Vom neuen Erzählen

Der ursprüngliche Titel "Gipfelstürmer und Flachlandgeher" mußte wegen der Verwechslung mit den Alpinisten in die Unterzeile rücken, sagt der Verleger schmunzelnd. Und auch mit dem jetzigen Titel wird Walter Grond bei Lesungen meist mit Kuhaugen angeglotzt, er ist nämlich einer der wenigen Autoren, die für das Schreiben eine Theorie haben. Ein Kerngedanke des Grondschen Erzählkosmos lautet: Es gibt eine Literatur für Autoren, Nicht-Leser und Leser. Wenn man nach diesesem Gedanken-Set handelt, werden viele Mißverständnisse von vorneherein vermieden und es gibt glückliche und zufriedene Autoren und Leser. So läßt sich auch verstehen, warum die Avantgarde immer zu weit von den Usern entfernt ist und so letztlich nichts bewirkt. Eine unterhaltsame These zum Thema Seitenblicke auf Autoren beschäftigt sich mit dem Thomas-Bernhard-Kult. Vom Wetterfleck bis zum Theaterskandal habe der im Koservativismus etablierte Autor alles zur Selbstinszenierung unternommen, ein Vorläufer von "Taxi orange" gewissermaßen, nur daß als Beobachtungsbox ein behäbiger Bauernhof in Ohlsdorf diente. Zur Funktion der Soap-Opera im Fernsehen der Dritten Welt gibt es die Vermutung, daß diese Literatursorte nicht nur von den Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Resourcen ablenken soll, durch die Erzählstrategie, jederzeit in jede Geschichte einsteigen zu können, wird letztlich auch der politische Kontext aufgelöst in versprengte Eintagserfahrungen ohne irgendeinen Zusammenhang der Erlebnispartikel. Wenn es neue Medien gibt, gibt es dann auch ein neues Erzählen? fragt der Autor und zieht ein Resumee: "Neues Erzählen kann also eine Literatur meinen, die entlang von Stoffen geschrieben wird, die Figuren, Beziehungsgeflechte und Handlungsbögen entwirft und die Fiktion als eine erprobte und erfolgreiche Kulturtechnik einsetzt und damit einen Brückenschlag zwischen der Geistesgeschichte und der technischen Rekombination im Zeichen der digitalen Codes versucht." (13) - Und trotz aller Theorie erzählt Walter Grond in seiner Liteartur aufregend und spannend, ein typischer Fall für Literatur für Leser also.

Walter Grond: Vom neuen Erzählen. Gipfelstürmer und Flachlandgeher. Essays, Gespräche, E-Mail-Dialoge. Innsbruck: Haymon 2001. 180 Seiten. 298,- ATS. € 17,90. ISBN 3-85218-363-4

Walter Grond, geb. 1957, lebt in Aggsbach Dorf/Wachau.

Helmuth Schönauer 17/10/01