Die Sinn-Macher

Sinn ist eine knappe Resource und muß gut eingeteilt werden, heißt es einmal. Sinn-Macher sind also im Prinzip die gefragtesten Leute überhaupt.

Die Aggredienzien für den Sinn sind mannigfaltig, allein das Register schlüsselt an die fünfhundert Begriffe auf, die im Buch angesprochen werden.

Die Frage nach dem Sinn ist überhaupt erst im letzten Jahrhundert entstanden, dafür stellt sie sich heute fast schon bei jedem zweiten Satz und sei es nur durch die verblüffende Frage in Alltagsangelegenheiten, "macht das Sinn?" (Macht es Sinn, auf die nächste Straßenbahn zu warten?) Und auch Bundeskanzler Schröder stellt die aus dem Englischen übersetzte Frage nach dem common sense in jedem Interview als rhetorische Frage, ob etwas Sinn macht.

Gertrud Höhler beschreibt die politische Lage nach dem Zusammenbruch von e-commerce und dem Desaster von nine-eleven. Aus der globalen Analyse entwickelt sie die Maßnahmen für die Individuen.

Ein einleuchtender Knackpunkt ist sicher die Überlegung, daß Kinder ihre Alphatiere nach ganz anderen Kriterien auswählen als später die Entscheidungsträger in der Wirtschaft. Gefragt ist bei Kindern vor allem die Fähigkeit zur Agreeableness, das ist das sogenannte "angenehme Wesen". Sobald die Schulbildung Überhand bekommt, gelten plötzlich andere Parameter für die alphabetisierten Alphatiere.

Gertrud Höhler rechnet immer auch mit den alten Maßstäben ab und benützt stellenweise einen recht apodiktischen Stil, etwa durch die Anhäufung der sprichwortartigen Stakkatos "Wer - der". In diesen Text, der zwischendurch dem martialischen Aufgeputze eines marschierenden Gedankenrudels gleicht, sind einleuchtende Schautafeln eingebaut, die mit der Methode eines großen Spickzettels diverse Thesen überschaubar zusammenfassen. Bespielsweise die These von den jungen Revolutionären der Human Economy (110):

"Eine Leistungssethik neuer Ordnung:

Männer, Frauen und Kinder leben, arbeiten und genießen gemeinsam.

Karriere und Leben gehören zusammen.

Kinder werden geliebt und geachtet.

Frauen sind Mitspieler - nicht Wächterinnen für Ruheräume.

Männer begreifen, daß Verzicht kein Mittel zum Erfolg ist.

Sinnhungrige Jugend ergreift Verantwortung.

Ihre Botschaft: Die Produkte der Zukunft sind die Träume unserere Kindheit.

Endlich wieder eine große Vision:

Das Leben soll mehr als Nutzen, es soll SINN machen."

Am Beispiel der medialen Katastrophenmanager des 11. Septembers (US-Präsident Bush und NY-Bürgermeister Giuliani läßt sich auch studieren, was den Erfolg von Sinn-Machern ausmacht: (308)

# Unbeugsamkeit und Glaubwürdigkeit;

# Versprechen halten;

# klare, täglich wiederholte Botschaften, die im Kern zusammenpassen;

# reale Präsenz an den Orten des Sinnverlustes;

# Mut und Leidenschaft;

# Lob und Belohnung für die vielen Sinn-Macher, die Helden auf allen Stufen des Geschehens -

# Prinzip: Die eigene Heldenrolle mit anderen teilen.

Irgend wie stylt sich Gertrud Höhler natürlich auch selbst als Sinn-Macherin, was man ätzend auch als Selbstsinn-Macherin auslegen könnte. Das ausführliche Kapitel über die Fitness-Kultur macht natürlich nur den einen Sinn, die Sportler als Klienten zu betreuen. Immerhin ist es eine fragwürdige These, wonach man Betriebe "sportlich" führen sollte, also braungebrannte Typen können eines Tages ja als braune Typen enden, das hatten wir schon einmal.

Gerade als man glaubt, das Buch sei irgendwie gut ausgegangen und man könne sich mit den Thesen anfreunden, kommt der hyper-pastorale Oberhammer angeflogen. Also Jesus als guten Hirten und Sinn-Macher hinzustellen, ist eben glatte Themenverfehlung. Aber so sind diese pastoralen SchafhüterInnene eben, wenn etwas schon gelungen ist, blöken sie noch eines drauf, damit wieder Dreck am Stecken des Hirten ist. Ärgerlich!

Gertrud Höhler: Die Sinn-Macher. Wer siegen will, muss führen.

München: Econ 2002. 371 Seiten. € 25,70.

ISBN 3-430-14715-8

Gertrud Höhler ist Beraterin für Politik und Wirtschaft.

Helmuth Schönauer 08/07/02