Zwölfe läuten

Nach einem Sprichwort aus der Geschichte zeigt sich ein Regime in der Hauptstadt immer als Prunk und in der Provinz als Perversion. In Heinz R. Ungers Stoff-Stück geht es darum, wie sich in einer entlegenen steirischen Gemeinde die Bewohner rechtzeitig zum Ende der Hitlerzeit der Hitlerinsignien entledigen, denn die Gesinnung behalten sie offensichtlich bei. Von Stoff könnte man deshalb sprechen, weil sich "Zwölfe läuten" sowohl als Volksstück, als Film und jetzt auch als Erzählung beeindruckend makaber vermitteln läßt. In der Erzählung wird bewußt auf die Klischees des Heimatromans zurückgegriffen, die Figuren sind grob geschnitzt und reden fast nur in kernigen Sätzen, es gibt also eher wenig psychologischen Dialog, sondern die Ansichten prasseln wie beim Widderkampf mit vollem Gehörn aneinander, daß es nur so kracht. Das ist ja vielleicht das Dramatische an einem Dorfleben, daß es darin keine Entwicklung gibt, sondern die Vertreter der Dorf-Dynastien sich als Vertreter der großen Ideologien in der Hauptstadt ausgeben und in völlig überdimensionalen Argumentationsketten Ziele verfolgen, die nicht die ihren sind. Ein Ziel freilich gibt es: Wer hat, will immer haben, wer nicht hat, muß immer darauf achten, daß er nicht übrig bleibt! In der Endphase der Hitlerzeit geht es nun darum, wer wann die Seiten wechselt. Partisanen haben sich im Dorf versteckt, SS-ler sollen die Glocke abholen, und mittendrin kommt die Nachricht vom bevorstehenden Ende des Regimes. Aber selbst der best-getimte Gesinnungswechsel braucht einen kleinen Anflug von Mut, und wenn dieser nicht vorhanden ist, enden die komödiantischen Verhaltensweisen doch noch in einer Tragödie. "Zwölfe läuten" ist ein Stück, das sich quasi wie von selbst erzählt und in jede Zeit und in jeden Ort paßt. Es handelt von den zwei großen Entwürfen, die für die Lebensgestaltung zur Verfügung stehen, Angepaßtheit oder Einsamkeit. Denn Widerstand und voller Fruchtgenuß schließen einander aus, wie wohl beide als Doppelpack so schön wären.

Heinz R. Unger: Zwölfe läuten. Erzählung. Innsbruck: Haymon 2001. 126 Seiten. 218,- ATS. € 15,90. ISBN 3-85218-360-X

Heinz R. Unger, geb. 1938, lebt in Wien.

Helmuth Schönauer 28/11/01