Tool 2001-08
Laßt uns einen Felix machen!
Insgesamt ein großes literarisches Tool ist das Theater. Normalerweise wird am Theater etwas in Worten, Taten und mit Musik gezeigt, damit es uns rührt und die Zeit vertreibt, so daß wir anschließend als aufgeklärte Menschen die Dinge der Welt neu sehen und im Bedarfsfalle verändern können.
In Tirol freilich ist auch das Theater etwas Besonders. Da nur Felix Mitterer gespielt wird, sagen die Kinder in der Schule bereits, "heute haben wir einen Felix gemacht", wenn sie Theater spielen. In Tirol freilich muß nichts mehr verbessert werden, weil alles schon ideal ist, deshalb hat auch die permanente Felixiade nicht den Sinn, aufzuklären, sondern die Zeit vor Eintritt zahlendem Publikum totzuschlagen.
Was sollte es sonst für einen Sinn haben, Gaismair auf die Bühne zu stellen, als mit diesem alten Namen, der einer Kalendermacher-Gesellschaft den Namen gegeben hat, die Zeit seufzend und theatralisch kreischend herunterzubiegen.
Allein die Ideologie, die hinter diesem Unterfangen steckt, muß man sich einmal laut vorsagen. Da glauben tatsächlich Theatermacher, die Welt ließe sich aufklärend verbessern, indem man einen rudimentären Lebenslauf auf die Bühne stellt.
Während in Genua beim Gipfel der großen "G" die Weltordnung festgeschrieben wird, Demonstranten ihr Leben aufs Spiel setzen und einer von ihnen auf der Stelle erschossen wird, glauben die Felixianer in Telfs, mit einer alten Kutten und einem schwarzen Pferd unterm Hintern dem Publikum etwas von der alten Welt zeigen zu müssen. Selbst das blasseste Theater aber hat immer einen Bezug zur Gegenwart, und sei es nur den, daß es in einer Käseglocke spielen will, während es draußen rund geht.
Da kann nur eine andere Absicht dahinter stecken. Zum Beispiel jene, die Mägen der theatralischen Freizeitpatrioten durch langes Sitzen so hungrig zu machen, daß sie danach etwas Gegrilltes vertragen. Oder dem Loden kollektiven Ausgang zu geben, nachdem die Tiroler Lodenfabrik gerade abgebrannt ist und womöglich niemand mehr weiß, wie Loden ausschaut.
Oder man will dem Publikum den Gang durchs Ferdinandeum ersparen, wo die Schinken aus jeder Epoche an die Wände genagelt sind (ab und zu wird eines gestohlen, das ist der einzige Sinn einer Galerie). Gaismair ist unter anderem auch ein patriotischer Schinken, der sich deshalb noch nicht als Theaterfigur eignet.
Das literarische Tool für sich ist wertfrei, aber wenn es in die falschen Hände kommt, wird es wertlos.
Helmuth Schönauer