GEGENWARTSLITERATUR 1202

Stadt, Land und danke für des Boot

Normalerweise vergehen zwischen den einzelnen Realsatiren René Freunds ein paar Tage, wenn nicht Wochen, sie erscheinen nämlich im Extra der Wiener Zeitung und haben sich sowohl einen Platz in der Zeitung als auch im Herzen der Fans erobert. Als Buch verdichtet kriegen die einzelnen Episoden der schrägen Art noch einen zusätzlichen Drall und e entsteht etwas wie ein Münchhauseneffekt. Durch die Anhäufung unglaublicher Begebenheiten werden diese wahrscheinlicher, je unwahrscheinlicher sie sich ausgeben.

Die einzelnen Episoden sind immer auf das erlebende und testende Ich zugeschnitten. Der Ich-Erzähler macht für uns Leser etwas durch, um uns etwas zu ersparen. Andererseits wird dieses Erlebnis dann wieder so spannend, daß wir es selbst durchmachen wollen, auch wenn immer wieder abschreckende Komponenten eingebaut ist.

So sind im ersten Teil die Erlebnisse vom Leben auf dem Land immer wieder um ein hyperkluges Kind herumdrapiert, das man zwar bewundert, in dieser neunmalklugen Art aber nicht haben möchte. Die Realsatiren bringen hier große Erleichterung für den Leser, daß sie nur Texte sind und nicht echte Kinder.

Im nächsten Abschnitt ist von Reisen die Rede, die natürlich ein schreckliches Kapitel Bundesbahn beinhalten. Zwischen dem kleinen Endbahnhof im Almtal und dem endgültigen Puffer am Wiener Westbahnhof dreht so mancher an einer Schraube im Waggon, und statt kalt oder warm wird letztlich nur der Schalter induziert.

Hypochondern ist ein Kapitel gewidmet, da sie ja besonders unter dem jähen Wandel von Schein und Sein zu leiden haben. Und immer wieder sind es die Sprachabenteuer, die regelmäßig ins so sauber abgesteckte Feld der Grammatik und Semantik eindringen. "Wellness-Overkill" nennt sich eine Serie, in der die blödesten Schlagwörter der Saison dokumentiert werden. Aber auch Schattenparker, Gurtanleger oder Höhepunkt-Rauszögerer, jeweils nachgebildet den Warmduschern oder Festnetztelefonierern, haben schon während sie von uns Lesern im Text gefunden werden unsere größte Sympathie und Vorbildfunktion. Daß der Fleischkäs eigentlich ein Schlachtabfall-Soufflé ist, erklärt seine Beliebtheit bei den Österreichern.

René Freund arbeitet sich tapfer durch den Wald voller schräg gewachsener Bäume und schneidet diesen Woche für Woche die Wipfel ab. Denn das ist sein Markenzeichen: Er kippt die Geschichten am Scheitelpunkt ihrer Logik und stellt sie dann ungespitzt in den Boden.

René Freund: Stadt, Land und danke für des Boot. Realsatiren.

Wien: Picus 2002. 141 Seiten. EUR 16,90.

ISBN 3-85452-460-9

René Freund ist Schriftsteller und Journalist.

Helmuth Schönauer 02/11/02