerade bei der FPÖ in einer Rede auftreten
muss? - Natürlich am Mitterweg. Der so genannte
kleine Mann, abgekürzt SOKM, sucht nämlich die Nähe der Intelligenz, die er
meist als Zwischenwirt aufsucht, ehe er zum echten Wirten geht.
Denn die Intelligenz,
vornehmlich jene, die am Mitterweg wohnt, hat an
manchen Tagen einen Aussetzer und spielt sich als kleiner Mann auf.
Da
kann es gerade bei Föhnlage passieren, dass du einen SOKM nach dem anderen
triffst. Na, selber ist man ja auch als intelligenter Schriftsteller nicht
davor gefeit, ein echtes Arschloch zu sein, man spricht ziemlich intelligent
mit den kleinen Männern und ist in Wirklichkeit der größte kleine Mann. Gerade
der Mitterweg lebt von solch diffusen Rollenvergaben,
das macht ihn so aufregend. Deshalb ziehen ja alle, die es sich leisten können,
an den Mitterweg, und sei es auch nur in der vagen
Hoffnung, zwischendurch für ein paar Stunden ein volles Arschloch sein zu
dürfen.
„Afterschock“ – titelt
Newsweek für eine andere Story, aber dieser Titel passt natürlich haargenau auf
den Mitterweg
Von meinem gestrigen
schriftstellerischen Auslauf den Mitterweg hinauf und
hinunter habe ich zwei ungefragte Kommentare zweier kleiner Männer mitgebracht.
Der eine sagte in etwa:
„Ich könnte diesem
Arschloch von Finanzminister eine in die Gosche hauen, und er würde immer noch
grinsen. Der schaut aus wie ein kleiner Bub, der voll in die Hose geschissen
hat und dennoch behauptet, er habe die schönste Unterhose der Welt zwischen den
Beinen.“ Ich habe mir als Heimatschriftsteller vom Mitterweg
sofort das Wort Finanz-ALO, also Finanzarschloch,
notiert, denn ohne diesen wertvollen Begriff möchte ich fortan nicht mehr leben
wollen.
Der andere sagte in etwa:
„Ich Trottel habe gerade
einen so genannten Professionistenauftritt der Kleinwirtschaft hinter mir, habe
mir nämlich in der ehemaligen BUWOG eine Elektroleitung verlegen lassen. Und
was war? Die sind zu zweit gekommen, haben sich voll angesoffen und einen
vollen Arbeitstag verrechnet, obwohl sie vielleicht eine Stunde an der Leitung
gearbeitet haben. Das hat man davon, wenn man es nicht im Pfusch macht.“
Diese beiden Kommentare
haben sicher etwas miteinander zu tun, sonst wären sie nicht so knapp
hintereinander öffentlich produziert worden. Am Mitterweg
herrscht nämlich Sinnpflicht und alles hat seinen Sinn.
Es wird wahrscheinlich
mein aufregendes Bibliotheksgesicht ausmachen, dass mir alle Menschen
unaufgefordert die besten Kommentare zur Lage der Welt erzählen. Vermutlich bin
ich deshalb ein ziemlich wichtiger Mensch am Mitterweg,
wie wohl in dieser Gegend nur wichtige Leute wohnen.
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten vom Mitterweg)
13.
Was für ein Wrack! Je
intellektueller ein Viertel besiedelt ist, desto heftiger fallen die darin
aufgestellten Denkmäler aus. In klug angelegten Gegenden wie dem Mitterweg überlegt man es sich dreimal, ein Denkmal
aufzustellen, ehe eines aufgestellt wird. Vor allem die Sockelfrage wird oft
über Jahre diskutiert. Braucht es einen Sockel, soll er in den Hintergrund
treten, was machen die Hunde damit, schiffen sie ans Denkmal oder bloß an den
Sockel, wie kriegen wir das Denkmal wieder weg, wenn es ausgeschissen hat,
sprich, nicht mehr sinnvoll erscheint?
Kluge Denkmäler haben
heutzutage einen reflexiven Chip integriert, womit sie ihre jeweiligen Sinnhaftigkeiten täglich abscannen und an die zentrale
Datenbank für Denkmäler übermitteln.
Immer wieder kommt es zu
Fehlalarmen, die Denkmalkommission rückt aus und löscht das Denkmal, das im
Vollbrand seiner Sinnkrise steht.
Ideal sind natürlich
Denkmäler, die permanent Sinn verströmen, indem sie aktuell sind. Ein Wrack
erfüllt diese Vorgaben am ehesten. Hunde schiffen glatt daneben, wenn sie ein
Wrack anschiffen wollen in der Meinung, es handle sich um ein Denkmal.
Genau vor dem
Studentenwohnheim hat ein hoher Geist vor Monaten ein Wrack aufgestellt, die
Grundstruktur ist offen, von einem ehemaligen Fiat Punto
ist die Rede, manche tippen auf einen Skoda. Es ist eben noch nicht lange genug
her, dass es Wracks dieser Art in der Moderne gibt, so dass die Eindeutigkeit
der Stilzuordnung zu wünschen läßt.
Die Hunde pissen dieses
Denkmal nicht an, weil sie es für ein intaktes Auto halten, zweimal sind Fahrradmenschen
in die aufgeklappte Tür gestürzt, so ein Denkmal breitet sich unerwartet aus.
Langsam spricht es sich
bis zum Magistrat durch, dass am Mitterweg ein neues
Kunstwerk steht, kostengünstig, jetzt wo gerade die Kunsthalle abmontiert wird,
ein besonders Zeichen der Sparsamkeit.
Ein
Autogott hat über Nacht dem Mitterweg alles
geschenkt, was er bislang so vermisst hat: ein Kunstwerk, das der Intelligenz
seiner Anwohner entspricht.
Vom Studentenheim
ausgehend setzt sich ein Ruf in Bewegung, vom Campus strömen am Nachmittag
jeweils Studenten mit ihren Professoren zum Wrack, um sich einen gewissen Sinn
hineinzuziehen.
Zwischendurch bummst es, wenn wieder ein Radfahrer in die Tür fliegt, die
der Professor aufgeklappt hat, auch hier eine Fußnote suchend. Drei Pedale!
Drei Pedale! Das Kunstwerk ist perfekt. Dieser beschissene Mitterweg,
der auf zwei Kilometer Länge nie weiß, zu welchem Ende man ihn in diese Höttinger Au asphaltiert hat, dieser Mitterweg
hat auf Nummer dreizehn vor dem Studentenheim einen seiner zeitlosen
Höhepunkte: Ein Wrack, das urbi und orbi entspricht!
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten vom Mitterweg)
12.
Die Intelligenz ist zwar
eine sehr fugitive Angelegenheit, irgendwann aber hat
selbst die intelligenteste Intelligenz genug vom bloßen Dasein und will eine
Wohnung. Na, und wo kriegt man eine Wohnung? - Natürlich am Mitterweg.
Da war noch der Vorvorbürgermeister am Werk, da hat dieser eingespeichelt
und gesagt: „Wir können die Intelligenz nicht auf den Bäumen droben lassen, wir
müssen sie herunterholen und Wohnungen bauen, damit sie sich vermehrt und da
bleibt in der Stadt.“
Auf diese logische
Erkenntnis geht der aktuelle Bebauungsplan des Mitterwegs
zurück, ursprünglich wollte man hier mit einer Spenglerei und einem
Trafohäuschen einen Gewerbepark inszenieren, aber das mit den Wohnungen ist
eindeutig die bessere Lösung. Wer sich eine Wohnung am Mitterweg
kauft, schaut nicht so sehr auf die Wohnung als auf die Umgebung. Im
Stundentakt läutet es bei alteingesessenen Mitterweglern
und es stellen sich die seltsamsten Leute vor alle mit der gleichen Parole:
„Grüßgott, Sie sind sehr
intelligent, ich will mir hier eine Wohnung kaufen und zuvor intelligente
Menschen anschauen, weil das in Tirol sehr selten ist!“
Als intelligenter Mensch
weiß jeder hier am Mitterweg, daß man Intelligenz zwar nicht messen aber fühlen
kann. Es ist dieses große Gefühl, hier am Mitterweg
zu wohnen, das letztlich alle Menschen in diesem Straßenzug aufbaut und
antörnt. Die alten Siedler begrüßen die neuen auf das heftigste, wenn das große
Gefühl passt. Und das passt eigentlich immer, denn wenn jemand sich
entschließt, freiwillig an den Mitterweg zu siedeln,
muss es sich um eine große Sache handeln und er fähig sein für wirklich groß
gefühlte Intelligenz.
Inzwischen haben die
Baufirmen ihre Kräne hochgezogen, sehr moderat, damit die Käufer nicht
erschrecken. „Der Kran wirkt höher als er ist, weil er solo steht!“ sagt der
Bauleiter, der mit dem schlechten Image von Kränen zu kämpfen hat. „Es ist wie
am Flughafen, die Flugzeuge wirken leiser, als sie es sind.“ Diese Meldung ist
eigentlich kontraproduktiv, denn wer will schon laute Flugzeuge über seine
Wohnung zischen hören, andererseits ist das Argument sehr intelligent und als
solches gut geeignet für Wohnungskäufer dieser erlesenen Gegend. Jeder gute
Bauleiter ist übrigens auch ein begeisterter Hobbyflieger, weshalb sich alle
Baufirmen darum reißen, in Flughafennähe etwas hochzuziehen, nicht zu hoch,
damit man als Hobbyflieger noch Landungen durchführen kann, aber doch so hoch,
dass es sich darin mit einer guten Höhe leben lässt.
Das Modell ‚Besiedlung des
Mitterwegs durch Intelligenz‘ ist naturgemäß ein
Pilotprojekt. Es ist noch nicht klar, welches Limit eher erreicht wird, jenes,
dass die Wohnungen ausgehen oder dieses, dass die Intelligenz ausgeht.
Wohnungen kann man jederzeit bauen, mit der Produktion von Intelligenz klappt
es jedoch nicht immer, vor allem in Tirol ist diese sehr schwierig.
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten vom Mitterweg)
11.
Die Lebensgefahr, die am Mitterweg generell herrscht, zieht sich von der Nummer eins
bis zur letzten Nummer, sagen wir einmal vierhundert-etwas,
dahin. Das Ende liegt dann schon im Gemeindegebiet Völs
und das letzte Haus stellt sich bei genauerer Begutachtung sicher als ein
geheimes Puff heraus, weil die Puffs immer die höchsten Hausnummern haben in
dieser Weltalpenstadt. Wieder einmal gilt das reziproke Gesetz, das diese Stadt
beherrscht: je Höher die Hausnummer, umso niedriger das Ansehen.
Und was ein echter Mitterweg ist, beginnt gleich bei der Hausnummer eins mit
der Gefahrenstufe eins. Der „Mäck“ hat sich hier auf
tirolerisch eingenistet und sauber auf die Umwelt Rücksicht genommen. Gut
hundert Tage hat er an seinen Bauplänen herumgenagelt und immer wieder eine
Scheibe Cheese ins Fundament geworfen. Letzen Endes
konnte pressetauglich ein wertvoller Kirschbaum gerettet werden. Die Grünen
sind mit perplexer Erektion wochenlang am Ufer auf und ab spaziert und haben
sich beim geretteten Kirschbaum einen heruntergeholt, der Gerettete ist zwar am
Stamm völlig durchgefault aber dennoch eine Ökowucht.
Das ist Gefahrenstufe
eins! Ein einziger Hund mit seiner scharfen Schiffe vermag dieses zernagte
Denkmal bereits zu Fall zu bringen, vom Wind gar nicht zu reden, der gerade bei
der Hausnummer eins immer einen ungezügelten Anlauf nimmt, um schließlich wie
ein nasser Furz gegen Westen zu zischen, im Vollgas durch den Mitterweg.
Aber wer glaubt, er
entgeht der Gefahr, indem er den Kischbaum hinterm „Mäck“
einfach meidet, gerät in die noch größere Gefahr vor dem „Mäck“.
Hier ist wirklich Todes- und Lebensgefahr in einem angesagt.
Drive in und drive out sind megagefährliche Aktionen. Die Automobilisten
haben keinen Blick für die Verkehrslage, wer gerade zufällig am Gehweg
unterwegs ist, wird niedergefahren wie ein Fleischkäs
aus der Stadtmitte. Flopp oder so ähnlich, ein Top-Fleischkäs geht übrigens mit dem Seufzer „Zach!“ in die
Inkontinenz der Konsistenz über.
Die Einfahrenden packt der
Hunger nach einem „Mäck“ auf perverse Weise. Aus den
Mäulern rinnt literweise der Geifer, der auch notwendig ist, um später diese „Mäck“ einzuspeicheln und hinunterzuwürgen. Zu diesen
Verdauungssäften gesellen sich sogenannte Augentrenzen und trüben jeden Blick für den Verkehr.
Als Passant springst du zwischen
Fahrbahn und Gebüsch hin und her, um einem einfahrenden Fressfreier zu
entgehen, dem die Lust jede Aufmerksamkeit für dich verschlossen hat. Und brems-quietsch-sprint musst du noch auf den ausfahrenden
achten, der gerade in den „Mäck“ beißt, das Öl vom
Hamburger spritzt ihm in beide Augen und er ist spontan blind, aber er drivet hinaus aus dem „Mäck“ und
fährt alles nieder, bis der erste Bissen im Magen drunten ist. Das dauert, wenn
der Hamburger in der Speiseröhre klemmt, die Sinnesorgane lassen aus und das
Gaspedal bleibt stecken. Du sprintest um dein Leben zwischen Kirschbaum und
Drivern, der Mitterweg ist bereits an seinem ersten
Haus eine Ungeheuerlichkeit.
Wer es schafft, den „Mäck“ lebend zu überstehen, kann als intelligent angesehen
werden, weshalb später ab der Hausnummer drei nur noch intelligente Menschen am
Mitterweg unterwegs sind, um zu flanieren oder
einfach nur ein Stück Scheiße anzuschauen.
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten
vom Mitterweg)
10.
Zwischendurch
kann ein Unfall glatt so etwas wie Erlösung bedeuten. Es gibt genau diese Tage,
da bettelt am Mitterweg alles nach einem ordentlichen
Kläscher.
- Bittebitte, laß es tuschen, sagt der Asphalt und glotzt dreißig mal umgegraben ins Weltall.
Wenn sich Höttinger-Au-Bewohner unbeobachtet fühlen, legen sie sich
zwischendurch auf den völlig von der Rolle gekommenen Asphalt und blicken in
den Weltraum.
Tatsächlich
reisen sogar aus Chile zweimal im Jahr Astronomen an, die beim klaren Blick
durch ihr klares Fernrohr in den Anden eine sogenannte
Klar-Kotze in den Augen bekommen haben. Diese armen Beobachtungskreaturen legen
sich am Mitterweg ganz offiziell auf den Boden und
blicken durch die Dunstglocke des Daseins ins Weltall. Was für ein Blick! Erst
wer aus der Scheiße heraus blickt, blickt in die Klarheit!
Und der Mitterweg ist berühmt für seinen klaren Blick, es gibt
sogar Postkarten davon.
An so einem
Tag, wo das Weltall wie eine frisch defäkierte Kulturwurst zum Greifen nah ist,
bringt einzig und allein ein Unfall wieder Ordnung in die heftige Verklumpung
der Atmosphäre.
Also das
Geräusch ist bemerkenswert edel, eine Kleinvespa
fetzt in einen Fiat, da ist Italien ganz nah. Den Vesperianer
haut es auf den berüchtigten Mitterweg-Asphalt, er
schaut aber nicht ins Weltall sondern steht mit einer Abrollbwegung
wieder auf. Die Leute reiben sich die Augen, ist der jetzt gestürzt oder hat er
sich nur abgerollt?
Doch doch, die Vespa liegt an der Gehsteigkante vor dem
Porsche-Areal und jault, sie ist sehr erschrocken. Es gilt als Unfall, man kann
es als Kläscher durchgehen lassen, auch wenn nichts
passiert ist.
Uff, da war
kurze Aufregung im Spiel, die Leute vom Mitterweg
haben ihre Aufregungshormone auf einen niedrigen Level eingestellt, ein kleiner
Hundsgagel kann sie schon aus der Reihe bringen,
manche steigen zuerst ins Kotringerl und werfen sich
dann hin, als ob sie ausgerutscht wären. Das ist der Aufregungspegel, sehr
niedrig, wie gesagt.
Kaum sind die
Nerven wieder in die vorgesehenen Schatullen eingepackt, da gibt es wieder
dieses Geräusch, Mofa unbekannter Herkunft fetzt in einen Golf, der sich gerade
beim Porsche-Areal tüven lassen will. Auch dieses Mal
ist nichts passiert, das kann doch gar nicht wahr sein. So ein Glück gibt es
nur am Mitterweg. Der HTL-Schüler-Pilot bleibt etwas
länger liegen als sein Vorläufer, er schaut aus dem Vollvisierhelm heraus kurz
ins Weltall, überlegt, ob er nicht bewußtlos werden
soll. Aber dann sieht er den Asphalt vom Mitterweg,
das Leben ist zum Greifen schön. Er greift in den Asphalt, der ausgesprochen gut
situierte Greiflöcher hat, auch Brustwarzen gibts im
Asphalt, jede Menge. Ja das ist es eigentlich. Nichts geschieht ohne Sinn,
nichts passiert, selbst die Unfälle sind nur Andeutungen.
Der Mitterweg ist ausweglos!
(Geschichten
vom Mitterweg)
9.
Zuerst glaubt
man, dieser Golf sei ferngesteuert und niemand sitzt drin. Das denkt sich auch
der Lenker des Klein-LKW und schneidet ein bißchen den Vorrang, 'Masse vor Ohnmacht' könnte man mit
Elias Canetti sagen.
Huch!, da wird vom Golf heraus gehupt und ein Faust hoch
gestreckt, daß es alle am Gehsteig sehen, daß hier großes Unrecht geschehen ist an der Abzweigung Mitterweg-Exlgasse. Eine kleine Frau sitzt im Golf, jetzt,
wo alle hinschauen, sehen sie alle, und sie wird sich in der Erregung
vermutlich ein wenig aufgerichtet haben, hat eine richtige Sitz-Erektion, und
der Blick ist knallgiftig, der da unter der Sonnenblende heraus züngelt.
-
Wahrscheinlich haben mich noch nicht alle gesehen, denkt sich die Frau. Und
wenn, dann haben sie nicht mitgekriegt, daß ich mich
ärgere über das Unrecht, das mir geschehen ist.
Also fährt sie
stracks auf den Gehsteig und zwingt ein paar Passanten zu einem Sprung hinter
die Blumentröge, die das Porsche-Center vom trivialen Fußgängerverkehr
schützen.
- So, also
diese herum streunenden Gaffer-Schweine haben es jetzt begriffen! denkt sich
die gekränkte Frau und hat zu tun, den Golf wieder vom Gehsteig herunter zu
kriegen, wiewohl das Porsche-Center mehr Golfs in der Reparatur hat als
Porsches.
Vom Aufwand
her wäre es angemessen gewesen, mit dem Golf noch in ein paar Tröge zu tuschen
und etwas Blech zu zerknittern an der Vorhaut des Golfs. Man sollte es öfter
tuschen lassen, wenn die Erregung da ist. Es befreit und zwingt einen nicht zu
Schlaganfällen wie die Königin-Schwester Margaret, die heute endlich gestorben
ist. Der ganze Stadtteil redet nur davon, daß die im
Rollstuhl sitzende Margaret liegend gestorben ist, eine Weltnachricht, die auch
in den Weltnachrichten ursprünglich gesendet worden ist, ehe sie dann den Weg
in die Höttinger Au gefunden hat, wo sie jetzt heftig
diskutiert wird.
Soviel zur
Erregung.
Aber es geht
auch darum, die Erregung wieder herunter zu kriegen vom Ständer, wie das so
schön heißt. Deshalb fährt die erregte Frau auch vom Gehsteig herunter, noch
ehe ein satter Masten für die Oberleitung des
"R" zum Anrummsen im Weg stünde. Und noch
schneller verebbt die Erregung bei den People der Höttinger
Au, die diskutieren tatsächlich schon über Schlaganfälle in Königshäusern und
die schweren Nachteile für das Zeugen von Erbfolgern und Erbfolgerinnen. Die Höttinger Au ist einerseits berühmt für ihre Erregungen,
andererseits aber auch professionell im Abschwellen von aufgegeilten
Erregungsteilen. Manche Teile des Mitterwegs sind so
abgeschlafft, daß sie schon wieder einen
spezielle Art der Erregung darstellen.
Der Mitterweg ist ausweglos!
(Geschichten
vom Mitterweg)
8.
Zuerst ist da
nur der scharfe Morgenwind, steinkalt und kieselspitz, der den ganzen Mitterweg von Osten herauf weht, und im fetten Ölgeruch ist
eindeutig Kotze dabei. Du siehst vier Hubschrauber sich überm Mittterweg stapeln, sie warten alle auf die Landeplattform
für Klinik-Notfälle, und der Mitterweg ist der ideale
Stapelraum für solche Notfälle. Die Funkverbindung ist wegen der gigantischen
Mastendichte ideal, und sollte es einmal einem Piloten ein Rotorblatt davon wixen, kann er immer noch beim Parkplatz des Merkur eine Notasfaltierung machen, erfahrungsgemäß schremmt
es die Asfaltdecken ziemlich auf, wenn ein Pilot
darin seine Rotorblätter abkratzen läßt. Es ist so
etwas wie Neujahrstag, denn es rennen viele angekotzte Gesichter durch die
Gegend, die immer drei, vier Kotzschübe zusammenkommen lassen, ehe sie sich mit
einer schwachen Handbewegung einmal den ausgemergelten Mund abwischen.
Und der Boden
ist gepflastert mit den Kiachl-großen Kotzscheiben,
die wie ein Kreativ-Spiel zur Selbsterfahrung in das Pflaster gegossen sind.
Während Jungmanager mit Burnout-Syndrom um ein
Schweinegeld über glühende Kohlen "stronzen",
können am Mitterweg vollfette Ex-Proletarier durch
die Kotze springen und davon träumen, wie früher beim Konsum noch alles günstig
gewesen ist.
Obwohl am Mitterweg jeden Tag ein Postsylvestergefühl aufkommt, weil
die Menschen hier meist einen frisch explodierten Ladykracher im Gesicht tragen
und euphemistisch "Nanni" dazu sagen, ist natürlich so wie überall
auf der Welt nur einmal und heute Neujahrstag. Der Mitterweg
ist Teil von dieser Welt und ein Welt-Weg, der spielend mit den großen
Desaster-Boulevards dieses Kontinents mithalten kann.
Aber erst im
Luftraum überm Mitterweg spielt es sich ab. Aus den
Tälern werden die frisch zirrhotisierten Leberkranken
der Neujahrsnacht in die Klinik geflogen, wo man im Zehnerpack Lebern
transplantiert.
Seit es
gelungen ist, die Schweinslebern für den Tiroler verträglich zu machen, wird
hier am Fließband transplantiert. Korrekterweise ist ja der Tiroler der
Schweinsleber angepaßt worden, da dies leichter geht
als umgekehrt. Wie überhaupt der Tiroler das angepaßteste
Tier der Alpen ist, sonst wäre er entlang der Autobahnen beispielsweise schon
längst an Verauspuffung eingegangen und ausgestorben.
Dieser Tag
löst sich wie alle des Jahres mit einer Lockerheit auf, die diesen luftigen Mitterweg auszeichnet. Die Helikopter landen einzeln und
verzupfen sich, die Kehrmaschine der Stadt taucht kurz vor Betriebsschluß
der Kommunalbetriebe noch einmal kurz auf, und kehrt die Kotze beiseite.
Eigentlich wird sie nur mit zwei Scheibenbürsten verquirlt, was egal ist, denn
frische Kotze kommt am Mitterweg jede Nacht hinzu.
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten
vom Mitterweg)
7.
Die Aura vom Mitterweg ist dermaßen prägend, daß
Menschen oft nach Jahren der Letztkontamination damit
noch scheinbar grundlos in einen aufgeregt schlechten Zusand
geraten und diesen richtigerweise auf den Mitterweg
zurückführen. Andererseits gibt es Unglücke, bei denen es ziemlich leicht ist,
eine Verbindung zum Mitterweg herzustellen.
Im
Landestheater etwa wird Hamlet gegeben, was an sich schon eine Sensation ist, -
ein Weltstück auf der Provinzbühne! Gerüchtehalber
soll die Drehbühne eingesetzt werden, um den Schädel umzudrehen, wenn die sehr
sinnigen Worte fallen: "Sein oder Nichtsein!" In der Provinzfassung
sagt der Schauspieler, während der Schädel hydraulisch umgedreht wird:
"Tirolersein oder Nichtsein!"
Standing-Ovations werden erwartet, Schnittblumen stehen gut abgetropft im
Applauskübel, wenn die Provinzfreude über diese aktuelle Inszenierung
ausbricht.
Noch ist es
nicht soweit, ein kleines Mitterweg-Unglück ist
fällig. Bei vollem Bewußtsein und in Vorfreude auf
Hamlet fährt eine Frau mit dem Kleinwagen ungebremst in einen Poller, der die
Behindertenzone vom restlichen Theaterplatz abtrennen soll. Die Trennung
gelingt, dem Kleinwagen reißt es den rechten Kotflügel weg, während er wie von einem
Bremsfallschirm zurückgerissen in den theatralischen Stillstand fällt. Zwei
Frauen, für Hamlet schwarz eingekleidet, entsteigen dem Kleinwagen und besehen
sich die Schäden am Poller, Kotflügel und am Abend überhaupt.
- Das letzte
Mal bin ich am Mitterweg vor der Sparkasse in einen
Poller getuscht, sagt die Beifahrerin.
Die Lenkerin
findet sich durch diesen Satz getröstet in der Realität wieder, klaubt den
abgerissenen Kotflügel zusammen und trägt Sorge, daß
das Theaterkleid nicht mit dem Schmutz des treffend als Kotflügel bezeichneten
Bleches zusammen kommt.
Beide sind
leicht irritiert, als sie den Kleinwagen abermals einparken, aber nicht so sehr
wegen des Pollers, der quasi unbeleuchtet ins Auto gerannt ist, sondern
darüber, daß so ein läppisches Unglück auch außerhalb
des Mitterwegs geschehen kann.
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten
vom Mitterweg)
6.
Bei dieser
ungeheuren Länge des Mitterweges machen selbst so
simple Dinge wie Kanal und Stromversorgung große Schwierigkeiten. Im Kanal sind
es vor allem die gekrümmten Würste, die besonders gerne von den BUWOG-Bewohnern ganz draußen im Westend
auf die Reise in die Rossau geschickt werden. Diese
pragmatisierten Trümmer sorgen ständig für Unruhe im Kanal. Die Beamten nämlich
sind an und für sich für gekrümmte Sachen zuständig und haben einen gekrümmten
Rücken, der sich in der Ausscheidung fortsetzt. Und die Verdauung eines Beamten
setzt sich genetisch bei den Kindern fort, kein Wunder also, wenn in einem
vierköpfigen Lehrerhaushalt mindestens drei Personen täglich gekrümmte Würste
absetzen und die lange Gerade des Mitterwegs
unterirdisch herausfordern.
Aber auch der
Strom bricht immer wieder zusammen, weil er ja in eine Spule eines
Staubsaugermotors oder Glühbirne will, niemals aber in eine Gerade eines Mitterwegkabels. Das erklärt, warum es auf dem Mitterweg zwei Trafo-Häuschen gibt, Trafo-Ost und
Trafo-West. In diesen Trafo-Häuschen wird der schlaffe Strom so lange
gepeitscht, bis er wieder weitergeht. Das Summen von Trafo-Häuschen erinnert
daher stark an das Peitschen von Pädagogen.
Wer sich ein
Taxi in den Mitterweg bestellt, kann als Treffpunkt
entweder den aufgerissenen Kanal oder eines der beiden Trafo-Häuschen angeben.
- Die Trafo-Häuschen sind verläßlicher, weil sie
immerhin ortsfest sind, während das aufgerissene Loch zur Entrümpelung des
Kanals ständig von West nach Ost wandert und wieder zurück, mindestens zweimal
im Jahr. Vielleicht hängt die jeweilige Verstopfung auch mit der Einführung der
Sommerzeit zusammen, am Mitterweg ist alles möglich.
Manchmal
suchen Taxilenker in der Länge des Mitterweges so
lange nach einem Anhaltspunkt, bis ihre Lizenz verlöscht ist wie ein Akku und
sie unverrichteter Dinge wieder hinausrollen müssen aus der Höttinger
Au, stracks zur Gewerbebehörde, um die Lizenz nachzuspannen. Ohne Lizenz ist
der Mitterweg übrigens lebensgefährlich, dieser
Zustand entspricht vom Gefahrenpotential her einem aufgedunsenen Airbag ohne
passenden Unfall.
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten
vom Mitterweg)
5.
Noch
unterscheidet sich der Mitterweg von den großen
Boulevards dieser Erde durch die Baulücken, die da und dort wie eine in der
Krankenkasse abgefräste Komplettkaries durch die
Gegend strotzen. Das einzige, was eine Baulücke kann, ist strotzen. Das
Pioniergras strotzt darauf herum, die ehemaligen Markierungen für ein
aufgegebenes Objekt, ein paar Nüsse aus der Zwischenkriegszeit stellen sich als
echte Handgranaten aus der Gegenwart heraus, Wiederbetätigung auf devastiertem Grund ist kein Grund zur Sorge.
Hunde wurschten sich an diesen Grundstücken den After leer, die
Kids haben den Grundstücken verschiedene Namen von Politikern gegeben, damit
die Hundescheiße auch einen Namen hat, wenn sie verwirklicht ist.
Mein Hund
scheißt auf den X-Meister, meiner auf den Y-Stadtrat, meiner ist kulturell
tätig und scheißt den Fleischkas pur, wie er ihn vor
sieben Stunden vor der kulturellen Metzgerei gefressen hat.
Die
Hundetruppe mit ihren Herrschaften ist eine verschworene Gemeinschaft am Mitterweg, man weiß, daß es sich
hier bald ausgeschissen haben wird.
Die wildesten
Projekte geistern bereits durch die Gegend.
Jemand
erzählt, daß eine Fleischkäsdeponie ohne
Geruchsschutz errichtet werden soll, ein anderer weiß von einem Tiermehlofen,
in dessen Rauch Verkehrszeichen gegen Wildwechsel angeselcht werden sollen.
Sehr kühn ist die Behauptung, wonach an das Bodybuilding-Zentrum eine
Außenstation für BSE-Training angebaut werden soll.
Natürlich gibt
es so triviale Vermutungen, wie Parkplatz, Mullinsel, Tankstelle mit
Halbpreisgarantie oder Depot für Zebrastreifen.
Eine heftige
Diskussion mit Androhung von Dresch entwickelt sich
darüber, ob ein Projekt dadurch versaut wird, daß es
am Mitterweg realisiert wird, oder ob nicht umgekehrt
der Mitterweg durch die von Dummheit angesengten
Projekte der Stadtregierung versaut wird.
Selbst die
Hunde haben keine eindeutige Meinung und entleeren sich vorsichtshalber arschlings, weil sie nicht wissen, ob es morgen noch einen
Platz für die Entleerung geben wird. Der lückenlose Schulterschluss des Unsinns
steht nämlich am Mitterweg jetzt kurz vor seiner
Verwirklichung.
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten
vom Mitterweg)
4.
Wenn man
humanistisch gebildet ist wie Alois Brandstetter, kann man zu einem Schwarzen
durchaus auch einmal Neger sagen. Im Notfall könnte man diese kleine
Unkorrektheit ja humanistisch gebildet vom Lateinischen herleiten und sagen,
ein Neger ist jemand, der sich im Rio Negro gewaschen hat.
Da die meisten
Bewohner am Mitterweg nicht humanistisch gebildet
sind, sagen sie Schwarzer, obwohl sie lieber Neger sagen würden. Es gibt am Mitterweg einen ortsbekannten Schwarzen, den nennen sie
Schwalbe, weil er wie Fußballer im Strafraum sich oft fallen läßt, damit der Schiedsrichter pfeift.
"Warum
bist du gegen mich, weil ich schwarz bin", sagt der Mitterweg-Neger,
noch bevor etwas passiert ist.
Einmal fährt
er mit seinem Golf auf den Gehsteig und schreit die Fußgänger zusammen, daß alle Höttinger Rassisten
sind, weil sie nicht ausstellen, wenn er am Gehsteig parkt.
Ein andermal
fährt er im Rückwärtsgang einem Schriftsteller über den Fuß, ebenfalls am
Gehsteig und sagt: "Es ist zu schade, den Tag sich so zu verderben. Du
hast nur Schmerzen , weil ich ein Neger bin, bei einem
Weißen würdest du nichts sagen."
Dieser eine
Neger vom Mitterweg, der sich an keine Gesetze und
Vereinbarungen hält, der für seinen Golf den Gehsteig für den idealen Mitterweg hält, zerstört viele pädagogische Maßnahmen und
fördert das Vorurteil ungemein.
Wenn der Neger
vom Mitterweg des Wegs kommt, flüchtest du am besten
auf die andere Straßenseite, denn dieser schwarze Hornochse fährt, ohne daß er das Lenkrad hält. Beide Hände nämlich braucht er zum
Schimpfen und Stinkefinger zeigen, weil alle gegen
Schwarze sind.
Der Mitterweg ist rassistisch gesehen ein Superboden.
Wenn jedoch
alle Latein könnten und humanistisch gebildet wären, gäbe es vielleicht keine
Schwarzen in dieser Gegend. So etwa argumentiert Alois Brandstetter in seinen
Geschichten.
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten
vom Mitterweg)
3.
Wenn man zur
Unzeit auf den O-Bus wartet, kann es geschehen, daß
man von Kopf bis Fuß angekotzt wird, was einen Geschäftsgang ins Stadtzentrum
verzögert.
Der Vormittag
ist sauber, der Vormittag funktioniert in der Höttinger
Au klaglos, am Vormittag ist es so kalt, daß niemand
kotzen kann, und wenn, dann nur die berühmten Bröckeln, die in der Kälte wie
Diamanten aus den Gesichtern zwischen dem Gebiß
herausfallen.
Am Vormittag
sind nur gewaschene und durch und durch reine Menschen am Mitterweg
unterwegs, selbst die Hunde halten die Pisse zusammen, bis die Sonne im Winter
tief im Zenit des Natterer Bodens steht, ehe sie
loslegen mit Putz und Stil, Wurst und Schiffe.
Ab Mittag
kommen die ersten Einheimischen wieder aus dem Stadtzentrum zurück, sie fahren
noch einen Kreisverkehr mit dem O-Bus, um zu beobachten, ob nicht irgendwo die
Dämmerungsbande einen Einstieg vorhat; und gerade als sich die Fahrgäste
aufmachen, an der Haltestelle Mitterweg-Zentrum
auszusteigen, fährt der O-Bus über jenen Telecom-Graben, der achstief von
Norden nach Süden angelegt ist, kurzum den Mitterweg
im rechten Winkel quert.
An dieser
Stelle verliert nun der O-Bus entweder die hintere Achse, was den Passagieren
nicht zu wünschen ist, weil es sie auf die Gosche haut und sämtliches Gebiß ausschlägt, oder der Bus macht einen solchen Sprung, daß besagte Kotze aus dem erbärmlichsten Magen zusammen
gesammelt wird und als Mitterwegschwall punktgenau an
der Haltestelle ins Freie schießt, wo eben die nächste Fahrgastgeneration auf
den Transport ins Stadtzentrum wartet. Der Dalektausdruck
"reihern" geht auf diese Szene zurück, wo die Kote aus der Reihe
tanzt und ins freie schießt. Ursprünglich hat es "freiern" geheißen,
diese Vokabel wurde aber von den Bordells eingekauft
und wird seither für den Eigenbedarf als Freier benutzt.
Der beste
Fachmann war übrigens der Schauspieler Reier, der
wirklich reierte, daß den
Leuten die Tränen kamen.
Am Nachmittag
wirst du wenig Menschen treffen, die in die Stadt wollen, entweder sie gegen zu
Fuß oder mit dem Kotzschirm von der Sparkasse, der gegen unheimliche Ausstiege
geschützt. Übrigens springen mehr O-Busse über die Telecom als daß sie darin eine Achse verlören. Nur robuste Fahrzeuge
dürfen übrigens in die Höttinger Au!
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten
vom Mitterweg)
2.
Weil es so
wenig Vögel gibt in der Höttinger Au, muß viel gevögelt werden, damit die Vögelbilanz stimmt im
Stadtteil. An Wochenenden sind die Balkone oft gerammelt voll von der
generellen Rammelei. Im Volksmund wird diese Aktion auch Rohrputzen oder
Reinemachen genannt. Im Innern der Schlafkojen kann niemand vögeln, denn die
Garconnieren sind so klein, daß nicht einmal der
Knabe Garcon, der dem ganzen Unfug den Namen gegeben
hat, darin Platz hätte. Wenn ein Knabe in einer Garconniere der Höttinger Au einen Ständer kriegt, weil etwa der O-Bus mit
seiner Ziehharmonika im Becken so wackelt, dann muß
er diesen Ständer beim Briefschlitz in den Hausgang hinaus stecken oder auf den
Balkon stellen, was bald einmal die Funkstreife nach sich zieht.
- Hallo Funk, kommens bitte, im zweiten Stock hat ein Ungustl
seinen Ständer auf die Straße hinausstehen!
Die
Funk ist in der Höttinger Au sehr gnädig, und wenn
nicht gerade ein Parkplatz verstellt wird, bleibt es bei einer Ermahnung.
Wenn schon der
Ständer am Balkon steht, dann wird auch gleich dort gevögelt. Die Bewohner des Mitterwegs haben gelernt, logisch zu denken und auf engstem
Raum zu handeln.
So wird denn
den ganzen Sommer durch jedes Wochendende gerammelt,
was das gute Geschlechtszeug hergibt. Profis haben jeweils das Handy bei sich
und erledigen mal oben mal unten liegend das eine oder andere Gespräch. Als
Orgasmus gilt, wenn beide gleichzeitig das Handy an haben und sich die geilsten
Sachen übers Handy sagen. Das ist Orgasmus pur, wie er in dieser edlen Form
wegen der guten Masten-Dichte nur am Mitterweg
vorkommt.
Die neuen
GPS-Handys haben zudem den Vorteil, daß man immer
orten kann, wo der Partner gerade liegt, sollte man aus Versehen ausgefädelt
haben.
Der Mitterweg
ist ausweglos!
(Geschichten
vom Mitterweg)
1.
Der Mitterweg ist so lang, daß man
ihn nie in einem Zug ausgehen kann. Meistens brechen die Leute bei der Apotheke
zusammen und werden vom Apotheker aufmerksam gelabt. Der Apotheker warnt alle
vor den Nebenwirkungen der Labung, sein Standardsatz lautet: "Medikamente
sind generell schädlicher als man glaubt."
In Richtung
Westen wird der Mitterweg nur von Selbstmördern
durchschritten, die der Sonne nachgehen, bis diese in der Glatze des Rangerköpfls explodiert, was die Nacht auslöst.
Das ist eine
gute Zeit für Selbstmörder, denn der Christopherus-Eins kann noch eine Stunde
mit Infrarot fliegen, wo die normale Wasserrettung nichts mehr sieht.
Im
Westen ist nach dem Ende des Mitterwegs absolut
nichts, weshalb diese Gegend auch Westend oder nach
Raoul Schrott, dem begnadeten Innsbrucker Wüstendichter, "Finis Terrae" (Tante Finis Schrecken) genannt wird.
Das Ende des Mitterwegs ist eine Rampe, in die die Selbstmörder wie Dummies von selbst in den Inn kollern, aus dem es bis zum
Rechen von Kirchbichl kein Entrinnen mehr gibt. Der
Rechen in Kirchbichl muß
die Selbstmörder vom Mitterweg zusammenrechen wie
Herbstlaub.
Der Apotheker
warnt kurz vor Dienstschluß um 18 Uhr noch einen semi-kollabierten Spaziergänger vor den Nebenwirkungen
seines Medikamentes, dieser aber will unbedingt das Medikament. Er trinkt es
auf Krankenschein und stürzt sich am Ende des Mitterwegs
in den Inn. Bei der Obduktion erkennt der Apotheker vom Mitterweg
das Medikament sofort wieder als seines, der Patient hat es nämlich samt
Krankenschein getrunken, so daß man ihn und das
Medikament sofort durch die achtstellige Sozialversicherungsnummer
identifizieren kann. Die Magenschleimhaut ist übrigens von der
Sozialversicherungsnummer schon ziemlich durchgescheuert, das machen die vielen
Drehbewegungen bis hinunter nach Kirchbichl.
Was das
Medikament nicht schafft, erledigt anschließend der Inn. So sehr der
Christophorus-Eins auch den Fluß absucht, das
Medikament aus dem Mitterweg macht jeden Selbstmörder
unsichtbar.
Der Mitterweg
ist ausweglos!
Mega-meteor-Zentrum Höttinger Au
[heschö] Ein Meteorit aus der Galaxie Provinzym
hat im Innsbrucker Stadtteil Höttinger Au
eingeschlagen und konnte bislang noch nicht geborgen werden. Allerdings geht
von ihm eine fatale Provinzym-Strahlung aus, und die
unmittelbare Umgebung wird heftig mit Provinzym-Radikalen
beschickt. Die Folgen dieses Einschlags aus dem All sind noch nicht abzusehen,
allerdings haben Kultur und Denkweise in der Höttinger
Au schlagartig Provinz-Charakter angenommen. Kulturbeauftragte aus diversen
Staaten sind ständig mit Messungen im Einsatz, es gilt vor allem die Frage zu
klären, wie groß der Provinzkrater in Wirklichkeit ist, dessen Zentrum irgendwo
im Südwesten der Flughafen-Piste vermutet wird. Es dürfte sich bei der
Strahlenquelle um ein meteor-cerebrales Gebilde
handeln, das mit herkömmlichen Meßgeräten bislang
nicht gemessen werden kann.