Ein Freund der Erde

Nach knapp sechzig Seiten taucht der Schlüsselsatz wie das General-Motto zu diesem halb utopischen Roman Ein Freund der Erde auf: "Denn um ein Freund der Erde zu werden, muß man zum Feind des Menschen werden."(64) Selbstverständlich hat sich die Öko-Gruppe E.F.(Freunde der Erde) dieses Motto auf ihre Fahnen geschrieben. Wir erleben den gebändigten ehemaligen Öko-Terroristen Ty im Alter von 75 Jahren, wie er einen degenerierten Streichelzoo für einen Popkünstler pflegt. Die Apokalypse ist beinahe eingetreten und mars-ähnliche Hitze ist über das kaputte Öko-System hergefallen. In den drei Kapiteln Bring sie lebend zurück!, Unser wichtigstes Produkt heißt Fortschritt und Wildnis Amerika erleben wir immer die erzählte Zeit von etwa 1985 und die prognostizierte von 2025. Dieser rasche Wechsel zwischen Ursache und Auswirkung diverser Vorgänge wirkt sarkastisch didaktisch, ohne daß man den Fortschritt und Zerfall moralisch werten müßte. Während die Öko-Gruppe nicht gut wegkommt, weil sich ihr Programm durch die eindimensionale Radikalität schon in der Gegenwart ad absurdum führt, hat der Einzelkämpfer Ty doch noch eine Chance, etwas aus sich und der Welt zu machen, weil er sich selbst ökologisch verhält, indem er biologisch natürlich altert. In T.C. Boyles Roman wimmelt es nur so von Sarkasmen und lapidar-lakonischen Erkenntnissen. Selbstverständlich erweisen sich die einzelnen Handlungen als sinnlos, aber in der Vorbereitung des großen Chaos sind selbst kleine Handlungen gefragt. Große Themen wie Migration, Klimawechesel und Bevölkerungsexplosion, die meist verdrängt und mit großem Kirchensegen weggewischt werden, kommen in diesem Roman voll zu ihrer Würdigung. Und selbst so etwas wie eine kleine Hoffnung für Pensionisten nach 2025 scheint es zu geben. Der Wald gedeiht bekanntlich dort am besten, wo der Boden radikal versengt worden ist.

T.C.Boyle: Ein Freund der Erde. Roman. A.d.Amerikan. von Werner Richter.München: Hanser 2001. 355 Seiten. 310,- ATS. € 22,62.ISBN 3-446-19975-6

T.C.Boyle, geb. 1948 in Peekskill, New York, lebt in Los Angeles.

Helmuth Schönauer 08/05/01