Stefan David Kaufer

TIROLER GEGENWARTSLITERATUR 625

Die Muse des Bademeisters

Laut Umschlag handelt es sich um mehrere Erzählungen, im Inneren ist von einer einzigen durchgehenden Erzählung die Rede und eigentlich hat Stefan David Kaufer einen handfesten Roman geschrieben voller Witzigkeit und schräger Kühnheit.

"Er war Bademeister geworden, um mehr von den Frauen zu sehen." So ein anregender Eröffnungssatz stößt die Erzähltür weit auf in die Erlebniswelt voller Alltag und höchster Fiktion.

Erzählt wir nicht mehr und nicht weniger als die Geschichte der Erfindung. Ein Bademeister biegt in einem Berliner Schwimmbad das Berufsleben herunter, braungebrannt und erotisch angeregt animiert er Kinder, die gerade frisch ertrunken sind, oder kümmert sich um verschütt gegangene Taucherbrillen. Und gleichzeitig ist er Schriftsteller, oder der Schriftsteller ist in seiner zweiten Tageshälfte Bademeister, oder der Bademeister erfindet bei der Arbeit einen Schriftsteller, der einen Bademeister erfindet.

Im Becken schwimmt scheinbar eine jener Frauen, wegen der der Bademeister seinen Beruf ergriffen hat, um ihr nahe zu sein. Aber dann stellt sich heraus, daß sie eine Muse ist, plätschert und fuchtelt elegant im Wasser herum, so daß wie von selbst ein neuer Text entsteht, noch nie dagewesen, ganz was Neues, der Nouveau Nouveau Roman.

Der bewährte Roman Nouveau, eine Literaturströmung der fünfziger Jahr, in der möglichst gefühls- und schattengenau kalt erzählt wurde, wird durch den schreibenden Bademeister noch eine Spur aufregender, aktuell und antik. Denn der an der Fiktion herumbastelnde fiktionale Autor behauptet nichts Geringeres, als daß in einem so bärbeißigen Text wie Canettis "Fackel im Ohr" die Odyssee steckt.

Das von der Muse umspülte Dichterwesen muß letztlich auf zwei Seiten fit sein: einmal soll der Literaturgeschichte noch zu Gegenwartszeiten ein aktueller Trend hineingepreßt werden, zum andern muß das Badewesen in Schuß gehalten werden und die Badeleitung stets beeindrucken. Und dazwischen wimmelt es nur so von ausgefallenen Heizungen, widrigen Wohnungsumständen und lustlos hinutergefressenen Lebensmittelhappen.

Stefan David Kaufer erzählt eine ironische Literaturgeschichte, in sämtliche Richtlinien, Fiktionen und kreativen Musenschübe jeweils über das Ziel hinausschießen in die volle Trivialität. Ein guter Bademeister ist voller Geschichte, wenn ihn die Muse küßt. Und die Muse küßt eher einen Bademeister als einen Schriftsteller, weshalb der Text immer auch in einem weiten Bademantel voller Pfiffigkeit und Kühnheit eingeschlagen ist.

 

Stefan David Kaufer: Die Muse des Bademeisters. Erzählungen.

Linz: Resistenz 2002. 113 Seiten. € 15,-.

ISBN 3-85285-089-4

Stefan David Kaufer, geb. 1971 in Saarbrücken, Jugend in Innsbruck, lebt in Berlin.

Helmuth Schönauer 16/12/02