Jetzt nach fünfzig Jahren haben die frühen Erzählungen dieses unschuldige Licht Tunesiens, das eben frisch aus der Kolonialherrschaft Franjkreichs entlassen voller Neugierde auf der Suche nach der eigenen Lebenskraft ist.

So berichtet ein Maler einmal sehr überzeugend, daß es nun darum gehe, das eigene Licht zu malen und nicht bloß auf den Spuren der europäischen Kunst herumzugaloppieren.

Die Erzählungen haben den Glanz eines aktuellen Lichtbildervortragens mit historischen Aufnahmen. Auf einer Ebene wird erzählt, wie sich verschiedene Gastfreundschaften, Tagesausflüge und politische Tagesgeplänkel abgespielt haben, auf einer hintersinnigen Ebene kommt aber immer das Zeitlose zum Vorschein, Licht, innere Wärme, Herzlichkeit.

Natürlich haben die Texte verschiedene Jahresringe, von der Kernzeit um 1956 angefangen bis zur Gegenwart. Quasi wie in einer russischen Puppe stecken die Jahre ineinander und kommen in authentischer Form zum Vorschein, wenn man sich als Leser die Mühe macht, sie aus der jeweiligen Zeit herauszuzaubern.

Illustriert ist die Erzählsammlung mit Ausschnitten aus dem Skizzenbuch von Luis Stefan Stecher, der den Autor manches Mal begleitet hat. Außerdem unterstützen Fotos und Porträts die Vorstellungskraft der Leser beim Aufbau passender Eindrücke über ein Land, das hinter den Zäunen der Touristenburgen völlig anders ist, als es der Quickie-Tourist je erlebt. Natürlich wirken die Texte manchmal melancholisch, das hat so der Fluß der Zeit an sich, aber Gert Müller beschreibt immer staunend jene Kraft, mit der dieses Wüstenland Tunesien voller Lebenssaft durch die Zeiten steuert.

Gert Müller: Diesseits der Wüste. Geschichten aus den tunesischen Tagebüchern. 1956-2001.

Innsbruck: Haymon 2002. 125 Seiten. € 14,40.

ISBN 3-85218-389-8

Helmuth Schönauer 08/03/02