Strandung
Gerarad Kaduths Texte brechen die Grenze zwischen Lyrik und Prosa immer wieder auf, so ist es fast logisch, daß im Buch "Strandung" beide Aggregatszustände der Literatur vorkommen.
In einem Vorspann berichtet der Autor von der Entstehungsgeschichte der Texte, sie sind angefallen durch aufmerksames Beobachten und Speichern, bei einer ersten Sichtung ist dann soetwas wie ein Richtstrahl entstanden, an dem die einzelnen Texte aufgefädelt sind.
"Zum einen geht es um Stranden im Sinne von scheitern, das Verfehlen mehr oder weniger wichtiger Ziele, Auseinanderklaffen von Anspruchs- und Leistungsniveau, manchmal auch um die ‘conditio humana’, die Endlichkeit der menschlichen Existenz an sich. Je nach Perspektive kann eine solche Strandung tragisch oder komisch wirken..." (7)
Wie in seinem Hauptberuf als Richter, wo es darum geht, Prozesse nicht nur nach der Prozeßordnung zu führen, sondern die einzelnen Tatbestände zu rekonstruieren, legt Gerard Kanduth in diesem Einführungstext auch seinen Schreibprozeß klar, damit ihn der Leser an Hand der Texte rekonstruieren kann.
Schließlich sind auch die Koordinaten der Texte bemerkenswert, VERTIKAL und HORIZONTAL geben Vernetzungsrichtlinien vor, die einzelnen Partikel können tatsächlich wie ein Kreuzworträtsel gelöst werden, die Botschaft besteht nicht nur aus semantischen Verknotungen sondern aus dem Koordinatensystem generell.
Die beinahe zu Epigrammen zusammengeschliffene Lyrik hat zwischendurch etwas Straffes wie ein Urteil, wenn es etwa heißt: "weisheit wird / diskontiert // erfolg / gepachtet" (38) An anderer Stelle schlägt das Bonmothafte einer sogenannten Volksweisheit durch. "teure persiflage // erst / die lacher / auf seiner seite // dann / die prozesskosten / am Hals" (18) Und eine dritte Nuance könnte man mit Spruchweisheit bezeichnen. "manchmal / ist die spitze / der ganze / eisberg" (37)
Die Prosa-Texte sind einerseits verdichtete Reiseeindrücke, beispielsweise die Venezianische Impressionen, anderseits meditative Umkreisungen von Alltagserlebnissen, die plötzlich eine völlig neue Dimension entwickeln, etwa im Text ‘Der Ausflug’.
Eine Besonderheit stellen die prosaischen Litaneien dar, worin ganz im Sound der Liturgie Sätze zu einem neuen Sinn zusammengehauen werden, wie etwa der Steinmetz eine Inschrift aus dem Stein haut.
Bernd Svetniks Bilder sind ein wesentlicher Bestandteil im Konzept der Strandung, wie der Autor schreibt. Auch hier stand zuerst ein riesiger Fundus in Gestalt von Bild-Fotografien zur Verfügung, aus dem dann der Autor wie in einem Setzkasten von Gemälden, Grafiken und Drucken die entsprechenden Strandungs-Bilder ausgewählt hat.
Schließlich sei noch aus einem Mail des Verlegers zitiert, wonach dieser erstmals einen Lyrikband in einer sogenannten "versteiften Aufmachung" herausbringt, damit die Lyrik auch den entsprechenden Halt beim Leser habe. Und Gerard Kanduth Texte haben sich diese sorgfältige Edition durchaus verdient.
Gerard Kanduth: Strandung. Gedichte und andere Kurztexte mit Bildern von Bernd Svetnik. Bielefeld, Münster: Neues Literarturkontor 2002. 87 Seiten. € 16,-. ISBN 3-920591-65-3
Gerard Kanduth, geb. 1958, lebt in Klagenfurt.
Helmuth Schönauer 11/02/02