die mobilität des wassers müsste man mieten können

In seinem zweiten Lyrikband (der erste ist 1999 unter dem Titel "wege vezweigt" erschienen) stellt der Autor Gedichte vor, die einerseits nach geheimnisvollen Regeln kühn miteinander verbunden sind und andererseits in minimalistischer Weise die stetige Veränderung des Wassers belauschen. "die mobilität des wassers müsste man mieten können" heißt nicht nur die Textsammlung, diese Zeile ist auch die Schlüsselstelle eines Gedichtes und ergibt mit anderen Schlüsselzeilen einen eigenen Text. Denn das Inhaltsverzeichnis ist nichts anders als ein Gedicht aus sieben Strophen. "Meere gestapelt" heißt etwa der zweite Abschnitt, darin geht es um die verrückte Art, Statistik zu betreiben. Oft wird ja das Unsagbare mit einem Vergleich ausgedrückt, in dem alles übereinander gestapelt ist. Man stelle sich nun die Meere aufeinander gestapelt vor, regt der Autor an, und bringt dadurch wirklich das Unsagbare auf den Stapelhöhepunkt. "Fähren" ist jenes Kapitel überschrieben, in dem die Provinzstadt Innsbruck zur literarischen Weltstadt erhoben wird. Fähren sind vordergründig Wassergefährte, aber schon in der griechischen Mythologie ist mit dem Fährmann auch der Transporteur in das Jenseits gemeint. In Christoph W. Bauers Gedichten sind diese Fähren zum Teil innerhalb von Stadtteilen unterwegs, sie verkehren zwischen verschiedenen Zuständen des Bewußtseins und docken fallweise an bestimmten lyrischen Vorbildern an, wenn die Haltestellen Mandelstam, Dante oder Bachmann ausgerufen werden. Capitan Nemo schließlich ist Jorge Luis Borges gewidmet, der die Parole ausgegeben hat, "daß mein Name Niemand sei, wie der des Odysseus". Diese acht Gedichte sind in einem quadratischen Blocksatz gedruckt und "handeln" von der Auflösung der Sinne während des Gebrauchs. Körper werden apathisch, Glieder verrammeln sich, jemand ist in sein Selbst eingenäht wie in einen Leichensack. Christoph W. Bauers "Wassergedichte" sind ein Gedichtband, der nie fertig gelesen ist. Einerseits liegt es am Thema, "das Gedicht fließt" heißt das Panta rhei bei Octavio Paz, andererseits liegt es an den Konnotationspunkten außerhalb der Gedichte, die vom Leser gleichsam täglich neu zu besetzen sind.

christoph w. bauer: die mobilität des wassers müsste man mieten können. gedichte. Innsbruck: Haymon 2001. 94 Seiten. 198,- ATS. € 14,43. ISBN 3-85218-352-9

Christoph W. Bauer, geb. 1968 in Kärnten, lebt in Innsbruck.

Helmuth Schönauer 20/05/01