GEGENWARTSLITERATUR 1190

Da waren's nur noch neun

Nichts ist so lustvoll, wie etwas Verbotenes zu tun. So macht es durchaus einen Sinn, ein sogenanntes Lehrbuch negativ zu formulieren, indem man Tipps zum Vertreiben von Mitarbeitern gibt. Dieser didaktische Schachzug ist für die Lektüre recht angenehm, denn man hat immer positive Helden vor Augen, auch wenn diese ständig einen Blödsinn machen.

Diese listigen Elemente des Schelmenromans ziehen sich durch das ganze Buch, in dem es um Mobbing, Betriebsklima, Karriereplanung und Weichenstellung für ein akzeptables Berufsleben geht.

Der umfangreichste Strang besteht tatsächlich aus einem Roman. Darin figurieren moderne Helden der Arbeitswelt und des durchgestylten Marketingbereichs in der Halbwelt der Bars und Arbeitsessen. Sie erzählen von beruflichen Highlights, privaten Interessenslagen und dem Ablauf der eigenen biologischen Uhr. Dieser Roman besteht in der Hauptsache aus rasanten small taks mit aufgewühlten Unterlagen, die im Berufsleben einzementierten Figuren werden plötzlich ganz weich, zugänglich und zerbrechlich, wenn sie von der inneren Situation dieser beruflichen Arrangements erzählen.

In diesen Roman sind dann eigenartige Tipps eingeflochten, die auf die Sachlage der Protagonisten im Text reflektieren, die man aber für sich gestellt als Buch im Buch lesen kann, mit höchstem Vergnügen übrigens.

Die zwanzig Fehler, die zum frühzeitigen Vertreiben von interessanten Mitarbeitern aus dem Unternehmen führen, sind:

1. Vernachlässige die guten Mitarbeiter, die du bereits hast

2. Stelle die Falschen ein

3. Stelle Regeln über Menschen

4. Verhalte dich unfair

5. Behalte wichtige Informationen für dich

6. Wechsle täglich deine Unternehmensstrategie

7. Werde der Verantwortung gegenüber Unerfahrenen nicht gerecht

8. Lass einen Indianer mehreren Häuptlingen dienen

9. Mache Führungsverantwortung zur Grundbedingung für den Aufstieg

10. Verwickle andere gegen ihren Willen in politische Spielchen

11. Sei langweilig und unattraktiv

12. Übe schlechte Nachrede

13. Gib am Anfang zu viel Geld

14. Steck' sie mit Pfeifen zusammen

15. Vertraue deinen Mitarbeitern nie (Betreibe Micro-Management)

16. Pfeif' auf ihr Privatleben

17. Verweigere ordentliche Anerkennung

18. Behandle Frauen schlechter als Männer

19. Halte deine Mitarbeiter klein - fördere sie nicht

20. Lasse Mobbing zu

Diesen Fehlern, die zugegebenermaßen leicht von der Hand gehen und weit verbreitet sind, sind noch drei große Grundwahrheiten darüber gestellt.

Grundwahrheit 1: Der Chef ist nicht so mächtig, wie er wirkt

Grundwahrheit 2: Der direkte Chef ist ungeheuer wichtig

Grundwahrheit 3: Unternehmen sind so gut oder schlecht wie ihre Chefs

Gerade weil Fehler ja etwas sehr Menschliches sind, kommen in diesem Buch echte Menschen zum Vorschein, die mit kluger Ironie ihre sogenannten Fehleranalysen betreiben. Das macht dieses Buch sehr sympathisch und man glaubt den Thesen irgendwie aufs Wort, weil sie ja mit Augenzwinkern verfaßt und deshalb sehr wahr sind.

Wolfgang Schur / Günter Weick: Da waren's nur noch neun. Wie man auch die besten Mitarbeiter vergrault.

Frankfurt/M: Eichborn 2002. 247 Seiten. 20,50 EUR.

ISBN 3-8218-3949-X

Wolfgang Schur, geb. 1961, Geologe und Marketingexperte, ist Vorstandsvorsitzender der IBV AG.

Günter Weick, geb. 1958, Diplomkaufmann, leitet die Unternehmensberatung SofTrust Consulting.

Helmuth Schönauer 15/09/02