Tool 2001-09

Ein Dichter, schmatz, Speichel, möcht ich sein!

Wenn die Sonne wieder einen sogenannten österreichischen Normalstand am Firmament hat, so daß man am Abend auch wieder etwas vermeintlich Echtes im Fernseher sieht, anstatt der üblichen Hitzespiegelungen während des Sommers, werden die Sommergespräche ausgestrahlt. Mittlerweile ist man auf die einfachste und normalste Gesprächsform gekommen, Gisela Hopfmüller sitzt dem Parteiführer oder der Führerin gegenüber und befragt diese und diesen möglichst ohne Getränk.

Vielleicht liegt es an dieser Getränkelosigkeit, die für einen Österreicher ja den Ausnahmezustand bedeutet, daß Alexander van der Bellen ständig schmatzt und speichelt und großen Durst hat. Am liebsten würde er sein eigenes Ohrenschmalz schlürfen, so zuhördurstig hört er sich die Fragen und Zwischenkommentare an. Denn Gisela Hopfmüller baut ihn immer wieder auf, wenn er an einer bloßen Frage zu zerbrechen droht, er kriegt frühere Eigenaussagen vorgelesen, wird mit Bonmots der eigenen Vergangenheit verwöhnt und braucht nur zu nicken und zu schmatzen, um einen Jahrhundertlebenslauf vorgetragen zu bekommen.

Von irgendeinem Affeninstitut des höheren Designs ist er eingekleidet worden, das ist wichtig, damit der Grüne auch gut und bunt rüberkommt. Ein Noname-Ampelsakko, in das man alle Pigmente hineingewoben hat, die eine Kleidung gerade noch halten kann ohne inkontinent zu nässen, macht ihn zu einem affenähnlichen Parteiführer. Ein Sakko dieser Bauweise tragen üblicherweise Schauspieler, wenn sie auf einem undekorierten Stück Boden "Den Bericht an die Akademie" als durchreisenden Quickie geben. Van der Bellen soll also als Affe einen Bericht an eine imaginäre Akademie abgeben.

Gegen Ende wird es dann doch noch literarisch, als Gisela Hopfmüller fragt, was sich der Politiker und Universitätsprofessor noch als Beruf vorstellen könnte. Und da schmatzt der Habilitierte mit dem schmatzenden Habitus daher: "Schriftsteller, könnte ich mir vorstellen, unabhängig und frei." Das ist ungefähr so lustig, wie wenn ein Sozialarbeiter sich vorstellen könnte, Sonntags-Sandler zu sein. Also zum Leben ein Professorengehalt, für das Medien-Ego das Sommergespräch, und für die Enkel die Schriftstellerei. So stellt sich das der Professor in seinem äffischen Kleid vor.

Solange Politiker solche Tools im Kopf haben, denn anders sind diese instrumentalisierten Fehlträume ja nicht zu nennen, werden es die Schriftsteller schwer haben, an irgendwelchen Grundrechten teilhaftig zu werden. Unabhängig sind die Schriftsteller nur dort, wo der Markt bereits aufgehört hat, in Zahlen zu denken, weil er selbst eine Null geworden ist. Und frei ist der Schriftsteller höchstens, weil ihn niemand in alter Karzer-Manier gezwungen hat, eine Strafarbeit zu schreiben. Die Schriftstellerei ist eine Knochenarbeit, die vordergründig niemanden interessiert und sich auf diverse Organe schlägt, in den meisten Fällen auf die Leber. Aber offensichtlich haben es die Schriftsteller geschafft, von ihrem Beruf ein so traumhaftes Bild zu zeichnen, daß sich sogar ein indisponierter Parteiführer spätabends, wenn das Gespräch schon im Sande verlaufen ist, vorstellen kann, in einem anderen Leben ein Dichter zu sein.

Helmuth Schönauer 27/08/01