Megaphilosophie
Wie schon der Name sagt, ist eine Megaphilosophie keine, die mit dem Megaphon ausgerufen wird, sondern ein ganzes Philosophiesystem, das wie eine Religion Glück verheißt.
"Jede Religion beinhaltet maximal vier Angebote: Metaphysik, Moral, Gemeinschaft und Schöpfungslehre." (45)
"Die Geschichte der Metaphilosophien ist eine Geschichte des Aufkommens und Verschwindens gesellschaftlicher Realitäten." (155)
Joachim Koch, der momentan in Rom lebt und ein Internet-Portal über Philosophie betreut, gelingt mit dem Buch "Megaphilosophie" etwas Faszinierendes, einerseits rast er mit hohem Gedankenspeed durch die Probleme des Daseins und andererseits ist er kühl und verhalten und stützt sich auf vorhandene Fakten.
Sein Denkansatz besteht darin, daß man zuerst die Probleme bestaunen und analysieren soll und erst dann die passenden Lösungen dazu finden soll. In der Philosophie geht es ja leider meist umgekehrt zu, zuerst sind Philosophen und ihre Lehren im Lehrbuch und dann überlegt man krampfhaft, was man daraus machen könnte.
Ganz in der Rage des Entweder-Oder von Kierkegaard pflügt Joachim Koch durch die Problemstellungen der Gegenwart, das Buch heißt in der Erstausgabe auch Weder-Noch. Im Mittelpunkt steht die Heilslehre der Ökonomie, die zwar ständig propagiert und aktiviert wird, bei der aber niemand das Endziel und die Erlösung kennt.
Im Sinne des Weder-Noch sind auch die einzelnen Kapitel als schizophrene Begriffszwillinge angelegt: Bedürfnis und Bedürftigkeit; Empfindung und Empfindlichkeit; Mut und Unmut; Hort und Hortung; virtuos und virtuell; Idealismus und Ideologie. In der Spannung dieser Begriffspaare entsteht das Denken wie von selbst. Und der Autor geht sorgfältig mit dieser Spannung um und transformiert sie fallweise für den Leser, indem er historische Denkstrategien unterlegt oder Irrläufer der Philosophie einflicht.
Der Kult mit den Therapeuten, die Verzweiflung der Unternehmer, die Grenzen der Manager kommen ironisch auf die Schaufel, aber der Autor ist kein Totengräber und entläßt die aufgegriffenen Heroen etwas ramponiert und geläutert. Dem Leser vergeht die Zeit wie beim Lesen einer wilden Abenteuergeschichte, denn implizit ist es ja seine Geschichte, die da hier erzählt wird, und die Aufklärung kommt so nebenher und ohne den missionarischen Touch, den sich die Aufklärung gerne umhängt.
Dieses Buch über die Megaphilosophie ist "mega-steil", wie der Fachausdruck der Kids dafür heißt.
Joachim Koch: Megaphilosophie. Das Freiheitsversprechen der Ökonomie. [Orig.: Weder-Noch. Ffm, Büchergilde Gutenberg 2001.]
Göttingen: Steidl 2002. 448 Seiten. EUR 18,00.
ISBN 3-88243-807-X
Joachim Koch, geb. 1954, lebt in Rom.
Helmuth Schönauer 14/02/02