literarisches Tool 2002-02

Transport von Heimat

How to do the Didscheridoo in Wattens

Die Heimat ist ein Tool, das sich nur bedingt transportieren läßt. Wenn man sie unsensibel verschickt, kann auch die Heimat heimatlos werden wie alle, die unsensibel verschickt oder vertrieben werden. Klassisch ist mittlerweile der Satz Erhard Kästners über den griechischen Rezina, der sich als kluger Wein nicht transportieren läßt und daher an Ort und Stelle getrunken werden muß. Wenn man sich überlegt, wie viele Weine auf der Welt an falschen Orten sinnlos zusammengesoffen werden, wünscht man sich mehr solche klugen Weine!

Wer einmal gesehen hat, wie erbärmlich der Hamburger Fischmarkt vor der Innsbrucker Hofburg Sommer für Sommer tingelt und stinkt, weil sich eben nur der kitschige Geruchsteil exportieren läßt, kann sich auch ausmalen, wie original blöd eine Tiroler Schuhplattler-Truppe in Hamburg sein muß. Es ist dabei wahrscheinlich nur für Spontan-Wetten interessant, ob die geplattelten Hosen mehr glänzen als die weggeworfenen Fischhäute im Hafenbecken.

Noch den ganzen Feber lang ulkt sich im Wattener Kristallgelände eine australische Ur-Fernwohner-Truppe durch die Tage. Also so muß die pure Verzweiflung ausschauen. Drei Studenten mit intelligentem Blick aber unendlich fadem Körper sind auf Aborigines geschminkt. Zu Hause werden sie erzählen, daß sie in Tirol Schilehrer gewesen sind, wie ja auch die Tiroler Schilehrer immer zu Hause erzählen, daß sie in Australien Aborigines gewesen sind. Einer klopft müde mit zwei Bummerangs, einer bläst ins obligate Rohr und erzeugt den Sound, den wir mittlerweile schon automatisch gewissen Ralax-Übungen bei Manager-Seminaren zuordnen, und der dritte spielt abwechselnd einen Hasen, einen Vogel oder eine Schlange.

Im Stundentakt heißts auftreten, mitten in den Kristallbunkern als Häschen herum hüpfen und ein langes tiefes Fürzchen blasen. Dementsprechend begeistert sitzen die Aborigines in der Zwischenzeit in der Cafeteria herum. Die Weltaura des 21sten Jahrhunderts umfängt sie in der Wattener Kristallcafeteria, dann gibt es wieder den Befehl Klatsch-klatsch, lets go, und es geht hinaus auf die Matte, die zuvor noch sauber gekehrt worden ist. Denn die modernen Aborigines sind so hochempfindlich am Hintern, daß es ihnen sofort Blasen aufzieht, wenn ein Steinchen in der Performance liegt, frech vom Straßenverkehr der Besucherschuhe ausgeworfen. Es kann aber auch sein, daß das Aufwischen der Matte zum Ritual gehört, daß also die Ureinwohner Australiens immer die Wüste kehren, bevor sie ihr Häschen-Spiel beginnen.

Meingott, da legen diese drei im Stundentakt ihre Show hin, und wieder hin, und sich selber hin, und sind selber schon ganz hin. Es wäre interessant, etwas über das Leben jener Aborigines zu erfahren, die jetzt leben, die etwa erreicht haben, daß der Begriff "religiöses Tabu" in der gängigen Rechtssprechung Australiens vorkommt. Man könnte mit dem Tabu-Begriff einmal auf den Patscherkofel gehen, wo ja auch ein Tabu herrscht, wenn auch das vom Herrn Schipräsidenten, im Schisport heißt ist Tabu nämlich die Abkürzung von Tabula rasa. Und so wird zuerst durch die Natur getabelt und und später im Rennen gerast, bis alle am Stockerl stehen, dem Sinn des Lebens.

In Wattens werden nur putzige Partikel gezeigt, die man für eine Art Häschen-Heimat hält, völlig ohne Kontext liegen hier Rituale herum wie ausgesiebte Kristalle. Und damit es nicht auffällt, läuft es unter Kultur. Und wo sind zu Beginn ihrer Tirol-Tournee diese Didscheridoo-Heinis unter dem Label Kultur aufgetreten? Im sogenannten Kulturhaus des ORF natürlich und haben wieder Gage kassiert aus dem Kulturtopf des Landes, den sich der ORF nahezu monopolistisch unter den Nagel gerissen hat.

Helmuth Schönauer 29/01/02