TIROLER GEGENWARTSLITERATUR 629
Mannsbilder
Ein Land, das ständig mit männlichen Helden seine Geschichte absteckt, läßt sich vielleicht subtiler begreifen, wenn man diesen Mannsbildern einmal von der persönlichen Hinterseite her an den Mythos faßt.
Waltraud Mittich hat eine sehr einleuchtende Form gewählt, um den Lauf der Zeit und das Verglühen der Personen zu beschreiben. Den Dezennien von den Sechzigern bis herauf ins neue Jahrtausend sind jeweils Männer zugeordnet, die im typischen Zeitgeist herumfuhrwerken und dann zugrunde gehen.
Gerade durch Verkehrsunfälle gehen Männerkarrieren mit Vorliebe zugrunde, in den engen Kurven der Provinz zerschellt jeder, der irgendwie zu schnell unterwegs ist. Auch schnelle Gedanken oder Visionen, die über das Tal hinaus ragen, bringen unweigerlich den Untergang.
Die Autorin läßt alle diese Männer mit der Ich-Erzählerin in mehr oder weniger starken Kontakt treten. So entsteht eine seltsame Vermischung aus persönlichen Liebeserfahrungen, Karriereplänen und Unglücken der größeren Art. Einerseits ist die Erzählerin völlig gefesselt und verschlungen von den jeweiligen Mannsbildern, anderseits sind diese weit weg abgelegt in ihren Ritualen der Vergangenheit.
Die Machtrituale werden schonungslos aufgedeckt, die Mächtigen in der Provinz erscheinen alle als entlarvte kleine Buben, denen große Gedankenwürfe versagt bleiben. Aber auch sitzengelassene Frauen, Kellnerinnen für Provinzsex, und ernüchterte Partnerinnen tragen dazu bei, daß das geheimnisvoll unzüchtige Treiben der Mannsbilder immer wieder ans Tageslicht fördert wird.
Als Leser ertappt man sich in die eigene Zunge verbissen, wie man Mitleid bekommt mit diesen Provinzgeistern, die ständig aus dem falsch antrainierten Habitus fallen. Bemerkenswert ist die Position der Ich-Erzählerin. Weit genug weg, um ins autobiographische Strudeln zu kommen, hat diese Stimme etwas Prophetisches einer "Saligen Frau", wie sie Anita Pichler in ihren Texten immer wieder hat aufleuchten lassen.
Waltraud Mittich: Mannsbilder. Prosa.
Innsbruck: Skarabaeus 2002. 117 Seiten. 12,-.
ISBN 3-7082-3116-3
Waltraud Mittich, geb. 1946, lebt in Bruneck.
Helmuth Schönauer 20/01/03