The Future of Success

Man vergißt als Leser leicht die elementarsten Zusammenhänge: Wer sich ein so dickes Buch um diesen Preis kauft, will etwas Vernünftiges von der Wirtschaft hören, nicht etwas über soziale Outlaws und Gefängnisse, die den Spülschaum der Wirtschaft nach dem großen Reinemachen aufnehmen müssen.

Und das Buch des Professors ist ein angenehmes Buch, voller schöner Zusammenhänge und voll von amerikanischem Optimismus. (Dieser unterscheidet sich bekanntlich vom europäischen, weil man dabei die drei Finger der Schwurhand auf das eigene Herz hält, während man die Nationalflagge betrachtet.)

Zweidrittel des Buches sind schön, denn es wird erklärt, wie die Wirtschaftswelt so geworden ist, wie sie heute ist. Die Hauptbotschaft lautet: Es gibt heute keine Sicherheit mehr, entweder man arbeitet jeden Tag noch härter, oder man kann es quasi bleiben lassen. Was mit jenen Menschen passiert, die nicht mit diesem Speed-Modell mitkommen, steht nicht im Buch, denn diese Nachrichten haben offensichtlich nicht College-Niveau.

In der Einleitung für die deutsche Ausgabe bestätigt der Autor Mentalitätsunterschiede zwischen Amerikanern und Deutschen, aber die Deutschen werden es schon noch lernen, denn das amerikanische System ist unaufhaltsam.

Ein Rückblick auf die Wirtschaftsgeschichte der letzten zweihundert Jahre erklärt vor allem die Spezialisierung. Alle Handgriffe, die früher einmal unter einem Dach in der Struktur der Großfamilie gemacht worden sind, werden heutzutage separat durchgeführt, selbst Dinge wie Zuneigung, Harmonie und Wohlbefinden werden Spezialisten überantwortet. In dieser Aufzählung vergißt der Autor wohlweislich die Dienste des sexuellen Wohlbefindens, da diese im Wirtschaftssystem des Puritano-Kapitalismus nicht vorgesehen sind, wie ja überhaupt die Analyse ziemlich abgehoben an der Sonnenseite des Systems durchgeführt wurde.

Im letzten Drittel wird Robert Reich für seine Zukunftsperspektiven bemerkenswert konkret, fast schon zynisch. Der Mensch muß sich einmal entscheiden, ob er härter arbeiten will oder aussteigen. Ein gemächliches Tempo geht nicht. Das Entscheidende sind Kontakte und Selbstmarketing. Die Gesellschaft trifft ununterbrochen eine Auswahl, ob im Schulsystem, Gesundheitswesen oder am Kapitalmarkt: Es gilt, auf der besseren Seite der Trennscheibe zu landen.

Viele Kriterien benützen die Parameter des Universitätswesens, wo es ja hauptsächlich darauf ankommt, an einer Uni mit gutem Image zu landen, und nicht so sehr auf den Inhalt der Ausbildung.

Politisch visionär aber realisierbar sind Vorschläge wie:

- Ausgabe von Vouchers für das Bildungssystem, so daß sich die Schulen von sich aus um die Ärmsten kümmern, weil diese die wertvollsten Gutscheine haben.

- Übermittlung eines Startguthabens an College-Absolventen, damit diese auch realistisch ein Unternhemen gründen können.

- Einführung von Versicherungen gegen Schocks beim Verlust von Arbeitsplätzen.

Im Prinzip tauchen also die guten alten Werte des Solidaritäts- und Gewerkschaftsgedankens wieder auf, freilich delegiert in Einzelverantwortung, um Bürokratismen zu umgehen.

Den Abschluß der Zukunftsanalyse bildet ein kleiner philosophischer Anschnitt über die drei wichtigsten Gesprächsthemen der Gegenwart.

1. Die Wirtschaft funktioniert gut und real, wirtschaftliche Talks bringen Sinn und Anerkennung.

2. Raubbau an der Natur und Grenzen des Kapitalismus müssen thematisiert werden, damit die Wirtschaft nicht außer Kontrolle gerät.

3. Es ist in der speedigen Gesellschaft verdammt schwer, privat ein ausgewogenes Leben zu führen.

Wer diese drei Themenkreise im Auge behält, dürfte mit der Zukunft halbwegs zurecht kommen. Das ist durchaus fröhlich, wenn man bedenkt, daß ein Großteil des Buches ja in einer Aufzählung von bedrochlichen Unsicherheiten besteht.

Robert B. Reich: The Future of Success. Wie wir morgen arbeiten werden. A.d.Amerikan. von Wolfgang Buchalla.

München: Piper 2002. 415 Seiten. 24,60 EUR.

ISBN 3-492-04359-3

Robert B. Reich, geb. 1946 in Buffalo NY, ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Brandeis University.

Helmuth Schönauer 16/07/02