Weggefährten

Zwei junge Ärzte kommen nach dem Krieg heim in die Provinz und beginnen in den Trümmern der eigenen Erinnerung und im Schutt der Gesellschaft ein positives Leben zu entwickeln. So ungefähr könnte man die dreihundert Seiten des Erinnerungsromans "Weggefährten" von Walter Schlorhaufer zusammenfassen. Der Roman ist in mehrfacher Hinsicht faszinierend. Einmal geht es darum, gefilterte Zeitgeschichte darzustellen, zum anderen ist es der Versuch, private Erlebnisse nach außen zu stülpen in eine kollektive Geschichtswanne, und drittens geht es um Formulierung von individuellem Lebenssinn in einer Provinzstadt abseits der großen Strömungen der Welt. Die beiden Ärzte haben eine schizophrene Karriere zu bewältigen, sie sind nämlich eigentlich dazu da, Leidenden zu helfen, andererseits müssen sie ein System durchschreiten, das scharfe Zacken aus der Karriereleiter hervorstehen hat. Nirgendwo ist der Mief der Provinz so großartig wie in einer Universitätsklinik der Provinz. Die Weggefährten diskutieren immer wieder ihre Fortschritte auf der Klinik, entwickeln eine Art humanistisches Weltbild in einer mieselsüchtigen Umgebung und beteiligen sich am Wiederaufbau einer Gesellschaft, die nie fragt, warum es eigentlich zum Krieg und zur Vernichtung des halben Kontinents gekommen ist. Die einzelnen Sequenzen sind beinahe völlig bedeutungslos, das Kleinzeug des Alltags wird durch die Jahre vollends relativiert, es geht ja auch gar nicht wie in einem Schlüsselroman um die Aufklärung einzelner Geschehnisse, sondern um den großen Sound des Zeitflusses. Die einzelnen Kapitel haben daher oft so etwas wie ein kleine Inhaltsangabe voller edler Banalität. Der erzählte Inhalt wird durch die ironisierende Zusammenfassung relativiert, der Leser liest Donquixoterien der provinziellen Art. Bemerkenswert ist schließlich die gelassene, abgeklärte Stimmung, das große Vorbild Adalbert Stifter schimmert immer wieder durch. Es bleibt eine Ahnung, wie Zeit fließt und Erinnerung funktioniert. Beinahe ein Austeigerroman, könnte man sagen, Aussteigen aus der Geschichte ist gemeint.

Walter Schlorhaufer: Weggefährten. Roman. Innsbruck: Haymon 2001. 299 Seiten. 218,- ATS. € 15,90. ISBN 3-85218-348-0

Walter Schlorhaufer, geb. 1920, lebt in Innsbruck.

Helmuth Schönauer 02/12/01