... heimgekehrt unter das Kreuz des Südens

Ungewöhnlichen Kulturen sollte man sich auch mit ungewöhnlichen Kulturtechniken annähern. Aus diesem Grund hat die Autorin Poesie anstelle von Reisereportagen gewählt, während sie für uns eine seltsame, entlegene Kultur des Amazonas erschließt.

Anstelle von Fotos gibt es wunderbar einfach komponierte Aquarellen von Feliciano Lana, der in der Biographie kurz als Künstler aus dem Volk der Desana bezeichnet wird. Das sagt sowohl von der Herkunft als auch vom sozialen Bewußtsein eine Menge aus.

Die Gedichte sind jeweils punktuelle Konzentrationen eines gigantischen Eindrucks. In einem Kosmos aus Feuchtigkeit, Froschgeräuschen, Dämmerung und Gleichzeitigkeit verschiedener Temperaturen werden die aktuellen Eindrücke festgehalten. Dabei gibt es kein lyrisches Ich oder sonst eine Person, die etwas erlebt, die Eindrücke stehen wie in unseren Gegenden vielleicht Verkehrsschilder kulturstumm und bedeutungsschwer in der Gegend herum. Selbst die Gegend ist meist aufgelöst in einen Komplex aus Laub und Farbe.

"seringueira // weißes blut / tropft klebrig / über den roten stamm / zähe tränen / aus dem tropischen wald" heißt es über eine Gummizapfstelle, und die Methode der Dokumentation durch Begriffe mit weitem Bedeutungsfeld ergibt eine überraschende Genauigkeit und Dichte des dargestellten Zustandes.

In einem einbegleitenden Kommentar zum Land des Amazonas, geschrieben von einem Einheimischen, kommt vor allem das Kopfschütteln über die Kultur der Weißen zum Vorschein. Auch wenn alle Weißen wieder einmal kollektiv zu einem Weißenbild zusammengefaßt werden, schimmert doch der melancholische Schmerz und die subtille Fassungslosigkeit durch, mit der die Bewohner des Amazonas die meist geschäftstüchtigen Weißen sehen.

Dorothea Nürnberg: ... heimgekehrt unter das Kreuz des Südens. Impressionen aus dem Regenwald. Mit Aquarellen von Feliciano Lana.

Innsbruck: Haymon 2002. 100 Seiten. € 19,90.

ISBN 3-85218-388-X

Dorothea Nürnberg, geb. 1964 in Graz, lebt in Wien.

Felicio Lana ist Künstler aus dem Volk der Desana.

Helmuth Schönauer 14/06/02