Zeit-Zoo

Frische Zeitschrift für Literatur und Bildende Kunst im Koordinatennetz zwischen den Städten Wien, Berlin, Hamburg und Innsbruck

Die Evolution geht weiter!, heißt es süffisant neben dem Logo für Zeit-Zoo, und immerhin läßt sich nach drei Nummern schon allerhand über die Evolution von Zeit-Zoo sagen. Die Zeitschrift im kopiertauglichen A-4-Format besticht durch ein sehr luftiges Layout. Texte und Graphiken sind mit einer "Quellenschutz-Leiste" hinterlegt, so daß beim illegalen Räubern durch After-User immer auch gleich die Herkunft des Textes mitreproduziert wird. Zeit-Zoo besteht nämlich nicht nur aus dem Produkt, sondern aus einem raffinierten Netzwerk von Benützern, die in einem Post-Pynchon-System wie ein Untergrund-Club lose zusammengehalten werden. Das Konzept des Zeit-Zoos fußt auf drei Thesen. 1. Bild und Text sind gleichwertig. 2. Wien, Berlin, Hamburg und Innsbruck sind gleichwertig. 3. Nicht alle Zusendungen sind gleichwertig, die Redaktion behält sich Ablehnungen vor. Ein dermaßen klares Konzept hat auch klare Auswirkungen. So gelten für die Auswahl der Texte und Bilder einerseits die Bildertauglichkeit der Textes und andererseits die Textur des Bildes als die obersten Kriterien. Im aktuellen Heft gibt es beispielsweise eine Zeichnung von Heimo Fladl, in der sich ein offensichtlich männlicher Körper aus hoher Geschwindigkeit für einen potentiellen Geschlechtsverkehr herunterbremst. Das Bild löst sich auf in Verzögerung und erzählt dabei eine Geschichte. Daß unter den vier Weltstädten des Zoo-Konzeptes auch Innsbruck aufscheint, hat nach Auskunft des Mitherausgebers Nikolaus Scheibner damit zu tun, daß in Innsbruck eine der verrücktesten Untergrundszenerien für Literatur herrscht. (Man könnte auch sagen, daß eine depperte Stadt wie von selbst eine depperte Literatur hervorbringt.) Die Zeitschrift Zeit-Zoo betreut zum Teil Tiroler Autoren, die in Ermangelung jeglicher Literaturzeitschrift in Tirol sonst ins Bodenlose fielen. In der Nummer Sommer 2001 ist beispielsweise der Innsbrucker Autor Christoph W. Bauer mit einer neuen Ladung hervorragender Lyrik vertreten, geradezu sensationell "schräg" sind die Texte des gebürtigen Osttirolers "a.roitsch", der nach Wien ausgewandert ist und von dort aus Tirol südlich der großen Wasserscheide grüßt mit einem Gedicht für n.c.kaser.

"GRUNDFALSCH GELESEN // und mit so gewiefter kellerstimme daß / gipsbrocken den boden in scheibenleeren / ein brausen in den ohren / und er könne vor schmerz in die finger reden / wird der chronist und es muß mehr als nur / parisches bruchwerk / gewesen sein der laaser marmor / ist weltbekannt" (S.49)

Stabile Text-Bild-LieferantInnen für die neue Nummer sind unter anderem der Bachmannpreis-Träger Franzobel, die Filmemacherin und Herausgeberin der Edition "Das Fröhliche Wohnzimmer" Ilse Kilic oder Erna Holleis, die Siemens-Forum-Literaturpreis-Trägerin der ersten Stunde. Diese Aufzählung von Preis-Funktion und literarischer Funktion ist insoferne von Bedeutung, als die Redaktion von Zeit-Zoo bei der Ablehnung sogenannter schwacher Texte keinen Genierer kennt. Wenn der Herausgeber Nikolaus Scheibner, der den Abruck der eigenen Texte übrigens mit Recht bei sich selbst durchgesetzt hat, so berichtet, welche Texte schon zurückgestellt worden sind, weil sie zur Zeit nicht auf der Höhe der Anforderung sind, so ist dieses Selbstbewußtsein erfrischend und höchst notwendig. Die Evolutuion geht weiter! - Eine neue Literatur braucht eben auch neue, nachjustierte, evolutionäre Texte. Für Leserinnen und Leser, die in den literarischen Dschungel so gigantischer Städte wie Wien, Innsbruck, Hamburg oder Berlin abtauchen wollen, gibt es weitere Untergrund-Informationen unter www.gbcnetwork.at

zeitzoo. die evolution geht weiter. zeitschrift für literatur und bildende kunst. wien, berlin, hamburg, innsbruck. sommer 2001. nummer drei.

Redaktion: Nikolaus Scheibner, Lerchenfeldergürtel 15/3, 1160 Wien; gbc@gmx.at

Helmuth Schönauer 20/07/01