Professionelles Speed Reading

Richtiges Lesen braucht wie ein Flugzeug beim Start eine gewisse Geschwindigkeit, damit ein Auftrieb entsteht. Und gerade für das Lesen im Internet ist ein dynamischer Lesespeed notwendig, will man sich in den schnell abgescrollten Seiten halbwegs zurecht finden.

Gerhard Hörner stellt am Begin zur Ermunterung ein paar Weltmeister im Schnelllesen vor, damit man sich einen Begriff von der Schallmauer der Lektüre machen kann. Rein theoretisch könnte man 30 000 Wörter in einer Minute erfassen, durchschnittliche Menschen sollten aber froh sein, wenn sie die Geschwindigkeit von 200 auf 400 Wörtern in der Minute steigern können.

Angefangen hat die Kunst des Speed Readings übrigens bei der Royal Airforce, als man Piloten darauf hin trainierte, feindliche Maschinen in Sekundenbruchteilen zu identifizieren.

Wichtig für ein flottes Lesen ist daher das Augentraining. Die Augen werden dabei trainiert wie Sportlermuskeln, auf Graphiken fährt man mit den Augäpfeln so lange vorgegebene Linien ab, bis die Augäpfel geschmeiding sind wie frisch geölte Kugellager.

In anderen Übungen geht es darum, verschiedene Texte kreuz und quer zu überfliegen, Zahlen aus einer Kolonne herauszufiltern, mit den Methoden des Zeilenschwungs, des Rückwärtsschwungs oder des S-Schwungs den Text zu durchpflügen und gleichzeitig die Schlüsselbegriffe im Auge zu behalten.

Anhand von Mind-Mapping wird gezeigt, wie man mit Schlüsselwörtern kreativ arbeiten kann. Eingeflochten sind immer wieder Lesetipps zur Beleuchtung, Sitzhaltung und zur allgemeinen Konzentration.

Das letzte Kapitel widmet sich dem Photo Reading. Offensichtlich traut der Autor dieser Methode selbst nicht ganz über den Weg, denn er schlägt zuerst einen Test vor, ob man überhaupt ein Photo-Typ ist. Das Photo Reading geht dann schon ziemlich stark ins Esoterische, um es einmal salopp zu formulieren. In einer Aura zwischen Trance und Bewußtseinsillumination sollte man die Texte durchblättern, und damit hätte es sich dann angeblich ausgelesen.

Vielleicht sollte man sich aber eher an den Tipp halten, wonach man nur das verstehen kann, was man auch verstehen will. Also zwischendrin sollte sich jeder Leser die Frage stellen, warum er den vor ihm liegenden Text eigentlich lesen will. Vermutlich kann man dann viele Texte ungelesen weglassen, was umgerechnet auf die Lebenszeit ja auch die gesamte Lesegeschwindigkeit erhöht.

Gerhard Hörner: Professionelles Speed Reading.

Landsberg am Lech: mvg 2001. 96 Seiten. 10,20 EUR

ISBN 3-478-86015-6

Gerhard Hörner ist seit 1993 freier Journalist und Autor.

Helmuth Schönauer 06/09/02