Der Bildverlust

Bei einem Großschriftsteller sind ja immer gleich die Großrezensenten zur Stelle und schreiben in den großen Blättern vermutlich alles, was es so in diesem Milieu zu sagen gibt. Die Gefahr besteht dann für das Buch, daß es zwar viel gekauft und angelesen wird, daß sich aber vom "Lesevolk" kaum mehr jemand dafür interessiert.

Hier handelt es sich um eine typische Kleinrezension, und auch wenn ich meinen Namen drunterschreibe ist es eine anonyme Stimme, aber einen großen Gedanken habe ich, anläßlich des Erscheinen von Buch und Rezensionen.

Könnte es nicht sein, daß Peter Handke einfach aus der Zeit, dem Milieu und dem Literaturbetrieb ausgestiegen ist? Also eine Verafterung großen Grades, ohne aber dieses Verarschen groß an die Glocke zu hängen.

Also kurz gesagt, den großen Don Quijote, den ja auch kaum jemand liest oder gar versteht, als Muster zu nehmen, wie man aus der Literatur aussteigen kann. Und dann eine Handlung genauso dick aufzutragen, daß die Germanisten noch mitkommen, aber sofort abdriften in ihre Innerlichkeiten und Scheinprobleme, das könnte wirklichen großes Ereignis sein.

Ich stell mir Peter Handke vor, wie er alles erreicht hat, was auf dieser Welt zu erreichen ist, wie er nicht einmal die Kritiker anspucken muß, weil sie sich ja selbst bespucken, wie er einfach aufsteht und sagt, ich schreibe allen zu Fleiß einen großen Scheiß!

Und dann entsteht dieser große Wurf, ein Buch, das unheimlich beruhigt, weil es die Hoffnung formuliert, daß es hinter dem Literaturbetrieb eine echte Literatur geben könnte, wenn auch nur ganz luzid, wie zwischen zwei Flügelschlägen der anvisierten Windmühle.

"Frage des Gegenspielers: ‘Ungeschickter Ernst der Ausgespielten und Gestrandeten, worin schon die Ansätze und Elemente eines neuen Spielens zu beobachten sind?’" (S.531)

Der große Rest steht in den Groß-Rezensionen!

Peter Handke: Der Bildverlust oder Durch die Sierra de Gredos. Roman.

Frankfurt/M: Suhrkamp 2002. 759 Seiten. € 30,80.

ISBN 3-518-41310-4

Peter Handke, geb. 1942 in Griffen, lebt in Paris.

Helmuth Schönauer 16/03/02