Kafkas Hund

Kürzestgeschichten sind eine Literaturgattung, die vor allem vom Verhältnis der Geschichten untereinander lebt. Man kann es mit zwei Nägeln vergleichen, an denen ein Bild aufgehängt werden soll, interessant ist vor allem die Linie zwischen diesen Nägeln, ob sie zum Bild passen und halbwegs waagrecht eingeschlagen sind. Heiner Feldhoff, der sich im Klappentext abschreckend als pensioniertes Schuldienstmitglied vorstellt, schüttet seine Geschichten wie einen Sack Reißnägel aus. Dieser Geschichten-Haufen wird dann im Sinne eines Stundenplans in "Stimmen aus dem Diesseits", "Niederschrift im Erdgschoß", "Winke aus dem InterRegio" oder "Stöße der Vorübergehenden" unterteilt. Na ja, Ordnung muß sein, und man kann den Themengebieten jeweils eine gewisse Sichtweise zuordnen, wie man ja oft die Lyrik Jahreszeiten zuordnet. Und Kafka ist immer gut, wir hatten ihn schon beim Bügeln, Turnen, in Meran und als Samenspender. Als ob eine Situation kafkaesker würde, wenn Kafka dabei ist! Bürokratie-Geschädigte und Jenseits-Erwarter können ein Lied davon singen, daß Kafka immer dort auftaucht, wo sein Name nicht genannt wird. Viele dieser Kürzestgeschichten sind deshalb interessant, weil man ihnen nie zugemutet hätte, daß einmal eine Geschichte, wenn auch eine allerkürzeste, daraus entstehen könnte. Ein Lesefehler, ein falsch geschriebens Wort in der Apotheke, die Verballhornung eines Fachbegriffes zum Zirkumflex, meist sind es Lehrer-Abenteuer, und die sind bekanntlich so lustig wie die Abenteuer eines abgekämpften Beichtbruders nach der Generalabsolution. Oft werden die Erlebnisse in entfernte Orte verlegt in der Hoffnung, daß sie dann besser auf den Leser wirken. Also ein Überfall in Paris ist etwas ganz anderes als ein Überfall in Steinberg am Rofan! Man kann diese Geschichten alle lesen und nichts dagegen einwenden, aber irgendwie ist es Puffreis, der nicht knallt.

Heiner Feldhoff: Kafkas Hund oder Der Verwirrte im Sonntagsstaat. Kürzestgeschichten. Tübingen: Klöpfer und Meyer 2001. 159 Seiten. 265,- ATS. € 29,25. ISBN 3-421-05704-4

Heiner Feldhoff, geb. 1945 in Sternheim, lebt in Lautzert.

Helmuth Schönauer 15/04/01