Jähe Zeiten

Nichts ist so plötzlich wie der Alltag. Ollie Ewing hat eine Zeit lang in London gelebt und dem großen Lärm des Daseins auf den Punkt gefühlt. Jetzt ist er wieder in seine Heimatstadt zurückgekehrt und plötzlich ist das ganze Koordinatennetz der Empfindungen zusammengebrochen.

In kleinen Erzählschnippseln leuchtet Dermont Healy das zerstückelte Leben seines Helden aus.

Pointilistische Sequenzen aus dem Alltag, kleine Refelxionsschübe, dann wieder der Versuch eines kleinen Aufsatzes zu einem kleinen Thema, alles endet in einer minimalistisch ausgelegten Verstörung.

"Sehen Sie, beim Ohr haben Sie drei Teile. Sie haben das Trommelfell, dann das Innenohr und das äußere Ohr. Da staut sich der Druck.

Hören sie auf.

Und wenn Sie zum Innenohr kommen, sind sie auch schon beim Gehirn." (135)

Alles dringt als Bedrohung ins Innere des Körpers vor, die Empfindungen, Belehrungen und Kommentare sind letztlich durchgehend strukturierte Irritationen, die zu einem erbärmlichen Zustand führen, den jähen Zeiten.

Über diese innere Zerstörung des Helden ist eine große Geschichte der allgemeinen Befindlichkeit gelegt. Im Sinne von Lokalreportagen wird die Großstadt London als die ferne Protuberanz der Gegenwart gezeigt, während die aktuelle Lage in der Kleinstadt sich in tausend Nadelstiche aufsplittet. Zwischen diesen Polen einer Öffentlichkeit, die halb wahnsinnig geworden ist, und der verklemmten Innerlichkeiten eines Helden, der halb den Verstand verliert, sprinkeln die Partikel eines Kleinstadtlebens auf und ab.

Jähe Zeiten sind ein spritzig erzählter Versuch, einen schweren Stoff voller Melancholie erträglich und manchmal sogar ironisch aufzubereiten.

Dermot Healy: Jähe Zeiten. Roman. [Sudden Times]. A.d.Engl. von Hans-Christian Oeser.

Hamburg: Hoffmann und Campe 2001. 350 Seiten. € 22,95.

ISBN 3-455-02976-0

Dermot Healy, geb. 1947 in Finea, lebt in Irland.

Helmuth Schönauer 14/03/02