Schundroman

Knalliger Umschlag, ein Titel, der ins Herz der Schmutz-und-Schund-Kampagne der Kindheit zielt, Preisangabe am Umschlag, der Marktschrei: Ungekürzte Originalfassung! und die bittersüße Frage des Helden am Cover: "Warum tut lieben mehr weh als töten?" - Endlich ein Buch, das von vorneherein Emotionen und Ironie einfordert, denn wer das alles wörtlich nimmt oder gar als Germanistenliteratur, der hat als Leser schon vor der ersten Seite ausgespielt.

Und am Klappentext gibt es statt des aufgeblähten Blablas einfach ein Register der Personen in der Reihenfolge ihres Auftretens.

Nutten, Privatdetektive, outgesourcte Polizistinnen, Spontandichter, Großkritiker und Akquisiteure aller Art kommen aus allen Windrichtungen zu Frankfurter Buchmesse zusammen, um hier einen Plot voller Schund zu erledigen. Längst ist das Drumherum zur Buchmesse ein schundiger Krimi geworden, und so wirkt der sogenannte erzählte Schund erst recht authentisch.

Eine Edelnutte hat sich einen Picasso ervögelt, indem sie den Lover beiseite geschafft und die Erbschaft des Kunstwerkes angetreten hat, ein geheimnisvoller Drahtzieher für Bohrgeschäfte und Bohrungen der sexuellen Art versucht, seinen kriminellen Machenschaften etwas Nachdruck zu verleihen, ein Killer im Standby-Modus läßt sich für einen Auftrag hoch fahren und betritt wieder Frankfurt, woraus er vor Jahren wegen eines Mordes geflohen ist. Während der Buchmesse steht die Literatur als Karikatur überall im Weg, so ist es nur logisch, daß ein Großkritiker aus Versehen ermordet wird. Um von der gesuchten Picasso-Nutte abzulenken, haut der reaktivierte Killer nämlich dem Großkritiker auf die Nase, und dieser stirbt an der Scham über diese Herabsetzung, nicht am Nasenbeinbruch.

Natürlich wird der Tod des Kritikers zu einem literarischen Ereignis aufgeplustet, aber gerade das gewöhnliche Ende macht den Schund aus.

Bodo Kirchhoff erzählt, was das Zeug hält, im Zweifelsfalle wird die Banalität mit einem literarischen Sinn ummantelt nach dem Motto: je banaler um so literarischer. Schundroman zeigt die deutschsprachige Literatur an ihrem Frankfurter Buchmessen-Höhepunkt, die Leser erfahren Plattitüden von der Hinterseite der Performance, und das ist schließlich der erlösende Balsam der Realität.

Bodo Kirchhoff: Schundroman. Roman.

Frankfurt/M: Frankfurter Verlagsanstalt 2002. 315 Seiten. 19,80 EUR.

ISBN 3-627-00095-1

Bodo Kirchhoff, geb. 1948, lebt in Frankfurt/M. und am Gardasee.

Helmuth Schönauer 04/08/02

 

Tirol in der Weltliteratur

Ein Golf ist kein Jaguar, schon gar nicht ein alter Golf, aber Helen und Feuerbach waren noch bei Dunkelheit gestartet, nach nur drei Stunden Schlaf, und dann entgegen allen Golf-Benutzer-Theorien mit sturem Tempo und ohne ein Wort zu reden auf der mittleren Spur gefahren. Auf diese Weise hatten sie bereits gegen Mittag die Horrorstrecke nach München und zwei Stunden später auch den Haider-Abschnitt bis zum Brenner geschafft.

Bodo Kirchhoff, Schundroman, Seite 243

 

 

BT

Nicht alle Bücher können zur Lösung eines Problems beitragen

Er holte die Waffe vom Tisch und steckte sie ein. "Gibt's hier irgendwo Bücher?"

"Was für Bücher?"

"Literatur und so Zeug. Ich brauch was Gutes zu lesen."

"Kommen Sie mit" Helen ging in Nolas Zimmer, dort gab es eine ganze Wand aus Büchern; Willem folgte ihr.

"Die gehören aber nicht mir", sagte sie.

"Ich bring's ja zurück."

"Was suchen Sie denn?"

Hold tat so, als würde er nachdenken.

"Krimis?"

"Nein, hab ich selbst."

"Oder was mit Sex?"

"Ich sagte, etwas Gutes. Da gibt's jetzt einen neuen Roman, habe ich auf der Messe gesehen, von einem Ollenbeck oder so."

Helen ging die Reihen durch, Nola war sehr ordnungsliebend, was ihre Bücher betraf. "Nein", sagte sie, "da steht unter O nur Die Geschichte der O.

Willem verbeugte sich. "Dann geh ich jetzt besser, danke für alles."

Aus Kirchhoff, Seite 223