Klerikale Irrtümer
Schon von der ersten Seite an fühlt man sich als Leser in eine alt-kauzige Vorabendserie versetzt, in der nach dem Drehmuster von "der Doktor und das liebe Vieh" recht liebenswürdig um den Sinn von Leben und Tod gekämpft wird. Edmond Music, von Beruf professioneller Kleriker, liest in einem Pariser Cafe von seinem eigenen Tod zu Hause in England. Aber dort ist nur sein Auto an einer berühmten Eiche zerschellt mit einem Gläubigen drin, der den bremsdefekten Wagen in die Werkstatt schaffen sollte.
Des Klerikers Mission in Paris war wieder einmal ein Fehlschlag, wie überhaupt in der Replik sein Leben ein einziger Fehlschlag ist, aber immerhin einer, der mit dem Auge zwinkert.
Begonnen hat es schon mit der Erziehung, als der heranwachsende junge Mann in Frankreich vom Judentum zum Katholizismus konvertieren mußte, weil unter den Nazis nicht Leben, sondern Überleben angesagt gewesen ist. Und wenn schon konvertieren, dann gleich ordentlich! So ist Edmund Music hoffnungsfroher Kleriker geworden.
Als schon ziemlich betagter Mann schreibt er nun so etwas wie ein selbstgnädiges Resumme und bittet zwischendurch die Leserschaft um Geduld und Nachsicht, denn so gut wie alles verläuft in der Lebensaufzeichnung anders als in der offizellen Kirchengesellschaft.
Einprägendes Erlebnis war eine Beinahe-Schwangerschaft der Haushälterin Maude, und als diese bereits ein wertvolles Buch verkauft hat, um die Zukunft des Kindes zu sichern, bleibt dann doch die Schwangerschaft gottgewollt aus. Aber strafweise muß Hochwürden für eine Weile bei seinen nächtlichen Streifungen Kondome überziehen. Überhaupt ist alles anders als man es sich landläufig und keusch vorstellt, so erweist sich auch die Religion letztlich als ziemlicher Humbug, über den man aber besser nicht die Wahrheit sagt.
Als schließlich der Todfeind Twombly auftaucht, um am Pfarrgelände das verkaufte Buch zu visitieren, gerät die ganze Sache ziemlich in die Nähe der irdischen Strafgerichtsbarkeit.
Alan Isler hat einen schrulligen Eigenbrötlerroman geschrieben, in dem Lebenskunst, Philosophie und Bibliothekskultur recht individualistisch ausgelegt werden. Der Sinn des Lebens besteht unter anderem darin, daß man über die großen Dinge schweigt und sich seinen Teil denkt. Denn nichts ist letztlich subversiver, als die feierliche Zelebration von Irrtümern, die niemandem weh tut, alle glücklich macht und dennoch der Wahrheit ihren freien Auslauf gibt.

Alan Isler: Klerikale Irrtümer. Roman. A. d. Engl. von Stefanie Schaffer-de Vries. [Clerical Errors].
Berlin: Berlin Verlag 2002. 367 Seiten. 20,50 EUR.
ISBN 3-8270-0383-0

Alan Isler, geb. 1934 in London, ging 1952 nach New York, lebt wieder in London.
Helmuth Schönauer 12/08/02