GEGENWARTSLITERATUR (1171)
Effektiv lesen
Die Notiz sollte kürzer sein als das Gelesene. - Gerade einfache Tipps wie jene über das Wesen einer Notiz, machen die Überlegungen zum effektiven Lesen aufs ganze gesehen zu einem recht lustigen und gewinnbringenden Abenteuer.
Der Denkansatz Brigitte Chevaliers beginnt beim Gehirn. Neben der Würdigung des Reptiliengehirns, das oft sogar bis in intellektuelle Kreise durchschlägt und Instinkte und Beißreflexe steuert, geht es in der Hauptsache um die gleichmäßige Auslastung der linken und rechten Hirnhälfte.
Hier werden beim Lesen immer wieder Fehler gemacht, indem meistens die linke Hälfte mit dem linearen und logischen Ansatz forciert wird, während gerade ein Mix mit der rechten Hälfte analoge und visuelle Fähigkeiten berücksichtigen könnte.
Ein guter Leser erahnt gewissermaßen das zu Lesende. Hier könnte man süffissant einfügen, daß der Literaturbetrieb alles dazu beiträgt, daß vieles "erahnt" werden kann, indem immer nur die ewig gleichen Texte in den Kanon aufgenommen werden.
Die wichtigste Anregung lautet: Schnell lesen, schneller lesen. Lieber einmal einen Gedanken nicht auf Anhieb kapieren, als hängen zu bleiben und das Interesse zu verlieren. Es ist nämlich überhaupt kein Problem für einen Schnelleser, ab und zu langsam zu lesen, der umgekehrte Fall aber ist undenkbar.
Und hier setzt auch die zweite Bemerkung über die Notizen ein: sie sollten immer nach der Lektüre getätigt werden, quasi aus der eigenen Erinnerung an das Gelesene heraus. Wer neben dem Lesen notiert, verzettelt sich im wahrsten Sinne des Wortes.
In den Text sind jede Menge Übungen eingebaut, mit denen man etwa die eigene Lesegeschwindigkeit austesten und steigern kann. Die markanteste Übung handelt vom gleichzeitigen Zeilen-, Spalten- und diagonalen Lesen.
Richtig zügig gelesen braucht man für das Bcuh etwa so lange wie für das Betrachten eines Spielfilms. Das ist übrigens für beide Hirnhälften eine sehr sympathische Zeitdauer.
Brigitte Chevalier: Effektiv lesen. Lesekapazität und Textverständnis erhöhen.
A. d. Französ. [Lecture et prise de notes, Paris 1992].
Frankfurt/M: Eichborn 2002. (= Eichborn exakt). 144 Seiten. 8,20 EUR. ISBN 3-8218-3840-X
Brigitte Chevalier ist Dozentin für Kommunikationswissenschaften an der Universität de Paris VIII.
Helmuth Schönauer 23/08/02