Der Räuber
Schon der Klappentext läßt aufhorchen, der Autor habe den Räuber persönlich gekannt. Der Roman spielt also mit einem faktischen Kern, der darin besteht, daß der berühmteste Räuber der österreichischen Nachkriegsräuberei ein ebenso begeisterter Läufer gewesen ist wie der Autor einer ist.
Es geht in diesem grotesken "Beinhart-Krimi" einerseits um das Laufen und andererseits um die allgemeine Räuberei. Der Reiz des Romans liegt gerade in der Kombination dieser beiden Themen, über die es ja von Schiller oder Robert Walser zur Räuberei und von Günter Herburger oder Silvio Blatter zur Läuferei einschlägige literarische Volksgut-Äußerungen gibt.
Martin Prinz’s Räuber erscheint in drei Aggregatszuständen: Die Flucht des Räubers, der Räuber sitzt in der Falle, und der Tod des Räubers.
Mit dem Räuber ist Rettberger gemeint, der bei seinen Überfällen eine Reagan-Maske verwendet hat. Erzählt wird auf zwei Ebenen, in der Gegenwart der Flucht nach dem Ausbruchs aus der Justizanstalt, bis hin zum Tod, ausgeführt mit der eigenen Waffe. Und in der Rückblende, wo die verschiedenen Überfälle, ein früher Mord, die Tarnung des Lebens vor der Freundin und das Laufen geschildert werden. Höhepunkte und Schweißnähte zwischen beiden Ebenen sind die lakonisch ironischen Sätze über das Leben eines Räubers.
"Ein Räuber wacht in der Früh auf und schaut mit einem ganz entschlossenen Gesicht in den Tag. Ein Räuber muß damit den vor ihm liegenden Tag erschrecken, darf sich jedoch selbst durch nichts erschrecken lassen. Ein richtiger Räuber ist immer hellwach, schläft nur zum Zeitvertreib, liegt selbst im Schlaf immer auf der Lauer." (33)
Der Räuber reflektiert ständig sein Tun, geht logisch vor und schwärmt von der notwendigen Coolneß. Allerdings passieren ihm immer auch kleine Fehler, etwa als er einmal mit derselben Tasche zwei Überfälle macht und der zweite Bankangestellte sein Geld auf die Geldpakete des bereits ausgeraubten ersten legen muß.
Als Leser hilft man von A bis Z zum Räuber, weil dieser einfach der logischere, bessere und auch menschlichere Mensch ist als die Polizisten, die wie Roboter eines bürokratischen Systems agieren müssen. Die Landbevölkerung ist in Zeugenaussagen immer so saudumm, daß ihr recht geschieht, wenn der Räuber fallweise Fluchtfahrzeuge stiehlt.
Der Räuber ist ein wunderbarer Roman, österreichisch sinnlich, wenn es heißt "Göd her!", melancholisch wie der Tormann Bloch in Peter Handkes trockenen Erzählung von der berüchtigten Angst des Tormanns beim Elfmeter. Und letztlich endet der Räuber inmitten einer österreichischen Bühne als stummer Heldentenor. Angeschossen von einem bösartigen Polizistenprojektil, gibt er sich nach abgeschlossener Selbstreflexion den Rest. Diese Ironie des Romans ist ein schönes Bekämpfungsmittel gegen die verbrecherische Ödnis österreichischer Tage.
Martin Prinz: Der Räuber. Roman.
Salzburg: Jung und Jung 2002. 134 Seiten. € 15,90.
ISBN 3-902144-40-8
Martin Prinz, geb. 1973, aufgewachsen in Lilienfeld, lebt in Wien.
Helmuth Schönauer 31/01/02