Schwamm drüber

Gleich zu Beginn gibt es ein Personenverzeichnis wie im Theater. Das hat den Vorteil, daß man mit einer einzigen Augenbewegung den Überblick über die Szene hat, nimmt aber den Figuren das Geheimnis der adäquaten Einführung. Das ist ja das Spannende bei der Lektüre, daß man als Leser die Figuren erst entdecken und sie oft aus dem Vorurteil schälen muß. Die Protagonisten sind schon wegen des Verlagskonzeptes "Frauenoffensive" alle weiblich, alle haben oder hatten ein offensichtlich lesbisches Verhältnis. Die Männer sind nur für die B-Liga tauglich, vom Souffleurkasten, der ein Mann ist, bis zum obligaten Hausmeister in allen Lagen. Zwei Freundinnen aus der Münchner Theaterszene wollen zu einer Exfreundin auf Urlaub fahren, da wird eine andere Exfreundin im Theater einer Kleinstadt tot aufgefunden. Genickbruch neben dem Souffleurkasten, da muß ein Mann dahinter stecken. Ab jetzt gilt das Motto "Schwamm drüber", womit einerseits der Fall nicht weiter aufgeheizt werden soll, und was sich andererseits aber auch auf den Schimmelpilz bezieht, der allgegenwärtig ist. Sogar die Dressen von Bayern München sollen schon einmal von Schimmelpilz befallen gewesen sein. Die Freundinnen nehmen die Aufklärung selbst in die Hand und stoßen immer wieder auf die perversesten Geschlechterrollen. Das Genre "Frauenoffensive" ist durchaus auch männlichen Lesern zu empfehlen, denn die Geschlechterrollen sind an jedem Krimi-Eck seltsam besetzt. Schade ist letztlich, daß die Persönlichkeit der Autorin im Verlagsprogramm anonym untergeht, dadurch kriegt der Roman etwas abschätzig den Charakter von Lesefutter in feministischem Couleur.

Shirley Seul: Schwamm drüber. Offensive Krimi. München: Frauenoffensive 2001. 189 Seiten. 145,- ATS. € 10,53.

ISBN 3-88104-336-5

Keine Biographie!

Helmuth Schönauer 10/06/01