Alles, was du suchst

"Wenn du deinem Körper keinen Schlaf gönnst, macht er einen Unfall und holt sich die Ruhe von selbst." Unzählige Lebensweisheiten dieser Art sind in Gabriel Baryllis Roman ausgestreut. Eine rasante Handlung ist nicht mehr notwendig, denn die Protagonisten haben schon so viel erlebt, daß sie froh sind, wenn sie ein bißchen relaxen können.

Gleich zu Beginn geht es auf eine Trauminsel, die genau den Klischees entspricht, die in Reisebüros angeboten werden. Aber durch den Anwesenheit von normalen Menschen wird diese Insel plötzlich normal und wahrscheinlich. Erster Treffpunkt ist Manuels Bar, wo offensichtlich jeder Gast aus dem Nichts kommt und nach ein paar Schlucken seine Geschichte erzählt.

Ein junger Mann erholt sich gerade von einer gescheiterten Liebe. Er schnürt einen Sack voller Erlebnisse auf und legt die Begebenheiten auf die Bar.

Es geht um Leidenschaft, Konkurrenzkampf in der Arbeitswelt, Motivation, Zeitvertreib und Genuß. So spielt auch das Essen eine große Rolle, denn es ist international, sinnlich und trotz des jeweils subjektiven Geschmacks höchst konkret.

Mit der Zeit entwickelt sich von Manulells aBat ausgehend so etwas wie eine neue Geistesströmung. Die verschiedenen Lebensprogramme werden diskutiert, gute Erkenntnisse wie Rezepze ohne Hast ausgetauscht, und über allem liegt eine freundschaftliche Atmosphäre ohne Neid und Mißgunst.

Gabriel Baryllis Buch ist seltsam reif und durchdacht. Es geschieht eigentlich nichts, außer daß Zeit vergeht. Immer wieder untrerbricht man als Leser und fragt sich, wo geht diese Gedankenreise eigentlich hin. So entsteht eine "Erlebnismasse", halb Gel, halb Weisheit und man ist als Leser eher langsam aber dennoch stets neugierig unterwegs. Vielleicht handelt es sich um so etwas wie die "gefundene Zeit" im Sinne Prousts, niemand hat sie gesucht, aber plötzlich ist sie da.

Gabriel Barylli: Alles, was du suchst. Roman. Berlin: Argon 2001. 319 Seiten. 291,- ATS. € 21,20. ISBN 3-87024-523-9

Gabriel Barylli, geb. 1957, lebt in Wien.

[Helmuth Schönauer 10/03/01]