Lexikon der letzten Worte

Nichts ist so unverschämt irdisch, wie die Aufzeichnung sogenannter letzte Worte. Dabei gilt zu unterscheiden, ob jemand bewußt letzte Worte ausgesprochen hat oder ob bloß durch den Betriebsausfall des Körpers gewisse Worte zu den letzten geworden sind. Faszinierend sind einmal die Zitate selbst, ob es nun lautet "Alles ist so langweilig." (Winston Churchill) oder "Es war alles sehr interessant" (Lady Montagu). Mit diesen Sätzen lassen sich wunderbare Quize abhalten, vermutlich merkt man sich eine Persönlichkeit dann am besten, wenn man ihre letzten Sätze im Gehör hat.

In zweiter Linie besticht natürlich die Auswahl der Personen. So haben völlig unauffällige Charaktere oft die besten Todessätze im Gemüt, während andere, von denen man sich einen starken verbalen Abgang erwartet hätte, nichts für das Lexikon der letzten Worte hinterlassen haben. Nicht zu unterschätzen ist auch die Porträtsammlung durch Werner Fuld. In knappen Sätzen eine Persönlichkeit zu skizzieren und dabei das Wesentliche im Auge zu behalten, ist eine ziemlich seltene Kunst. Werner Fuld, weltberühmt geworden durch seine Walter-Benjamin-Biographie, strichliert die Personen an der Sollbruchstelle ihres Daseins. Besonders elegant ist die Kurzdarstellung über Jesus ausgefallen, der als jüdischer Prophet mit starker Nachwirkung beschrieben ist. Gottseidank ist auch ein Tiroler in diesem Lexikon der letzten Worte vertreten, nämlich der Patriot Andreas Hofer, Er weigerte sich mit letzten Worten, hinzuknien und wollte partout stehend erschossen werden. Diese entschlossene Haltung erinnert schon fast an jenen Delinquenten, der sich zur Hinrichtung als letzen Wunsch eine kugelsichere Weste erbat. Werner Fulds Lexikon ist witzig, unterhaltsam, aufschlußreich und anspornende, denn jeder Leser überlegt sich bei der Lektüre insgeheim ein letztes Zitat, und wenn es nur lautet: "Mehr Fuld!"

Werner Fuld: Lexikon der letzten Worte. Letzte Botschaften berühmter Männer und Frauen von Konrad Adenauer bis Emiliano Zapata. Frankfurt/M: Eichborn 2001. 210 Seiten. 291,- ATS. € 21,20. ISBN 3-8218-1618-X

Werner Fuld, geb. 1947 in Heidelberg, lebt bei München.

Helmuth Schönauer 27/03/01