Outsourcen
Seit auf dem halben Kontinent die Null als oberster Lebensinhalt
ausgerufen worden ist, muß sich dieser Null immer öfter auch
die Kunst beugen. Ein berüchtigtes Tool zum Erreichen dieser
Null ist das Outsourcen, was so viel wie auslagern, in der Praxis
oft auch wegschmeißen bedeutet. Indem ich nämlich einen
Arbeitsplatz outsource, werfe ich ihn am bisherigen Platz samt
seinem Inhaber weg. Besonders in der Musikszene ist das
Outsourcen momentan der letzte Schrei. Da große Streicher- oder
Bläserensembles sehr teuer sind, werden die entsprechenden Noten
nach Polen oder Weißrußland gemailt, wo sie die billigen
Musiker zu Dumping-Preisen auf ein MP3-File spielen, das
anderntags wieder zum Auftraggeber ins Land der Null
zurückkommt. Im Studio baut man dann diese outgesourcete Musik
wieder ein, und die Komposition ist fertig zum Verkauf. Im
nächsten Schritt wird man am Landestheater das Orchester auflösen
und die entsprechenden Files einspielen. Denkbar ist auch,
die Schauspieler outzusourcen, das heißt, ein Statist zum halben
Preis spielt den Hamlet, die Stimme kommt von einem
Schauspieler in Krakau, der um den halben Preis zu haben ist. Es
ist lustig zu beobachten, wie eine hochentwickelte
Gesellschaft völlig aus dem Leim geht und sich freiwillig
degeneriert bis zur Null, weil diese Zahl so beeindruckend ist.
Helmuth Schönauer