Grünes Licht
Grün im Titel ergibt in einschlägigen Katalogen eine gewaltige Ansammlung von Grün-Titeln. Peter Enziger hat diesen Titel bewußt gewählt, beschäftigt er sich doch in einen Großteil seiner Texte mit der Neuverteilung möglichst globaler Begriffe. Da kommt grün gerade zupaß, bedeutet es neben ‘freie Fahrt‘ auch analog zum blauen Licht der Romantik einen Denkzustand in üppiger Fruchtbarkeit.
Die knapp hundert Textgedichte haben zwei wesentliche Ordnungsprinzipien an sich, das eine ist das Alphabet, das an allen möglichen Stellen letztlich immer wieder unerwartet hervor bricht, und das andere ist das Ohr, das die Geräusche nicht erreicht oder überhaupt nicht mit akustischen Ereignissen konfrontiert wird.
Wie schon der Untertitel anklingen läßt, kommen in den Texten immer wieder Sprichwörter, falsch generierte Begriffspaare und wörtlich genommene Befehle vor. Das Zerwürfnis der Würfel ist eine typische Fügung, in der die Würfel letztlich falsch gefallen sind.
Manche Stellen haben den übertrieben Duktus von Kalauern angelegt. Was auf den ersten Blick vielleicht schal und unwitzig wirkt, erweist sich dann als wohl kalkulierte Anspielung auf die Korrektur der Korrektur von Denkmustern. Der Autor überlauert quasi seinen eigenen Kalauer und stellt ihn dem Leser erst recht vor.
An semantischen Biegungen werden die Wortfelder oft voll ausgereizt, es entsteht ‘Rutschgefahr von Bedeutungssinn’. Gleichzeitig fühlt man sich als Leser recht gut aufgehoben, wenn Textabschnitte skurril und antididaktisch wie bei Schulgedichten Marke Peter Bichsel daherkommen.
"die uhr ist so fremd wie die tuer / die veranda ist so fremd wie das rad / (...) / der tisch ist so fremd wie der sturm / das hemd ist so fremd wie die haut" (22) Gleichungen dieser Art gehen vordergründig nicht auf, andererseits sind sie aber wahr, wie jeder ausgeglichene Gleichungsphilosoph sofort feststellen wird.
Das gilt auch für das ganze Buch, letztlich sind alle Teile stimmig, so schräg-verrückt sie dem Leser auch beim Umblättern von Seite zu Seite erscheinen mögen.
Peter Enzinger: Grünes Licht. Oder das Zerwürfnis der Würfel.
Klagenfurt/Wien: Ritter 2002. 116 Seiten. € 13,90.
ISBN 3-85415-316-3
Peter Enzinger, geb. 1968 in Zell am See, lebt in Wien.
Helmuth Schönauer 15/06/02