Tool 2001-07

Mundart ahoi und olé

Ein interessantes Tool, das der Literatur seit eh und je ziemlich nützlich zur Hand geht, ist die sogenannte Mundart. Obwohl manche Mundartkreise mit allen Tricks versuchen, alte Begriffe auszugraben und mit dem leichten Waffenöl der militanten Heimatkunde einzupinseln, ist die Mundart die schnellste sprachliche Reaktion auf aktuelle Zustände. Seltsamerweise stirbt die tümelnde Mundart nie aus, kein Mensch weiß, wo die restaurativen Sprachschützer herkommen, es sind jedenfalls immer genug da, um in einer seltsamen Tracht seltsame Wörter aus dem Mund herauszustoßen. Die echte Mundart freilich kümmert sich wenig um Mieder und Latze ist einfach als Tool da, wenn etwas spontan in einer neuen Situation gesagt werden soll. Von den Südtirolern beispielsweise kann man sich eine sehr pragmatische Verwendung der Mundart abschauen, sie benützen diese ungeniert, kräftig und regional authentisch, wenn aber das Fernsehen oder sonstige Institutionen mit Mikrophonen kommen, turnen sich die Sprechenden sofort in eine abgehobene Hochsprache hinauf, die oft sehr gepreßt und "gespreizt-geschissen" klingt. Durch die Verwendung der Sprache ist allen sofort klar, wie offiziell das Gesagte gemeint ist. Die noch vor zwanzig Jahren als kritisch gehandelte Mundart der Umweltschützer und Selbstfinder ist mittlerweile ziemlich ausgereizt, bei den meisten Liedermachern sind Liedgut, Sprache und Sound von der Globalisierung überrollt worden. Das heißt, daß globale Themen in der Mundart letztlich nur karikiert aber nicht angemessen diskutiert werden können. Überhaupt sind große Begriffe durchaus auch im kleinen Kreis salonfähig geworden. Durch das Chatten schließlich hat sich die Mundart ein neues Betätigungsfeld zugelegt, einerseits hat so mancher Chat-Room durchaus Eigentümlichkeiten und Identifikationsmöglichkeiten, wie sie früher die Mundart für eine bestimmte geographische Region zur Verfügung gestellt hat, andererseits entwickelt sich im Chat-Space so etwas wie eine Weltmundart, was auf den ersten Blick wie ein Anachronismus klingt. So gesehen ist die Mundart weltweit auf einer noch nie dagewesenen Höhe der Nützlichkeit, die Mundart hat sich zu einem wesentlichen Tool der Literatur herausgemausert.

Helmuth Schönauer 01/07/01