literarisches Tool 2001-03

Die besten Tools sind jene, die man nicht als solche erkennt: Obwohl es beispielsweise gerade der Hammer ist, der den Nagel einschlägt und unsere Bewunderung verdienen sollte, redet niemand mehr vom Hammer, wenn später das Bild, das an dem Nagel hängt, bewundert wird. In der Umgangssprache, die ja selber ein Tool ist, gibt es noch einen Rest von Anerkennung für dieses Phänomen, indem der Betrachter eines Bildes etwa ausruft: "Das ist ein Hammer!"

Fast alle Österreicher benützen schon früh am Morgen ein Tool, um sich von der Welt ein Bild zu machen, kaum daß sie sich die Augen vom Schlaf ausgerieben haben. Wenn diese Österreicher an ihrem Arbeitsplatz ankommen, haben sie alle schon das gleiche Bild von der Welt, so daß man ungefragt und ohne Diskussion mit der Arbeit beginnen kann. Und arbeiten in Österreich heißt: Am gemeinsamen Bild weiter arbeiten, Tag für Tag.

Dieses allgemein gültige Weltbild für alle Österreicher stellt im ganzen Lande die "Kronen Zeitung" beinahe kostenlos zur Verfügung. (Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist gigantisch, wenn man bedenkt, was man um täglich 10,- ATS für ein gewaltiges, allgemein gültiges Weltbild bekommt.) Ab und zu wird dieses wichtigste Morgen-Tool der Österreicher auch Gegenstand für Literatur. Etwa wenn die Presse zum 80sten Geburtstag des Herausgebers eine "Ode an die Krone" schreibt.

Ein Medienmogul wird 80.

Hans Dichand, Gründer, Eigentümer, Herausgeber, Chefredakteur und täglicher Gestalter der "Kronen Zeitung" , feiert am 29. Jänner seinen 80. Geburtstag. Die Zeitung ist seit Jahrzehnten Österreichs auflagenstärkste Zeitung. Freilich ist die Zeitung komplett das Produkt Dichands und einer kleinen Kernmannschaft, die durchwegs aus der Alterskategorie des Gründers kommt. Eine tragfähige Nachfolgelösung scheint nirgendwo in Sicht. Dichands bisweilen losbrechende Agitations-Kampagnen werden von der ganzen politischen Szene gefürchtet, haben Österreich zuletzt etwa in große Nachbarschaftsprobleme mit Tschechien gestürzt. Jedoch scheint sein Nimbus seit dem Vorjahr gebrochen: Wolfgang Schüssel hat genau vor einem Jahr trotz massivster Drohungen Dichands den Koalitionswechsel gewagt - und die Zeitung mußte unter dem Druck ihrer Leser binnen drei Tagen mit fliegenden Fahnen ins Koalitionslager wechseln. Zuletzt hat Dichand ohne sonderlichen Erfolg eine Kampagne begonnen: "Der ORF gehört den Bürgern" - auch hier blieb die Wirkung aus; es wurde nicht einmal klar, was diese kryptische, an volksdemokratische Formulierungen erinnernde Forderung eigentlich bedeutet. Dichand war vor der Gründung der "Krone" schon Chefredakteur der "Murtaler Zeitung", der "Kleinen Zeitung" und des "Kurier".

[DIE PRESSE, 27. Jänner 2001]