Mein Studium ferner Welten

Romane tun immer so, als ob ständig etwas los sei. In Wirklichkeit gibt es jedoch oft tagelang nichts zu berichten und nur mit Mühe lassen sich an manchen Stunden die notwendigsten Nachrichten für eine Zeitung zusammenkratzen.

Alex Capus reagiert zweifach auf die sogenannte verdichtete Wirklichkeit in Romanen. Einmal läßt er einen Journalisten auftreten, der sich durch nichts von anderen Berufstätigen unterscheidet und daher seine Schreibkompetenz auf lange Strecken eingebüßt hat. Zum anderen zerlegt Alex Capus den Roman in 14 Geschichten, die zwar irgendwie lose zusammenhängen, aber für sich abgeschlossene Kapitel sind. Und dazwischen gibt es eben keinen Stoff, die erzählte Fastenzeit bricht immer wieder aus.

Obwohl die ganze Welt angesprochen ist und sorgfältig beäugt wird, laufen die Erlebnis-Fäden doch in einer bedeutungslosen Kleinstadt zusammen. Gleich zu Beginn wird das Festzelt abgebaut und der Weltenbummler liegt bei einem Mädchen in einem Kahn, während die Kollegen arbeiten. Beinahe eine ganze Nacht dauert es, bis das Mädchen alle Tätowierungen gesehen hat, denn auf dem nackten Body sind wie auf einer Messe für Reiseandenken alle Tatoos der Welt zu Gast.

Vor allem die Geschichte mit dem Intercity wird man so leicht nicht vergessen. Eben hat der Expreßzug, ausgestattet mit einer stabilen lochgelben Lok, die für schweizer Käse Reklame macht, einen wertvollen Sportwagen zermalmt, und der Lenker hat mit viel Glück überlebt. Aber niemand will diese Geschichte hören, der kleine Sohn will Rotkäppchen und die Frau möchte endlich wissen, ob der Kleine für drei oder fünf Tage im Kindergarten angemeldet werden soll.

Alex Capus erzählt locker und unbeschwert von bedeutungslosen Ereignissen, die auch von den Protagonisten mit großer Unbekümmertheit weg gesteckt werden. Als Leser ist man erstaunt, wie luftig so der Alltag ablaufen kann, wenn man ihn gewähren läßt. Gerade weil niemand einen Sinn des Lebens sucht, schleicht er sich in Alex Capus Roman immer wieder auf fröhliche Art ein.

Alex Capus: Mein Studium ferner Welten. Ein Roman in 14 Geschichten. Salzburg: Residenz 2001. 205 Seiten. 238,- ATS. € 17,38. ISBN 3-7017-1241-7

Alex Capus, geb. 1961 in Frankreich, lebt in Olten.

[Helmuth Schönauer 05/03/01]